60 Jahre Bundesbank
Vertrauen in die Notenbank ist unverändert groß – Ihr Einfluss war allerdings schön größer
FRANKFURT - Es gibt großen Auftrieb dieses Wochenende bei der Bundesbank, in der Zentrale, etwas am Rande der Stadt auf der Gemarkung, die „Diebsgrund“heißt, und auch in der Innenstadt, wo die Hauptverwaltung Hessen, die ehemalige Landeszentralbank, Zelte und Bühnen aufgebaut hat. Die Bundesbank wird 60 und feiert das mit einem „Tag der offenen Tür“. Ihre Vorstände werden interviewt, Vizepräsidentin Claudia Buch etwa zum Thema: „Wie stabil ist das Finanzsystem?“
Das treibt die Bundesbank derzeit um. Einerseits, weil sie Teil der deutschen Bankenaufsicht ist und die dabei verantwortliche Behörde, die Bafin, „schleichendes Gift“in den Bilanzen vieler Banken vermutet. Der negativen Zinsen wegen, die vor allem Banken mit hohen Spareinlagen, die sie nicht als Kredit verkaufen können, bei der Europäischen Zentralbank zahlen müssen.
Andererseits, wegen der Stabilität des europäischen Bankensystems, über die Bundesbankpräsident Jens Weidmann als Mitglied im Zentralbankrat der EZB mitzureden hat. Seine Haltung, wer Hilfe von anderen wolle, müsse auch deren Rat und Auflagen akzeptieren, findet dort, im EZB-Rat, und auch sonst in Europa wenig Widerhall.
Diese Woche kritisierte Weidmann Italien, das seine Defizitpolitik nach allem anderen als nach den Maastrichter Regeln steuert, auch Banken entgegen neuer europäischer Regeln auf Staatskosten saniert: „Die Bereitschaft, Entscheidungsbefugnisse auf die europäische Ebene zu verlagern oder sich auch nur von der Gemeinschaft reinreden zu lassen, sehe ich nicht“, sagte er in Stuttgart. „Deutlich wird dies nicht nur am Umgang mit den Haushaltsregeln, sondern auch an der Einhaltung der neuen Abwicklungsprinzipien für Banken – gerade in den Ländern, die ein Mehr an Gemeinschaftshaftung fordern.“
Hort der Stabilität
Anders als sein Vorgänger Axel Weber, der 2011 letztlich frustriert hingeschmissen und auch auf die mögliche Präsidentschaft der EZB verzichtet hatte, gilt Weidmann als leiser, aber beständiger Bohrer, als Mahner, der Niederlagen im EZB-Rat hinnimmt, aber mit seiner Kritik danach von Neuem anfängt. Er ist auch zu differenziertem Blick bereit: „Die umfangreichen Krisenmaßnahmen, die von der europäischen Politik und vom Eurosystem ergriffen wurden, haben zwar eine Eskalation der Krise verhindert“, sagte er an gleiche Stelle: „Dauerhaft stabil gemacht haben sie die Währungsunion aber nicht.“
Hatte man vor zehn Jahren, beim 50. Geburtstag der Bundesbank, den Eindruck, sie verliere ihre Bedeutung im Geflecht des Systems der europäischen Zentralbanken unter Führung der EZB, gewinnt sie derzeit wieder an Kontur – und zwar mit einer Politik, die ihrer Tradition entspringt.
Im Juli 1957 wurde das Gesetz über die Deutsche Bundesbank verabschiedet. Am 1. August trat es in Kraft. Aus der „Bank deutscher Länder“wurde die Bundesbank – entstanden auch aus der Politik des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard. Der hatte den Deutschen nach dem Krieg immer wieder vor Augen gehalten, wie Inflation „eine gewachsene volks- und gesellschaftswirtschaftliche Struktur im Innersten zerstört, wie sie das Schiebertum gedeihen und die ehrliche Arbeit sinnlos werden lässt, wie sie das Vertrauen in die staatliche Ordnung zerstörte und Schwärmern und Scharlatanen Auftrieb gab.“
Die Deutschen schätzten ihre Währung, die D-Mark. Und im Zweifel hielten sie es lieber mit der Notenbank als mit der Bundesregierung. Es gab viel Streit: Die Zinsen waren nach dem Geschmack aller Regierungen immer zu hoch. Der Goldschatz von gut 3400 Tonnen weckte Begehrlichkeiten. Doch die Öffentlichkeit stand meist nicht auf Seiten der gewählten Regierung, sondern der ernannten Bundesbankspitze. Bundesbankpräsidenten wie Karl-Otto Pöhl (1980 – 1991), Helmut Schlesinger (1991 – 1993) und der kürzlich verstorbene Hans Tietmeyer (1993 – 1999) scheuten den Konflikt mit den jeweiligen Bundesregierungen nicht. Eine unabhängige Bundesbank war den Deutschen so wichtig, dass der frühere Präsident der EU-Kommission Jacques Delors stöhnen konnte: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle an die Bundesbank.“
Der Euro hätte eigentlich ein vergleichbares Vertrauen verdient. Er ist gar stabiler als die D-Mark es war. Seit seiner Einführung lag die durchschnittliche Inflationsrate in der Eurozone bis 2017 bei 1,7 Prozent pro Jahr. „Zu D-Mark-Zeiten war die Teuerung im Schnitt höher“, sagt Bundesbankpräsident Weidmann.
Aber er weiß auch, dass Preisstabilität nicht die einzige Voraussetzung für Stabilität in der Währungsunion ist. Ihn treiben vor allem die massiven Aufkäufe von Staatsanleihen durch die EZB um. Sie machten die Zentralbank zum Gläubiger der Staaten. Und das könnte die Unabhängigkeit der Notenbank infrage stellen.