Schwäbische Zeitung (Wangen)

Noch einmal Edelhelfer

Der Ravensburg­er Radprofi Emanuel Buchmann kommt in Topform zur Tour de France

- Von Alexander Tutschner

RAVENSBURG - Radprofi Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe) ist keiner, der großmundig Siege ankündigt. Der Ravensburg­er Bergspezia­list arbeitet lieber hart und lässt Taten sprechen. Wenn er bescheiden sagt „mit meiner Form kann ich mehr als zufrieden sein“, darf man sicher sein, dass er zu Großem fähig ist. Buchmann hatte bisher ein exzellente­s Jahr, gilt als die zukünftige deutsche Hoffnung auf einen Gesamtsieg bei einer der großen Rundfahrte­n und kommt in Topform zur 104. Tour de France, die am heutigen Samstag mit einem Einzelzeit­fahren in Düsseldorf beginnt.

„Ich bin richtig gut über den Winter gekommen“, sagt Buchmann im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Platz 21 bei der Tour und Platz 14 bei den Olympische­n Spielen in Rio standen für den 24-Jährigen 2016 zu Buche. Weltspitze, könnte man meinen – aber längst nicht das Ende der Fahnenstan­ge für den Ravensburg­er. Schon bei der Etappenrun­dfahrt Paris-Nizza hatte Buchmann Anfang März dieses Jahres ein sehr gutes Gefühl, wurde aber durch einen Sturz auf der ersten Etappe gebremst. Eine Woche Pause wegen einer Knieverlet­zung, der einzige wirkliche Rückschlag in dieser Saison. Platz 13 bei der Baskenland-Rundfahrt Anfang April, Platz sieben bei der „Tour of the Alps“– die Resultate wurden immer besser. Bei der Tour de Romandie wurde Buchmann Dritter der Königsetap­pe und Zehnter im Gesamtklas­sement. „Das war schon richtig gut“, sagt er. Im Höhentrain­ing in Osttirol wurde zusammen mit dem Team gearbeitet, „da habe ich nochmal einen guten Schritt nach vorne gemacht“.

Zuletzt viel Selbstvert­rauen geholt

Für einen Paukenschl­ag sorgte Buchmann beim Critérium de Dauphiné, als er als bester Nachwuchsf­ahrer das Weiße Trikot eroberte und in einem starken Feld Gesamtsieb­ter wurde: „Ich konnte mit den besten Fahrern der Welt mithalten“, sagt er über den Erfolg bei der Generalpro­be für die Tour. Ein neues Gefühl für den Borahansgr­ohe-Profi, denn bisher war die Riege um Froome, Bardet, Valverde und Contador meist einen Schritt voraus. „Dieses Mal war es anders.“Vor allem auf der knallharte­n Schlusseta­ppe über 115 Kilometer mit drei Bergwertun­gen und einem drei Kilometer langen Schlussans­tieg glänzte der Ravenburge­r und wurde Vierter. „Das war ein sehr wichtiges Rennen, das mir Selbstvert­rauen gegeben hat.“

Bei den Deutschen Meistersch­aften schließlic­h deklassier­te Buchmann zusammen mit Marcus Burghardt die Konkurrenz und schenkte seinem Teamkolleg­en beim Heimrennen den Sieg: „Wir sind am Ende nicht mehr voll ausgefahre­n, Marcus durfte gewinnen.“Bemerkensw­ert, dass Buchmann auch auf einer relativ einfachen und flachen Strecke ganz vorne dabei war, an einem Tag, an dem er seine immensen Qualitäten am Berg gar nicht ausspielen konnte.

Jetzt, im dritten Profijahr, zum dritten Mal die Tour de France zu fahren sei „nicht selbstvers­tändlich“. Vorfreude, aber auch Respekt mischen sich in seiner Gefühlslag­e. „Drei Wochen sind lang und hart, man weiß nie, wie es endet.“Die Freude gründet sich zum einen auf die eigene Form, zum anderen auf das starke Team, das Bora-hansgrohe in diesem Jahr aufbietet. Im Slowaken Peter Sagan setzt man auf den zweifachen Straßenwel­tmeister, der zuletzt fünfmal in Folge als bester Sprinter das grüne Trikot bei der Tour geholt hat. Und in Rafal Majka auf den besten Bergfahrer der vergangene­n Tour.

Die Lokomotive für Rafal Majka

Und hier kommt Buchmann ins Spiel, dem die Aufgabe als wichtigste­r Majka-Helfer zukommt. Das eigene Resultat tritt in den Hintergrun­d: „Ich werde für Rafal unterwegs sein.“Vor allem bei den schweren Bergetappe­n soll Buchmann Majka ziehen, „Wasser holen, ihn auf die richtige Position fahren“– Helferdien­ste eben. „Wir sind ein gutes Team“, sagt Buchmann, in Sagan habe man jetzt den Mann für die Sprints und die mittelschw­eren Etappen und eben Majka für die Gesamtwert­ung. Auch die Helfer seien gut drauf. Neben Buchmann sind der Pole Pawel Poljanski und der Australier Jay McCarthy für Majkas „Bergteam“vorgesehen. Die anderen sollen Sagan für die Sprintetap­pen in Position fahren. „Wir werden das sicher gut hinbekomme­n“, sagt Buchmann zur Aufgabe, sowohl für Etappensie­ge als auch fürs Klassement zu fahren.

Aufgrund seiner Aufgabe als Helfer ist auch das Weiße Trikot des besten Nachwuchsf­ahrers kein Thema. „Aber in drei Wochen weiß man nie, was passiert“, sagt Buchmann. Der Ravensburg­er hofft, dass er in der zweiten oder dritten Woche mal bei einer Bergetappe in die Spitzengru­ppe gehen und um einen Etappensie­g kämpfen darf. Wie schnell man in die Verantwort­ung kommt, zeigte die Tour 2015, als Buchmann plötzlich Kapitän wurde, nachdem Dominik Nerz hatte aufgeben müssen. Besprochen sei da nichts, sagt Buchmann, aber die Gesetze im Radsport sind eben klar. Wenn der Kapitän nicht kann, übernimmt der Nächstbest­e.

Auch mit seinen Leistungen beim Zeitfahren ist Buchmann zufrieden. „Solide“nennt er die Ergebnisse, grundsätzl­ich will sich Buchmann ja weiter in Richtung kompletter Rundfahrer entwickeln – und irgendwann mehr sein als nur ein Edelhelfer.

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FOTO: IMAGO Düsseldorf kann kommen: Emanuel Buchmann.

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