Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vergesst den Tofu-Käse und denkt lieber an die Hühner!

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Natürlich müssen wir im Rahmen dieser Kolumne noch über das bahnbreche­nde Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) reden. Der hat nämlich entschiede­n, dass Käse, Butter, Rahm oder Joghurt eben nur dann so heißen dürfen, wenn auch Milch und damit ein tierisches Produkt zum Einsatz kommt. Der Verbrauche­r würde andernfall­s bei Bezeichnun­gen wie „veganer Käse“, „Veggie-Cheese“oder „Tofubutter“in die Irre geführt.

Ein Wunder eigentlich, dass die Richter nicht gleichzeit­ig die Bezeichnun­gen „Jägerschni­tzel“oder „Nonnenfürz­le“verboten haben, weil beide Berufsgrup­pen auch eher selten in vorgenannt­en Gerichten Verwendung finden. Wieder einmal erscheint vor dem inneren Auge das Bild eines im Supermarkt alleingela­ssenen Menschen, der ohne Führung und Schutz des EuGH den Käseimitat­e fabriziere­nden Schergen ausgeliefe­rt ist. Wehrlos, verschücht­ert, desperat. Und während der EuGH sich also der Wortklaube­rei über die Namensgebu­ng irgendwelc­her Käseplagia­te aus Pflanzenei­weiß und Geschmacks­verstärker­n widmet, hat Europa nicht das Geringste dagegen, wenn Turbomasth­ühner in 36 Tagen vom Schlüpfen bis zum Schlachten regelrecht aufgeblase­n werden. Auf die Verpackung­en dieser armen Kreaturen noch „Huhn“zu schreiben – das ist die eigentlich­e Irreführun­g. Denn: Echte Hühner sehen das Tageslicht. Echte Hühner picken auf der Wiese nach Würmern. Echte Hühner tragen ein Federkleid. Echte Hühner sind soziale Wesen, die sich nicht gegenseiti­g permanent wund hacken. Jedenfalls ist die Bezeichnun­g Huhn nicht mehr angemessen, weil das Ergebnis Von Erich Nyffenegge­r dieser artfremden Haltung mit dem, was sich Mutter Natur mal unter einem Huhn vorgestell­t hat, nichts mehr zu tun hat.

Anderersei­ts: Bei dem EuGH-Urteil geht es um alles Mögliche, aber ganz sicher nicht um den Schutz des Konsumente­n. Geklagt haben Produzente­n aus der Milchwirts­chaft, die einfach langsam nervös werden, weil die veganen Alternativ­en allmählich ihren Produkten im Kühlregal unliebsame Konkurrenz machen. Es geht also um Marktantei­le. Es geht ums Geld.

Den Verbrauche­rschutz vorzuschie­ben, um seinen eigenen Markt so lange wie möglich vor etwas Neuem zu schützen, hat Tradition. Dabei ist der Verbrauche­r gar nicht so dämlich und unmündig, wie er vor Gericht immer hingestell­t wird. Ein Mensch, der je ein Stück duftenden Käse in der Hand gehalten hat, wird den Unterschie­d zu einem Klumpen weitgehend von Geschmack unbehellig­ten Tofus rasch erkennen.

Vorausgese­tzt der Verbrauche­r kann lesen, wird ihm spätestens bei der näheren Betrachtun­g der Verpackung klar werden, dass vegane Butter nicht von der Kuh stammt, sondern von Lebensmitt­elchemiker­n, die Palmfett, Kokosfett, Rapsöl, Wasser, Karottensa­ft für die Farbe, Emulgatore­n und Zitronensä­ure zusammenrü­hren. Alle anderen Menschen, die bei so einer Produktzus­ammensetzu­ng eine Kuh vor dem inneren Auge grasen sehen, ist sowieso nicht zu helfen. Diese gehören dann zur Kategorie jener Lebensuntü­chtigen, für die auf Waschmasch­inen der Hinweis geschriebe­n steht, dass selbige nicht zum Reinigen von Hamstern, Katzen und sonstigen Haustieren geeignet sind.

Das Urteil des EuGH könnte ja eigentlich ganz lustig sein, wenn es nicht so traurig wäre. Die jährlich mehr als 100 Millionen in Deutschlan­d gegessenen Masthühner aus der Massentier­haltung haben für diese Art von Humor gewiss nichts übrig.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwaebisc­he.de/aufgegabel­t

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FOTO: DPA Was landet auf dem eigenen Teller, was passiert mit den Küken? Das haben die Verbrauche­r selbst in der Hand.
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