Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bundestag verabschie­det „Ehe für alle“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmt mit Nein – Massive Kritik von Bischöfen

- Von Rasmus Buchsteine­r und unseren Agenturen

BERLIN - Nach jahrzehnte­langem Ringen hat der Bundestag am Freitag Ja zur Ehe für Homosexuel­le gesagt. Mit einer Mehrheit von SPD, Linken und Grünen sowie knapp einem Viertel der CDU/CSU-Fraktion beschloss das Parlament die rechtliche Gleichstel­lung von Lesben und Schwulen. Am Ende standen Befürworte­rn wie Volker Beck (Grüne) Tränen in den Augen, Gegner wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beschworen die Ehe von Mann und Frau als Keimzelle des Staates. Kritik kam von der katholisch­en Kirche und Juristen.

Merkel, die den Stein selbst ins Rollen gebracht hatte, votierte mit Nein. „Für mich ist die Ehe im Grundgeset­z die Ehe von Mann und Frau“, sagte sie, sprach sich aber dafür aus, dass Homosexuel­le Kinder adoptieren können. Die SPD hatte nach Merkels Äußerungen zur Gewissense­ntscheidun­g die Abstimmung gegen den Willen des Koalitions­partners im Eilverfahr­en durchgeset­zt. SPD-Chef Martin Schulz betonte nun, die „Ehe für alle“sei kein Sieg der SPD, sondern ein Sieg der Toleranz und der Menschenwü­rde. Bislang durften Homosexuel­le eine Lebenspart­nerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten und nicht gemeinsam Kinder adoptieren.

623 der insgesamt 630 Parlamenta­rier waren zur Abstimmung gekommen. 393 Parlamenta­rier votierten mit Ja, darunter 75 Unionsabge­ordnete. 226 stimmten mit Nein, vier Unionsparl­amentarier enthielten sich. Der Bundesrat beschäftig­t sich am 7. Juli mit dem Gesetz.

An der Verfassung­smäßigkeit des Gesetzentw­urfs gibt es Zweifel. Unionspoli­tiker prüfen eine Klage. Der frühere Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts (BVG), Hans-Jürgen Papier, sagte dem „Spiegel“: „Wenn man die Ehe öffnen will, muss man das Grundgeset­z ändern.“Das BVG habe bis zuletzt in seinen Entscheidu­ngen betont, dass eine Ehe im Sinne des Grundgeset­zes nur die „Vereinigun­g eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgeme­inschaft ist“.

Ein Scheitern vor dem BVG hält Gebhardt Fürst, der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, für möglich. Die Entscheidu­ng sei „nicht im Sinne der Väter des Grundgeset­zes“. Die Verfasser des Grundgeset­zes hätten die Verbindung von Mann und Frau gemeint. Enttäuscht zeigte sich Berlins Erzbischof Heiner Koch, Vorsitzend­er der Kommission Ehe und Familie der Deutschen Bischofsko­nferenz. „Es ist eine Fehlentsch­eidung“, sagte er zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Unter grundgeset­zlichem Schutz stünden Männer und Frauen, „die eine Ehe eingehen und Kindern das Leben schenken wollen“. Ohnehin sei er verwundert: „Viele, die die Institutio­n Ehe lange Zeit als lebensfein­dlich und als Auslaufmod­ell bekämpft haben, sind mittlerwei­le zu glühenden Verfechter­n der ‚Ehe für alle‘ geworden“. Dies könne er nicht nachvollzi­ehen.

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