Richter: „Da läuft bei Ihnen irgendwas nicht richtig“
Amtsgericht verurteilt 20-Jährigen wegen versuchter Nötigung – Am Vorwurf der Vergewaltigung knapp vorbei geschrammt
TETTNANG (sig) - Auf dem Weg von der Bushaltestelle Obereschach in die Stiftung Liebenau hat ein heute 20-Jähriger eine sechs Jahre Ältere sexuell genötigt. Dem einvernehmlichen Sex in den Büschen folgte eine Drohung: wenn die Frau den Erziehern davon erzähle, würde er sie umbringen. Gestern stand der junge Mann, dem vor vier Jahren eine Lernbehinderung im Grenzbereich zur geistigen Behinderung attestiert wurde, wegen Vorwurfs einer versuchten Nötigung vor dem Amtsrichter in Tettnang.
Nachdem die geistig behinderte Frau vor der Polizei keine schlüssigen Angaben machen konnte und nach Aussagen einer Kripo-Beamtin eine „Wahrheitsfindung nicht möglich“war, wurde keine Anklage wegen Vergewaltigung erhoben.
Auf einvernehmlichen Sex folgt die Drohung
Der zur Tatzeit 19-Jährige war am 8. Oktober vergangenen Jahres zwischen 18 und 19 Uhr mit der jungen Frau aus Ravensburg kommend in Obereschach aus dem Bus gestiegen. Auf dem Weg zu ihren Wohngruppen in der Liebenau unterhielten sie sich und der Angeklagte habe die Frau gefragt, ob sie Spaß – also Sex – haben wolle? Die damals 26-Jährige habe zugestimmt, schnell ging es ab in die Büsche. Auf dem anschließenden weiteren Heimweg habe der Angeklagte die Drohung ausgesprochen.
Der Angeklagte räumte gestern vor Richter Martin Hussels-Eichhorn die Vorwürfe ein, hatte aber „keine Ahnung“, warum seine Sexpartnerin ihn über einen Betreuer angezeigt hatte. Schließlich habe sie den sexuellen Handlungen zugestimmt. Die Drohung habe er aus Angst vor Konsequenzen in der Wohngruppe ausgesprochen. Umbringen wollen habe er die Frau nicht. Das Problem des heute 20Jährigen: Er ist nicht das erste Mal wegen sexistischer Taten aufgefallen, auch aktuell, weshalb der Richter feststellte: „Da läuft bei Ihnen irgendwas nicht richtig“.
Der in Lindenberg geborene Angeklagte steht momentan vor dem Sonderschul-Abschluss, ist zuversichtlich, dass dies auch klappt. Anschließend will er in der Stiftung arbeiten. Sein bisheriges Lebens war nicht glanzvoll. Der Vater zog zuhause aus, als er zwei oder drei Jahre alt war.
Die Mutter schlug ihn, das Essen war knapp. Er kam in schlechte Gesellschaft. Später kam der Angeklagte zu Pflegeeltern in Ludwigsburg, die für ihn wie richtige Eltern waren, wie er sagte. Er ging wieder zur Schule, seine Leistungen wurden besser. Eine Schwester ist drogenabhängig, befindet sich in einer geschlossenen Einrichtung. Der Bruder lernt den Beruf des Elektrikers.
Der Staatsanwalt sah den Vorwurf der versuchten Nötigung erwiesen und beantragte einen 60stündigen gemeinnützigen Arbeitseinsatz. In seinen letzten Worten vor Gericht sagt der Angeklagte, es tue ihm leid, und „Was passiert isch, isch passiert.“
Das Gericht schloss sich der Staatsanwaltschaft und der Jugendgerichtshilfe an. Wegen versuchter Nötigung muss der 20-Jährige bis zum 30. August dieses Jahres die 60 Stunden ableisten und zudem bis zum 30. Juli ein Entschuldigungsschreiben an seine Sexpartnerin schreiben. Länge: Eine DIN-A 4Seite-, die er anschließend dem Gericht vorlegen muss.