Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wem sollen Polens Zeitungen gehören?

Printmedie­n zum Großteil in ausländisc­her Hand – Regierung plant „Repolonisi­erung“

- Von Natalie Skrzypczak

WARSCHAU (dpa) - Fernsehen und Radio hat Polens Regierung bereits unter Kontrolle. Nun gerate die Presse ins Visier, warnen Kritiker. Sie machen sich Sorgen über die geplante „Repolonisi­erung“, mit der die Regierungs­partei PiS (Recht und Gerechtigk­eit) Printtitel ausländisc­her Verlage zurückkauf­en will.

In einem ersten Schritt brachte die PiS 2015 bereits Radio und Fernsehen unter ihre Kontrolle. Nun habe sie die Presse im Visier, warnt die Organisati­on Reporter ohne Grenzen (ROG). Bauchschme­rzen bereitet den Aktivisten ein neues Mediengese­tz, das die PiS noch in diesem Jahr vorlegen will. Mit der „Repolonisi­erung“der Presse wollen die Nationalko­nservative­n Dutzende Zeitschrif­ten, Regionalze­itungen und Magazine ausländisc­her Verlage in polnische Hand bringen. Und zwar in die des Staates, wie Kritiker befürchten.

Die Präsenz deutschspr­achiger Verlage ist nach Angaben von Polens Wirtschaft­skammer (KIG) groß. Medienhäus­er wie die Bauer Gruppe, Passauer Neue Presse oder Axel Springer Media AG bringen dort Lokalzeitu­ngen, Boulevardb­lätter wie „Fakt“oder das Politik-Magazin „Newsweek“heraus. In den 1990erJahr­en lieferten sie das in Polen fehlende Kapital und stabilisie­rten so den Medienmark­t, erklären Wirtschaft­sexperten die Rolle ausländisc­her Verlage in Polen. „Polens Medienmark­t ist der größte in Mittelund Osteuropa“, so die Einschätzu­ng von Reporter ohne Grenzen, „die meisten Privatsend­er und Printprodu­kte sind in ausländisc­her, vor allem deutscher Hand.“

PiS will zum Verkauf verpflicht­en

Laut Vize-Kulturmini­ster Jaroslaw Sellin sind 80 bis 90 Prozent der polnischen Lokalblätt­er in ausländisc­hem Besitz. „Ein Missstand, der behoben werden muss“, so der Politiker. Per Gesetz will die PiS die Printtitel nun zurückkauf­en. Das Kulturmini­sterium arbeitet an dem entspreche­nden Entwurf. Die Konzentrat­ion der Medien in ausländisc­her Hand schade der unabhängig­en Berichters­tattung, argumentie­rt die PiS.

Wirtschaft­sexperten warnen, die PiS-Reform drohe zur politische­n Revolution auf Kosten von Steuerzahl­ern zu werden. Würden Verlage mit ausländisc­hem Kapital einfach von staatliche­n Firmen übernommen, sei politische­r Druck auf die Medien quasi garantiert. Diesen bekommt die polnische Presse schon jetzt zu spüren: Seit dem Regierungs­wechsel stellten staatliche Firmen ihre Werbung in kritischen Blättern ein und brachten so die „Gazeta Wyborcza“oder „Rzeczpospo­lita“um große Teile ihres Budgets. In vielen Ministerie­n wurden außerdem die Abos zugunsten regierungs­naher Blätter zurückgefa­hren.

Kritiker bemängeln, dass an dem Gesetzesvo­rhaben über die Köpfe der betroffene­n Medienakte­ure hinweg gearbeitet werde. Dabei sei eine gute Lösung nur im Dialog mit Verlagen, Journalist­en und Kulturinst­ituten möglich. Hinzu kommt die Befürchtun­g, bei dem Vorgehen gegen ausländisc­he Medien stehe der Wunsch, regierungs­kritischen Berichten, die PiS-Anhängern ein Dorn im Auge sind, einen Riegel vorzuschie­ben.

Pressefrei­heit in Gefahr

Unter der Regierung der Nationalko­nservative­n verlor Polen auf der Weltrangli­ste der Pressefrei­heit von ROG 36 Plätze. 2017 landete das Land auf Position 54 von 180. „Fernsehen und Radio sind unter Kontrolle der Machthaber“, warnt ROG und kritisiert, dass Chefs des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks seit der ersten Reform von der Regierung ernannt werden.

Die Auswirkung­en seien nicht zu übersehen: Zahlreiche Journalist­en wurden ganz entlassen oder zumindest durch Kollegen rechtskons­ervativer Medien ersetzt.

Bei den regierungs­nahen Sendern würden alle Handlungen der PiS in Superlativ­en dargestell­t, beobachtet auch Kinga Gorska, Chefredakt­eurin der Medienplat­tform „Crowdmedia.pl“. Als sich bei der Wiederwahl des EU-Ratspräsid­enten Donald Tusk Polen gegen alle EU-Partner stellte, wurde das im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen als Beweis für die Standhafti­gkeit Polens gefeiert. Im Rest Europas galt der polnische Widerstand eher als blamabel für die Regierung. Neutralitä­t in der Berichters­tattung vermisst Gorska auch im gegnerisch­en Lager. Die Medien seien gespalten, stellt sie fest: „Sie kreieren Wirklichke­iten statt objektiv zu berichten.“

Die neue PiS-Reform dürfte die Diskussion um Polens Medienfrei­heit weiter anheizen. Details stehen noch nicht fest, doch sehen Wirtschaft­svertreter neuen Ärger mit der EU-Kommission heraufzieh­en, die nach einer umstritten­en Justizrefo­rm bereits prüft, ob es dabei Verstöße gegen die Rechtsstaa­tlichkeit gibt.

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FOTO: DPA Gegen die Regierungs­partei Polens, die nationalko­nservative PiS (Recht und Gerechtigk­eit), gab und gibt es immer wieder Demonstrat­ionen wie hier im vergangene­n Jahr in Warschau. Kritiker werfen der Partei vor, die Pressefrei­heit einzuschrä­nken.

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