Himmlischer Götterbote vom Bodensee
Meilenstein: ZLT Zeppelin Luftschifftechnik verkauft 2011 drei Zeppeline in die USA – Das Geschäft bringt mehr als 43 Millionen Euro
FRIEDRICHSHAFEN - Es ist der größte Auftrag in der Unternehmensgeschichte und ein historischer Moment für den Luftschiffbau am Bodensee: Der US-Konzern Goodyear hat 2011 drei Zeppeline NT made in Friedrichshafen gekauft. Das Geschäft bringt der ZLT Zeppelin Luftschifftechnik mehr als 43 Millionen Euro. Die Erfüllung des Auftrages läuft nach Plan: Zwei Luftschiffe fliegen schon in den USA, das dritte steht in seiner Struktur und soll im Mai 2018 übergeben werden.
„Von einem VW-Käfer zu einem Audi A6“: Laut Thomas Brandt, der sich erst Ende Juni als ZLT-Chef verabschiedet hat, ist das in etwa der Schritt, den Goodyear mit dem Wechsel vom Blimp zum Zeppelin getan hat. Denn der US-amerikanische Reifenhersteller ist alles andere als ein Anfänger, wenn es um Luftschiffe geht (siehe Text unten). In der Vergangenheit setzte das Unternehmen jedoch auf Prallluftschiffe, sogenannte Blimps, die kein inneres Gerüst haben. Das Plus: „Sie können das Gas rauslassen, die Hülle zusammenlegen und mitnehmen“, erklärte Thomas Brandt in seiner 13-jährigen Amtszeit wiederholt.
Leichter, stabiler, flexibler
Graf Ferdinand von Zeppelin hatte Starrluftschiffe gebaut, deren Innenstruktur durch das Innengerüst aufrechterhalten wurde. Der Zeppelin NT schließlich ist ein halbstarres Luftschiff und damit eine Mischung. Seine äußere Kontur bleibt durch den Eigendruck des Gases und eine Innenstruktur aus Trägern und Streben in Form. Diese Konstruktion erlaubt es unter anderem, die Triebwerke dort anzubringen, wo sie am besten wirken können. Der Vorteil: Der Zeppelin NT ist leichter als sein Vorfahre, fliegt stabiler als ein Prallluftschiff und ist flexibler. Der ehemalige ZLT-Chef: „Der schwenkbare Propeller ermöglicht beispielsweise ein Flugverhalten ähnlich dem eines Hubschraubers.“
Trotz klarem technischem Vorsprung kostete es Thomas Brandt und sein Team um den stellvertretenden Geschäftsführer Michael Schieschke und den technischen Leiter Robert Gritzbach einige Jahre, eine Menge Überzeugungsarbeit, mehrere Flüge in die USA und einige Nerven, um mit Goodyear ins Geschäft zu kommen. Zwar neigte sich die Lebenszeit der drei Blimps des Reifenherstellers, die weltweit bei Großereignissen wie Superbowl, Olympische Spiele oder FußballWeltmeisterschaften als Werbe- und TV-Kamera-Träger im Einsatz waren, langsam dem Ende zu. Doch lautete die Frage: Sollte man neue Blimps bauen oder den nächsten Entwicklungsschritt gehen?
„Innovate or die“, zu Deutsch „erneuern oder zugrunde gehen“, hieß es schließlich für Nancy Jandrokovic. Die Direktorin, die bei Goodyear für den weltweiten Luftschiffeinsatz zuständig war, entschied sich für die Innovation und kam 2007 auf die Friedrichshafener Luftschiffbauer zu. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Thomas Brandt, gerade als Geschäftsführer eingesetzt, in Amerika vorgesprochen. Mit mäßigem Erfolg: Er sei freundlich, aber eindeutig verabschiedet worden. Glücklicherweise war das kein Abschied für immer. Bis es jedoch nach dem Wiedersehen so weit war, dass die Verträge abgeschlossen wurden, musste der ZLTChef erneut Geduld aufbringen.
Nicht nur, dass die weltweite Wirtschaftskrise, in der der Automobilzulieferer Goodyear andere Probleme hatte, die Verhandlungen lahm legte. Zwei Jahre überlegten die Amerikaner, ob es überhaupt ein Zeppelin NT sein soll. Am Ende ließen sich offenbar die drei GoodyearExperten überzeugen, die an den Bodensee gereist waren. „Sie blieben sechs Wochen, absolvierten Probeflüge, begutachteten die Technik, überprüften den Zeppelin NT auf Herz und Nieren“, erzählte Thomas Brandt. Dass sie und ihr Konzern zu einem positiven Ergebnis gelangten, führte er vor allem auf eins zurück: „Wir sind wer – durch den Namen Zeppelin und dem, was dahinter steckt. Da ist eine Stiftung, die für Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und Seriosität steht.“
„Bewegend und erhebend“
Etwas mehr als drei Jahre nachdem das Geschäft zustandegekommen war, wurde im August 2014 der erste der drei Zeppeline in Akron/Ohio, Stammsitz von Goodyear, auf den Namen „Wingfoot 1“getauft. Der geflügelte Fuß symbolisiert den Götterboten Hermes und ist das Markenzeichen des Reifenherstellers. Mit dabei: Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand, für den der Moment „bewegend und erhebend“war, und Thomas Brandt, der damals sogar zugab: „Ich hatte wirklich Tränen in den Augen.“
Im Oktober 2016 folgte die Taufe des zweiten Luftschiffes auf den Namen „Wingfoot 2“, 2018 ist „Wingfoot 3“an der Reihe. Einsatzorte für die Zeppeline sind Akron, Miami/ Florida und Los Angeles/Kalifornien. Generell sei Goodyear sehr zufrieden mit den neuen Möglichkeiten des Produkts, berichtete Thomas Brandt jüngst. Auch wenn gerade diese Möglichkeiten erst erlernt werden müssten: „Natürlich haben wir unsere Themen, aber es klappt von Quartal zu Quartal besser.“