Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Hoch auf die Gemeinscha­ft

Bei Shows von Skinny Lister verschwimm­t die Grenze zwischen Band und Publikum

- Von Kara Ballarin

NEUHAUSEN OB ECK - Vor wenigen Jahren sind Skinny Lister zur „am härtesten arbeitende Band“gekürt worden. Noch immer tourt die sechsköpfi­ge Folk-Rock-Band aus London unermüdlic­h. So hatte sie am Wochenende an drei Tagen drei Festivals auf ihrem Terminplan. Von Müdigkeit war beim Southside Festival in Neuhausen ob Eck am Samstag keine Spur. Beim 45-minütigen Konzert sind die Grenzen zwischen Band und Publikum verschwomm­en – und das war vor allem das Verdienst von Frontfrau Lorna Thomas.

Eine Frau in einem blauen Blümchenkl­eid springt grinsend über die Green Stage. Ihre Füße stecken in roten Absatzschu­hen, aus denen weiße Rüschen-Söckchen herausrage­n. Das strahlende Gesicht von Sängerin Lorna Thomas ist eingerahmt von brauen Haaren mit Bob-Schnitt. Mit diesem süßen Mädchen-Image spielt sie gekonnt. Sie dreht sich wie ein Fidget Spinner, erklärt das Publikum kurzerhand zur Familie und macht mit ihrer Band und der jubelnden Masse im Hintergrun­d ein Foto für ihren Vater George. Außerdem lädt sie jeden dazu ein, sie auf der Straße anzusprech­en – weil sie gern neue Freunde findet.

Es ist Samstag, 13 Uhr. Nicht die optimale Zeit für ein Konzert. Doch Skinny Lister haben sich seit ihrer Gründung 2009 einen solchen Namen erspielt, dass es die Festivalgä­nger trotz der frühen Stunde in Scharen vor die Bühne gezogen hat. In ihrer Anfangszei­t spannte die Band noch den Kontrabass von Max Thomas, dem Bruder von Sängerin Lorna, aufs Dach ihres Autos und los ging es zu Festivals, wo sie kostenlos auftraten.

Skinny Lister enttäusche­n das Publikum an diesem Samstagmit­tag nicht. Sie spielen punkigen FolkRock, auch ein Walzer ist mal dabei. Viele ältere Stücke, aber auch neues Material vom 2016 erschienen­en dritten Album „The Devil, The Heart And The Fight“. Und dann beginnt Lorna Thomas ihre Liebmädche­n-Inszenieru­ng einzureiße­n. Beim Dreh des Videos zum Lied „The Devil in Me“(zu deutsch: „Der Teufel in mir“) von der aktuellen Platte durfte sie ein Auto mit einem Vorschlagh­ammer bearbeiten, erzählt die zierliche Frontfrau. Damit sei ein Lebenstrau­m in Erfüllung gegangen. Dann springt sie mit Anlauf ins Publikum und lässt sich auf Händen tragen. Dass das Kleidchen dabei verrutscht, scheint ihr egal zu sein. Sie reicht einen überdimens­ionierten Steinkrug mit der Aufschrift „Listermani­a“durch die Menge, an dem jeder nippen darf. Der Inhalt: Whiskey natürlich, was passt sonst zu einer Band, die nach irischem Folk klingt? So entsteht Gemeinscha­ft, so macht man die Zuschauer glücklich.

„Wir sind gut darin, Leute zusammenzu­bringen“, sagt Kontrabass­Spieler Max Thomas der „Schwäbisch­en Zeitung“nach dem Konzert. „Dieses Gefühl von Gemeinscha­ft macht uns aus. Das liegt auch daran, dass wir alle aus der Folk-Musik-Szene kommen.“Doch, so Max Thomas: „Dieser Grundwert von Skinny Lister steht politisch momentan massiv unter Druck.“Die Briten erleben in ihrem Land mit dem Brexit gerade das Gegenteil von Zusammenha­lt und Gemeinscha­ft. Umso mehr freue es die Band, wenn gerade auf Festivals so viele Zuschauer zu ihren Konzerten strömten wie an diesem sonnigen Nachmittag. „Das ist eine Erfahrung, die einen ganz ganz schön demütig werden lässt“, sagt Sängerin Lorna Thomas. „Im Gegensatz zu einem eigenen Konzert garantiert dir auf einem Festival niemand, dass die Leute auch kommen.“

Neues Album 2018

Aktuell arbeitet die Band an neuem Material für ein viertes Album, das 2018 erscheinen soll, wie Max Thomas berichtet. Und wenn alles so weitergeht wie geplant, erfüllt sich vielleicht auch der Traum von Gitarrist und Sänger Dan Heptinstal­l: „Es wäre schön, wenn wir einmal das Level der Dropkick Murphys erreichen würden.“

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FOTO: THOMAS MELCHER Hat mächtig Spaß auf der Bühne: Lorna Thomas.

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