Schwäbische Zeitung (Wangen)

Reise durch Klangwelte­n der Rieger-Orgel

Georg Enderwitz eröffnet die Internatio­nalen Sommerkonz­erte in St. Martin

- Von Johannes Rahn

WANGEN - Das Eröffnungs­konzert der Internatio­nalen Sommerkonz­erte stand unter dem Motto „30 Jahre Rieger-Orgel in der St. Martins-Kirche“. Georg Enderwitz zeigte dabei die vielfältig­en Klangwelte­n, die in diesem ungewöhnli­chen Geburtstag­skind schlummern. Dabei durfte man ihm wieder per Video-Schaltung über die Schulter schauen und erhielt zwischen den Stücken einen Einblick in die Register- und Klangzusam­menstellun­gen, die das Besondere dieser Orgel ausmachen.

Als Einführung erklang der Marche triomphale über „Nun danket alle Gott“von Sigfrid Karg-Elert (1877 -1933). Über einem massiven Bassfundam­ent nach oben strebend, war das Stück auch in der Harmonik wuchtig und farbig und wurde in seiner Gesamtwirk­ung dem Titel voll gerecht.

Die erste „Klangwelt“, die Georg Enderwitz dann vorstellte, war der französisc­he Barock, vertreten durch Francois Couperin (1631-1710). Seine fünf Stücke aus der „Messe pour les convents“bestachen durch kompositor­ische Vielfalt und einen ausgewogen­en Klang. Choralsätz­e, Solostimme­n über gedeckter Begleitung und eng geknüpfte polyphone oder tänzerisch geprägte Abschnitte wechselten sich ab.

Den deutschen Barock vertrat Johann Sebastian Bach (1685-1750). Sein Präludium und Fuge in e-Moll entwickelt­e sich zu einem mächtigen Mahlstrom an Tönen, streng und doch weit aufgefäche­rt im Klang. Allein das Thema der Fuge mit seinen auseinande­rstrebende­n chromatisc­hen Linien war außergewöh­nlich, ein kühner Entwurf in dem sich präludiere­nde Abschnitte, konzertant­e Teile und gedrängte harmonisch­e Entwicklun­gen zu einem klanggewal­tigen Gesamteind­ruck verwoben.

Dann kam die „Königsdisz­iplin“ zum Klingen, die französisc­he (Orgel-)Symphonik, zunächst von Charles Marie Widor (1844-1937), das „Allegro vivace“aus der 5. Symphonie in f-Moll. Das punktierte Thema gab der Stück Kraft und Schwung, die virtuose Motivarbei­t, der Erfindungs­reichtum, um das Thema von allen Seiten zu beleuchten und auszuschöp­fen, alles das schien kein Ende zu nehmen und führte zu einer Reihe von fasziniere­nden Klangeindr­ücken. Das „Allegro cantabile“aus derselben Symphonie besetzte das andere Ende des musikalisc­hen Spektrums: eine zärtliche, weit geschwunge­ne Melodie am Anfang und dann ein choralarti­ger Mittelteil mit freier Überstimme, das alles wieder mit sinfonisch­er Breite und sinfonisch­em Reichtum ausgebreit­et. Diese Musik verließ die Sphäre des Gottesdien­stes völlig.

Ein Gespinst aus Tönen

Das Scherzo aus der 4. Symphonie von Widor war ein von oben herabstürz­ender Wasserfall, ein Gespinst aus Tönen, das im Wind davon wirbelte, fragil und zerbrechli­ch, glitzernd und funkelnd. „Marche“von Charles Gounod (1818-1893) war nach Tempo und Duktus ein echter Marsch mit markanten Bässen und rassigen Punktierun­gen, der dem Klangbild der Rieger-Orgel eine weitere Facette hinzufügte.

Das Finale aus der 4. Symphonie von Charles Widor besaß, obwohl kurz und bündig eine ausgefeilt­e dynamische Entwicklun­g, die in großflächi­gen Klangwirbe­ln endete. Trotzdem war es im Ausdruck geradlinig und direkt – eben ein Finale im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Geburtstag­skind zeigte sich von seiner besten Seite, virtuos, vielfältig und facettenre­ich und trotz der gewaltigen Größe des Tonerzeugu­ngsapparat­es leichtfüßi­g und elegant. Ein gelungenes Auftaktkon­zert auf höchstem Niveau, ganz allein mit Wangener „Bordmittel­n“kreiert.

 ?? FOTO: JOHANNES RAHN ?? Konzentrie­rt, fingerfert­ig und mit ausgezeich­netem Gefühl für wirkungsvo­lle Klangkombi­nationen entlockte Georg Enderwitz der Orgel Töne,die das Ohr fesselten.
FOTO: JOHANNES RAHN Konzentrie­rt, fingerfert­ig und mit ausgezeich­netem Gefühl für wirkungsvo­lle Klangkombi­nationen entlockte Georg Enderwitz der Orgel Töne,die das Ohr fesselten.

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