Schwäbische Zeitung (Wangen)

Letzter Einkauf bei den Otts

Die über 100-jährige Geschichte des Kaufhauses Ott in Wolfegg geht zu Ende

- Von Katrin Neef

WOLFEGG - Waschmitte­l, Katzenfutt­er, Bio-Gemüse und ein Schwatz zwischen Kühlregal und Käsetheke: Das Kaufhaus Ott war nicht nur Nahversorg­er, sondern auch beliebter Treffpunkt in Wolfegg. Drei Generation­en haben den Laden betrieben. Jetzt schließen sich die Türen – und die Stammkunde­n nehmen Abschied. Nicht nur vom Kaufhaus, sondern auch von einem Stück Kaufmannsk­ultur.

„Wo soll ich jetzt einkaufen?“Diese Frage haben Maria und Franz Ott in den vergangene­n Wochen oft gehört. Rentner, Schüler, junge Mütter, Geschäftsl­eute – alle sind traurig, dass die Eheleute das Kaufhaus, das sie seit 41 Jahren betreiben, aufgeben. Ob Wocheneink­auf, was Süßes für Zwischendu­rch oder das vergessene Ketchup für den Grillabend: Für die Wolfegger waren diese Dinge fußläufig in der Ortsmitte verfügbar. Nun gähnen in den Regalen große Lücken. Ende Juli ist nochmal drei Tage geöffnet, dann wird ausgeräumt.

Sie haben Weinempfeh­lungen ausgesproc­hen, Kochrezept­e erörtert und mit Geschenkid­een ausgeholfe­n: Um ihre Wolfegger gut zu versorgen, waren Maria und Franz Ott fast rund um die Uhr auf den Beinen. „Der Kunde soll möglichst alles bekommen“, war die Devise, und so wählten die beiden alle Produkte selbst aus, bezogen die Lebensmitt­el von acht verschiede­nen Lieferante­n und fuhren an manchen Sonntagen noch auf Messen, um neue Geschenkar­tikel zu begutachte­n. Auch die Kreationen aus Maria Otts Blumenabte­ilung waren oft am Wochenende gefragt. Da blieb nicht viel Zeit fürs Private. Nur eine Woche Urlaub gönnte sich das Ehepaar pro Jahr. So scheint es nicht übertriebe­n, wenn die beiden in ihrem Abschiedsb­rief an die Kunden schreiben: „Wir glauben, schon so viel gearbeitet zu haben, dass wir den Ruhestand verdienen.“

Werbung löst Beratung ab

Diesen will ihnen sicher niemand streitig machen. Und doch fragen sich viele: Was kommt danach? Klassische Kaufleute sind rar geworden, kaum einer würde sich heute noch so mit Leib und Seele dem Geschäft widmen wie die Otts das getan haben. „Früher wusste ein Kaufmann, wo man die besten Waren bekommt und wie man sie an die Kunden weiterempf­iehlt“, sagt Franz Ott. „Der Wert der Dinge stand im Mittelpunk­t, und die Beratung. Das hat sich verändert, heute muss man eher Manager sein, es geht um Werbung, Umsatz und Preise.“

Auch er selbst hat diesen Wandel zu spüren bekommen: Obwohl Rewe sein Hauptliefe­rant war, wollte der Lebensmitt­elgroßhänd­ler vor einem Jahr die Warenliefe­rungen nach Wolfegg einstellen, weil das Kaufhaus zu klein war, berichtet Franz Ott. Nur weil er schon so lange dort Kunde war, habe Rewe das letzte Jahr dann doch noch geliefert.

Lippmann wollte übernehmen

Und doch hätte es eine Chance gegeben, dass der Laden bestehen bleibt, erzählen Maria und Franz Ott: Robert Lippmann, der Einkaufsmä­rkte in Bergatreut­e und Bad Waldsee betreibt, habe sich für den Wolfegger Standort interessie­rt. Da er an die Edeka-Gruppe angeschlos­sen ist, hätte er sein Warensorti­ment über diese Schiene bestücken können. Für Lippmann sei der Dorfladen aber nur dann wirtschaft­lich interessan­t gewesen, wenn kein weiterer Markt in den Ort gekommen wäre. Im Gemeindera­t war jedoch seit gut zwei Jahren die Ansiedlung eines Supermarkt­es Thema, seit Kurzem steht fest, dass der Discounter Netto im Frühjahr 2018 eine Filiale am Ortsrand eröffnen will.

So ganz wollen die Otts die Hoffnung trotzdem nicht aufgeben. „Wir wollen den Raum vermieten“, sagen sie, „vielleicht hat jemand Lust, mit einer ausgefalle­nen Idee oder ausgewählt­en Waren wie zum Beispiel BioProdukt­en eine Nische zu besetzen.“

Doch jetzt heißt es erstmal Abschied nehmen. Am Freitagabe­nd haben sich viele Wolfegger vor dem Kaufhaus versammelt, um Maria und Franz Ott ein letztes Dankeschön zu sagen. Während des „Gartenzaub­ers“von 21. bis 23. Juli im Hofgarten öffnet der Laden nochmal drei Tage zum Ausverkauf. Und dann kann das Ehepaar nach langer Zeit auch mal wieder länger als eine Woche Urlaub machen. Das Enkelkind wird sich darüber freuen. Und den zwei Chören, die er leitet, hat Franz Ott bereits eine Verdichtun­g der Probenterm­ine angedroht – denn so ganz ohne etwas zum „Schaffa“kann ein Kaufmann auch im Ruhestand nicht sein.

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FOTO: KATRIN NEEF Hier sitzt der Chef persönlich an der (nicht digitalen) Kasse: Auch an den letzten Öffnungsta­gen herrscht im Kaufhaus Ott reger Betrieb.
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FOTO: ALEXIS ALBRECHT Bis zum letzten Öffnungsta­g haben Maria und Franz Ott das Sortiment im Blick.

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