Letzter Einkauf bei den Otts
Die über 100-jährige Geschichte des Kaufhauses Ott in Wolfegg geht zu Ende
WOLFEGG - Waschmittel, Katzenfutter, Bio-Gemüse und ein Schwatz zwischen Kühlregal und Käsetheke: Das Kaufhaus Ott war nicht nur Nahversorger, sondern auch beliebter Treffpunkt in Wolfegg. Drei Generationen haben den Laden betrieben. Jetzt schließen sich die Türen – und die Stammkunden nehmen Abschied. Nicht nur vom Kaufhaus, sondern auch von einem Stück Kaufmannskultur.
„Wo soll ich jetzt einkaufen?“Diese Frage haben Maria und Franz Ott in den vergangenen Wochen oft gehört. Rentner, Schüler, junge Mütter, Geschäftsleute – alle sind traurig, dass die Eheleute das Kaufhaus, das sie seit 41 Jahren betreiben, aufgeben. Ob Wocheneinkauf, was Süßes für Zwischendurch oder das vergessene Ketchup für den Grillabend: Für die Wolfegger waren diese Dinge fußläufig in der Ortsmitte verfügbar. Nun gähnen in den Regalen große Lücken. Ende Juli ist nochmal drei Tage geöffnet, dann wird ausgeräumt.
Sie haben Weinempfehlungen ausgesprochen, Kochrezepte erörtert und mit Geschenkideen ausgeholfen: Um ihre Wolfegger gut zu versorgen, waren Maria und Franz Ott fast rund um die Uhr auf den Beinen. „Der Kunde soll möglichst alles bekommen“, war die Devise, und so wählten die beiden alle Produkte selbst aus, bezogen die Lebensmittel von acht verschiedenen Lieferanten und fuhren an manchen Sonntagen noch auf Messen, um neue Geschenkartikel zu begutachten. Auch die Kreationen aus Maria Otts Blumenabteilung waren oft am Wochenende gefragt. Da blieb nicht viel Zeit fürs Private. Nur eine Woche Urlaub gönnte sich das Ehepaar pro Jahr. So scheint es nicht übertrieben, wenn die beiden in ihrem Abschiedsbrief an die Kunden schreiben: „Wir glauben, schon so viel gearbeitet zu haben, dass wir den Ruhestand verdienen.“
Werbung löst Beratung ab
Diesen will ihnen sicher niemand streitig machen. Und doch fragen sich viele: Was kommt danach? Klassische Kaufleute sind rar geworden, kaum einer würde sich heute noch so mit Leib und Seele dem Geschäft widmen wie die Otts das getan haben. „Früher wusste ein Kaufmann, wo man die besten Waren bekommt und wie man sie an die Kunden weiterempfiehlt“, sagt Franz Ott. „Der Wert der Dinge stand im Mittelpunkt, und die Beratung. Das hat sich verändert, heute muss man eher Manager sein, es geht um Werbung, Umsatz und Preise.“
Auch er selbst hat diesen Wandel zu spüren bekommen: Obwohl Rewe sein Hauptlieferant war, wollte der Lebensmittelgroßhändler vor einem Jahr die Warenlieferungen nach Wolfegg einstellen, weil das Kaufhaus zu klein war, berichtet Franz Ott. Nur weil er schon so lange dort Kunde war, habe Rewe das letzte Jahr dann doch noch geliefert.
Lippmann wollte übernehmen
Und doch hätte es eine Chance gegeben, dass der Laden bestehen bleibt, erzählen Maria und Franz Ott: Robert Lippmann, der Einkaufsmärkte in Bergatreute und Bad Waldsee betreibt, habe sich für den Wolfegger Standort interessiert. Da er an die Edeka-Gruppe angeschlossen ist, hätte er sein Warensortiment über diese Schiene bestücken können. Für Lippmann sei der Dorfladen aber nur dann wirtschaftlich interessant gewesen, wenn kein weiterer Markt in den Ort gekommen wäre. Im Gemeinderat war jedoch seit gut zwei Jahren die Ansiedlung eines Supermarktes Thema, seit Kurzem steht fest, dass der Discounter Netto im Frühjahr 2018 eine Filiale am Ortsrand eröffnen will.
So ganz wollen die Otts die Hoffnung trotzdem nicht aufgeben. „Wir wollen den Raum vermieten“, sagen sie, „vielleicht hat jemand Lust, mit einer ausgefallenen Idee oder ausgewählten Waren wie zum Beispiel BioProdukten eine Nische zu besetzen.“
Doch jetzt heißt es erstmal Abschied nehmen. Am Freitagabend haben sich viele Wolfegger vor dem Kaufhaus versammelt, um Maria und Franz Ott ein letztes Dankeschön zu sagen. Während des „Gartenzaubers“von 21. bis 23. Juli im Hofgarten öffnet der Laden nochmal drei Tage zum Ausverkauf. Und dann kann das Ehepaar nach langer Zeit auch mal wieder länger als eine Woche Urlaub machen. Das Enkelkind wird sich darüber freuen. Und den zwei Chören, die er leitet, hat Franz Ott bereits eine Verdichtung der Probentermine angedroht – denn so ganz ohne etwas zum „Schaffa“kann ein Kaufmann auch im Ruhestand nicht sein.