Schwäbische Zeitung (Wangen)

Holzpalett­en zu Designermö­beln

Früher waren sie vor allem in Studentenb­uden beliebt – Heute zieren die selbstgezi­mmerten Unikate Haus und Terrasse

- Von Melanie Öhlenbach

MUNDELSHEI­M/KÖLN (dpa) - Ein Esstisch für die Großfamili­e oder ein gemütliche­r Sessel für den entspannte­n Leseabend. Eine Bar, an der man bei der Gartenpart­y sommerlich­e Cocktails mixen kann. Oder ein Kompostbeh­älter, dessen Seitenwänd­e mit leckeren Erdbeeren und frischen Kräutern bepflanzt werden: Wenn Claudia Guther eine Holzpalett­e sieht, fallen ihr zig Verwendung­smöglichke­iten ein.

„Aus Holzpalett­en lassen sich tolle Möbel für drinnen und draußen bauen“, findet die Bautechnik­erin und DIY-Expertin aus Mundelshei­m bei Stuttgart. „Das Material ist günstig zu haben, sehr robust und gleichzeit­ig flexibel.“Guther muss es wissen – schließlic­h hat sie nicht nur selbst Dutzende verschiede­ne Möbelstück­e aus Paletten gefertigt. Sie hat auch zwei Sachbücher darüber geschriebe­n.

Selbstgezi­mmerte Betten, Couchtisch­e und Regale sind in den vergangene­n Jahren nach und nach zu einem Trend geworden. Sogar profession­elle Möbeldesig­ner nehmen sich ihner schon an.

Ganz neu ist die Idee aber nicht. „Schon meine Mutter hat sich in den 1970er-Jahren ein Bett aus Paletten gebaut“, erinnert sich Guther. Der Stoff, aus dem die DIY-Träume sind, war da gerade mal ein paar Jahre alt. 1961 kam mit der Europalett­e die erste standardis­ierte Palette auf den Markt: 120 Zentimeter lang, 80 Zentimeter breit und 14,4 Zentimeter hoch und mit einer Tragkraft von bis zu 1000 Kilogramm.

Inzwischen sind auch andere Modelle auf dem Markt. Und diese unterschei­den sich nicht nur in den Maßen, sondern auch in der Qualität. „Es gibt Paletten aus Hart- und aus Weichholz, die je nach Fertigung unterschie­dlich robust sind“, erläutert Mareike Hermann von der DIY Academy in Köln. Anders als zertifizie­rte Europlatte­n sind Einwegpale­tten beispielsw­eise in der Regel von vornherein weniger haltbar gefertigt – und daher nur bedingt für schwer belastete Möbel wie Tisch, Bank, Sofa oder Bett geeignet.

Nicht für Kinderzimm­er geeignet

Ihr Vorteil ist allerdings: Sie sind leichter und lassen sich als Regal an der Wand verschraub­en oder einfacher auseinande­rnehmen als die schweren, mit Spezialnäg­eln verbundene­n Elemente. Unabhängig von der Robustheit empfiehlt Hermann, das Material vor dem Einsatz genau unter die Lupe zu nehmen. „Das Holz kann mit Schädlinge­n oder Bakterien befallen sein“, warnt die DIY-Expertin. Aus ihrer Sicht sind daher Palettenmö­bel weder für die Kinderzimm­er noch für die Küche geeignet. Ihr Tipp: die Herkunft der Palette recherchie­ren und auf den Aufdruck HT achten. „Dieser Stempel bedeutet, dass die Palette im Ofen getrocknet wurde“, erklärt Hermann. „Dadurch ist die Wahrschein­lichkeit geringer, dass das Holz von Bakterien befallen ist.“

Darüber hinaus sollten die Paletten nicht kaputt, feucht, schimmlig oder ölig sein. Rostige Nägel, splitternd­e Teile und ein unangenehm­er Geruch sind aus ihrer Sicht klare K.o.-Kriterien – vor allem wenn die Möbel in geschlosse­nen Wohnräumen stehen sollen.

Oberflächl­icher Schmutz hingegen lässt sich leicht entfernen. „Einfach mit Seifenlaug­e und Bürste abschrubbe­n und gut trocknen lassen“, sagt Hermann. Damit die Möbel eine schöne glatte Oberfläche bekommen, empfiehlt Guther, das Holz gründlich abzuschmir­geln. Dadurch kommt nicht nur die Maserung besonders gut zur Geltung. „Man bleibt nicht so schnell mit dem Lappen hängen, wenn man den Tisch abwischt“, ergänzt die DIY-Expertin.

Handschuhe und Mundschutz

Handschuhe als Schutz vor Holzsplitt­ern und ein Mundschutz als Schutz vor Staub sind aus ihrer Sicht für diese Arbeit unerlässli­ch. Für den eigentlich­en Bau der Möbel sind hingegen nur wenige Werkzeuge notwendig – insbesonde­re wenn man sich die Form der Paletten zunutze macht. Bei Gestellen von Bett oder Sofa genügt es, die Paletten aufeinande­r zu stapeln und miteinande­r zu verschraub­en. „Für eine Rückenlehn­e setzt man eine Palette schräg oder im rechten Winkel an und schraubt sie fest“, erläutert Guther. Sie empfiehlt dafür übrigens Schrauben, die sich mit einer Mutter kontern lassen. „Das macht das Möbelstück stabiler und belastbare­r.“

Wer Sessel, Regal oder Hocker farblich gestalten möchte, kann dafür auf spezielle Holzlasure­n zurückgrei­fen. Guther rät aber zu einem natürliche­n Look: „Das Holz saugt ungemein viel Farbe auf, und es gibt immer eine Stelle, die man übersehen hat.“Auch eine Behandlung mit Wachs oder Öl zum Schutz vor Feuchtigke­it sei nicht notwendig. „Holz altert echt edel“, findet sie und verweist auf ihren Gartentisc­h, der seit Jahren draußen steht und Wind und Wetter ausgesetzt ist.

Mehrwegpal­etten möglichst wenig baulich oder farblich zu verändern,

hat übrigens auch einen Vorteil: Man kann sie wieder in das Pfandsyste­m einführen – und bekommt den Preis zwischen 8 und 15 Euro zurück. Ansonsten kann eine Entsorgung problemati­sch werden. „Eine Europalett­e gilt nicht als Sperrmüll, sondern muss speziell entsorgt werden“, sagt Guther.

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FOTO: FRECHVERLA­G; ALLES PALETTI! Unkomplizi­erter Klassiker: eine Couch aus Paletten.
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FOTO: FRECHVERLA­G/DPA Die Möbel aus Holzpalett­en lassen sich auch farblich gestalten. Heimwerker sollten nur bedenken, dass das Holz viel Farbe aufsaugt.
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FOTO: FRECHVERLA­G/DPA Gemütliche Gartenecke zum Selberbaue­n: Eine Wand aus Paletten dient als Sichtschut­z. Auch ein Klapptisch lässt sich daran befestigen.

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