„Langsam, leise, ausdauernd: Der Zeppelin ist unschlagbar gut“
Die ZLT-Chefs Thomas Brandt und Eckhard Breuer über 20 Jahre Erstflug und die ungebrochene Faszination für das Luftschiff
FRIEDRICHSHAFEN - Kritiker sprachen von einem fliegenden Schildbürgerstreich, als der Zeppelin Neuer Technologie (NT) am 18. September 1997 zum Erstflug aufgestiegen ist. 20 Jahre später fliegt das Luftschiff immer noch, bereitete inzwischen nahezu 240 000 Passagieren ein himmlisches Vergnügen und war mehrfach im Auftrag der Wissenschaft unterwegs. Ein Wegbereiter des Erfolgs ist Thomas Brandt, der sich Ende Juni nach 13 Jahren als Chef der Zeppelin Luftschifftechnik (ZLT) verabschiedet hat. Er und sein Nachfolger Eckhard Breuer unterhielten sich im Doppel-Interview mit Tanja Poimer darüber, was sie den Vätern und den Gegnern des Zeppelins NT zu sagen haben, wie viel ein Luftschiff heute kostet und warum es eine Einzelanfertigung wie in einer Manufaktur bleibt.
20 Jahre Jungfernflug Zeppelin NT – wann und wo haben Sie von dem Spektakel in Friedrichshafen am Bodensee erfahren?
Thomas Brandt: Ich muss zugeben, dass ich davon erst so richtig gehört habe, als ich 2004 von einem Personalvermittler angesprochen wurde, ob ich mir vorstellen könnte, die Zeppelin Luftschifftechnik zu übernehmen. Da war das Luftschiff erst zwei Jahre im gewerblichen Betrieb, und es war für mich überraschend, welche Historie dahintersteckt.
Eckhard Breuer: Ich habe den Zeppelin erstmals 2007 als Besucher der Luftfahrtmesse Aero bewusst wahrgenommen. Damals saß man draußen am Hangar noch vor weißen Zelten auf Bierbänken. Richtig klick hat es bei mir auf der Aero 2015 gemacht, auf der ich als Aussteller für meine bisherige Firma Bombardier war. Ich fand es absolut faszinierend, von der Terrasse des Hangar-Restaurants die Start- und Landemanöver zu beobachten. Als ich dann im Herbst 2016 angesprochen wurde, ob ich mich auf die Position des ZLT-Geschäftsführers bewerben wolle, musste ich nicht lange überlegen und freue mich jetzt sehr, dass wir zusammengekommen sind.
Was entgegnen Sie heute den Kritikern von damals?
Brandt: Ich entgegne, dass der Zeppelin, der schon immer eine Ikone war und auch heute ist, einen sehr, sehr großen Wert für die gesamte Region hat. Wir haben insgesamt um die 240 000 Fluggäste glücklich gemacht, allein 21 000 im vergangenen Jahr, und sind zudem auf Sondermissionen im Einsatz, leisten also einen wertvollen wissenschaftlichen Beitrag. Kurzum: Der Unternehmenssinn ist durchaus gegeben.
Breuer: Der Zeppelin ist ein Luftfahrzeug, das ganz spezielle Eigenschaften hat und in einem ganz speziellen Anwendungsbereich unschlagbar gut ist. Er kann sehr tief und gleichzeitig langsam fliegen und ist dabei sehr, sehr leise, sparsam und ausdauernd. Und es gibt spezielle Missionen, da sind genau diese Fähigkeiten gefordert. Zum Beispiel überall dort, wo es aus geringer Höhe etwas aus der Luft ausdauernd zu beobachten gibt. Das hat das Unternehmen in der Vergangenheit bei der Diamantensuche in Afrika von 2005 bis 2007, bei wissenschaftlichen Missionen 2016 über der Ostsee für die Helmholtz-Gesellschaft, aber natürlich auch bei touristischen Flügen über dem Bodensee erfolgreich demonstriert. Diese Qualitäten müssen wir noch besser herausarbeiten und ganz gezielt solche Kunden ansprechen, bei denen es auf diese Eigenschaften ankommt.
Und was sagen Sie den Vätern des Zeppelins NT, die das Luftschiff wiederauferstehen ließen?
Breuer: Es gehört eine gehörige Portion Mut dazu, ein Luftfahrzeug auf einem weißen Blatt Papier neu zu konstruieren. Das ist immer ein großes Wagnis und gilt für ein Luftschiff genauso wie für ein Verkehrsflugzeug. Und immer wenn man ein solches Wagnis eingeht, wird man auch mit unerwarteten Schwierigkeiten konfrontiert. Die Väter des Zeppelins NT, die Ingenieure und Techniker können wirklich stolz auf das sein, was sie vollbracht haben. Darauf, dass sie es geschafft haben, dieses Luftfahrzeug zu entwickeln, das auf der originalen technischen Idee des Grafen Zeppelin beruht, also mit einem Auftriebsgas leichter als Luft fliegt, versehen mit moderner Technologie in der Steuerung, in der Avionik und auch in der Struktur. Der Zeppelin NT ist das einzige Luftschiff weltweit, das für den kommerziellen Flugbetrieb zugelassen ist.
Brandt: Hervorzuheben ist die technische Grundkonzeption eines halbstarren Luftschiffes mit flexiblem Antrieb, der es erlaubt, fast wie ein Hubschrauber zu fliegen, und auf den Meter genau zu steuern. Der Zeppelin NT war damals ein großer Wurf, sonst wäre das Produkt heute nicht mehr am Leben. Ich gratuliere den Vätern des Luftschiffes zu ihrem unternehmerischen Durchhaltevermögen, dass sie bei allen Problemen einen langen Atem bewiesen haben und immer an den Erfolg geglaubt haben. Heute ist es so, dass sich die alten Prallluftschiffe nach und nach vom Markt verabschieden, weil sie mit ihren eingeschränkten Flugfähigkeiten keine Anwendung mehr finden, und der Zeppelin fast schon eine Monopolstellung einnimmt. Thomas Brandt
Wie unterscheidet sich der neueste Zeppelin NT vom Prototypen, Herr Brandt?
Brandt: Das neue Luftschiff, wir nennen es die Version 101, ist eine optimierte Version der Version 100 von damals. Unterschiede sind zum Beispiel, dass der neue Zeppelin 14 Sitze anstatt zwölf, eine bessere Tragfähigkeit oder eine modernere Avionik besitzt. Das Luftschiff ist multifunktional und sehr flexibel auf verschiedenen Anwendungsgebieten einsetzbar.
Herr Breuer, wie sieht’s aus: Sind Sie schon Zeppelin geflogen?
Breuer: Ich hatte sogar schon die Gelegenheit, den Zeppelin unter Fluglehreraufsicht selbst zu steuern. Es ist faszinierend, die Landschaft aus den großen Panoramafenstern zu beobachten, aus denen man einen 360-Grad-Rundumblick hat. Ein Flug mit dem Zeppelin ist wirklich einmalig und unvergleichlich.
Der Zeppelin beeindruckt Sie ganz offensichtlich. Und wie steht es mit unserer herrlichen Region?
Breuer: Meine erste Reise in die Region liegt 37 Jahre zurück. Wir waren auf Klassenfahrt in Konstanz und haben die Klassiker besucht, wie die Pfahlbauten in Unteruhldingen oder den Säntis. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich viele Jahre später Geschäftsführer in einem Luftfahrtunternehmen am Bodensee werden könnte, hätte ich gefragt, wo ich unterschreiben muss.
Herr Brandt, kurz zurück zur Geschichte: Wie viele Luftschiffe sind in den vergangenen 20 Jahren gebaut worden ?
Brandt: Wir bauen gerade den achten Zeppelin. Ein Detail: Ein Luftschiff, das in Japan im Einsatz war, wurde nach seiner Rückkehr an den Bodensee wieder aufgebaut, und wir zählen es als neues, weil es auch wirklich rundherum erneuert wurde. Zwei Zeppeline sind in Friedrichshafen im Einsatz, drei hat der US-amerikanische Reifenhersteller Goodyear gekauft, zwei fliegen bereits, das dritte bauen wir gerade. Den Prototypen gibt es nicht mehr, nachdem er 2007 bei der Diamantensuche für den Konzern De Beers in Botswana am Ankermast von einer Windhose irreparabel beschädigt worden war. Ein weiteres Luftschiff, das in Kalifornien unterwegs war, lagert außerdem bei ZLT in Containern und soll wieder aufgebaut werden und einen der beiden Zeppeline am Bodensee ersetzen, der in die Jahre gekommen ist und in ein, zwei Jahren ausgemustert werden muss.
Geht der Zeppelin NT mit Ihnen in Serie, Herr Breuer?
Breuer: Zeppeline waren nie Serienprodukte wie es Verkehrsflugzeuge sind, sondern Einzelfertigungen nach Auftragseingang. Ich denke, so wird es auch in Zukunft bleiben. Natürlich bemühen wir uns, im Anschluss an das Goodyear-Geschäft Neukunden zu finden. Ganz wichtig ist für uns, dass wir den Flugbetrieb in Friedrichshafen ausbauen und voranbringen. Wenn es bei der Deutschen Zeppelin-Reederei (DZR) gut läuft, ist das die beste Werbung fürs Produkt und das beste Marketing, um weitere Kunden im In- und Ausland gewinnen zu können.
Sie waren zuletzt beim Flugzeughersteller Bombardier für den Vertrieb von VIP- und Special-Mission-Flugzeugen zuständig, haben also Erfahrung mit dem Verkauf von exklusivem Fluggerät. Wie preisen Sie den Zeppelin NT an?
Breuer: Im Wesentlichen mit den Eigenschaften, die ich vorhin schon erwähnt habe, also die Möglichkeit, mit dem Zeppelin tief, langsam, leise, sparsam und ausdauernd zu fliegen.
Herr Brandt, Sie haben den Zeppelin wiederholt als Exoten bezeichnet. Ist das Luftschiff tatsächlich nur einzeln an den Millionär zu bringen?
Brandt: Der Zeppelin ist ein exotisches, aber auch einzigartiges Produkt. Dazu kommt, dass die Prallluftschiffe, von denen früher weltweit bis zu 50 vorwiegend für Werbeflüge genutzt wurden, aussterben. Auf diese Weise entsteht ein Markt, und wir sollten in Asien, konkret in China, oder anderen Regionen der Welt punktuell ein Luftschiff absetzen können. Es wird aber nie eine Serienfertigung geben, ZLT ist und bleibt eine Manufaktur. Eckhard Breuer
Mit wie vielen Millionen ist ein Käufer derzeit dabei?
Brandt: Je nach Ausstattung liegen wir beim Standard-Luftschiff bei 15 bis 16 Millionen Euro. Dazu kommt die Grundausstattung am Boden mit beispielsweise dem Mastwagen. Und der Kunde kann sich wie beim Auto aus der Box der Möglichkeiten aussuchen, was er möchte. So dass wir bei 18 Millionen Euro aufwärts sind. Das ist auf dem Luftfahrtmarkt für solch ein Gerät aber ein durchaus üblicher Preis.
Mit dem Zeppelin vom Band wird es also eher nichts. Wie kommt das Geld dann rein?
Brandt: Wir verdienen dank unserer Auftragslage Geld. Die Deutsche Zeppelin-Reederei schreibt schwarze Zahlen. Die ZLT tut sich schwerer, weil es Jahre gibt, in denen wir nicht produzieren. In den Jahren, in denen wir einen Zeppelin bauen, sieht’s positiv aus, ansonsten müssen die Strukturkosten von den Gesellschaftern getragen werden. Das Ziel muss sein, auch als Manufaktur etwa alle zwei Jahre ein Luftschiff zu verkaufen. Zusätzlich wollen wir mit Lifür zenz- und Serviceverträgen sowie Ersatzteilgeschäften für die notwendige nachhaltige Wirtschaftlichkeit sorgen. Denn ZLT und DZR haben umfangreiches Potenzial, wertvolles Wissen und Erfahrung aufgebaut.
Jetzt wird es Ernst, Herr Breuer! Ein kleiner Test: Fährt oder fliegt der Zeppelin NT?
Breuer: Für mich ist das mehr eine Frage der Philosophie als eine Frage der Physik. Die Ballonfahrer sagen, dass sie fahren, weil sie mit einem Traggas leichter als Luft unterwegs sind. Beim Zeppelin ist das grundsätzlich auch so, aber aus dem Traggas holen wir nur etwa 95 Prozent des erforderlichen Auftriebes. Die letzten fünf Prozent, die nötig sind, um das Luftschiff vom Boden in die Luft zu bringen, die holen wir uns durch den Antrieb und den aerodynamischen Auftrieb. Für mich sieht das Ganze eindeutig nach Fliegen aus. Deshalb sage ich auch, der Zeppelin fliegt.
Warum wollen Sie mitfliegen, was führt Sie zu den Luftschiffbauern nach Friedrichshafen?
Breuer: Eine Geschäftsführungsposition in einem so traditionsreichen, deutschen Unternehmen ist eine fantastische Gelegenheit, und ich freue mich sehr, dass ich von den Gesellschaftern ausgewählt worden bin. Was das Unternehmen mit nicht einmal 100 festangestellten Mitarbeitern leistet, ist wirklich einmalig. Es produziert den Zeppelin und betreibt ihn mit der Deutschen Zeppelin-Reederei. Wir sind auf der Kundenseite sehr breit aufgestellt, haben große Kunden aus der Industrie, wie zum Beispiel Goodyear, bedienen aber auch Kunden aus der Wissenschaft, wie das Helmholtz-Forschungszentrum, und wir verkaufen Tickets an den touristischen Passagier, der die Region besucht. Von der Vielseitigkeit her ist das kaum zu überbieten.
Was plant der neue Chef, in welcher Flughöhe soll es weitergehen?
Breuer: Eine ganze Menge. Zunächst geht es darum, mitten in der fliegerischen Hochsaison einen reibungslosen Übergang hinzubekommen, die Mitarbeiter, die Kunden, die Nachbarn kennenzulernen. Dann will ich den Schwung aus der ersten Hälfte der Flugsaison, die in Friedrichshafen richtig gut angelaufen ist, ins zweite Halbjahr mitnehmen. Es wird darum gehen, das Goodyear-Projekt sauber zu Ende zu bringen, das dritte Luftschiff ordentlich abzuliefern und den Kunden weiter zu unterstützen, um den Flugbetrieb in den USA sicherzustellen. Natürlich habe ich auch vor, mit dem Teams, die Ziele das nächste Jahr und die Folgejahre zu vereinbaren, aber das müssen wir erst noch besprechen.
Und Sie Herr Brandt, was haben Sie vor, nachdem Sie von Bord gegangen sind?
Brandt: Ich weiß es noch nicht. Ich habe vor drei Jahren entschieden, dass ich mich jetzt zurückziehe. Man soll den Stab übergeben, wenn es gut läuft und es Raum gibt für Veränderung und Weiterentwicklung. Ich verstehe mich mit meinem Nachfolger bestens, und wir werden die Übergabe Hand in Hand vollziehen. Herr Breuer hat die Geschäftsführung am 1. Juli übernommen. Ich werde ihm noch acht bis zwölf Wochen zur Seite, jedoch nicht im Weg stehen. Danach will ich natürlich weiterhin Projekte machen, aber auch ein Stück freier leben, wandern, Sport treiben und vieles mehr.
Wenn Sie auf Ihre 13 Jahre als ZLTChef zurückblicken, gab es einen Höhepunkt?
Brandt: Das über sechs Jahre hart erkämpfte Goodyear-Geschäft war eine wesentliche Säule für dieses Unternehmen. Denn es ging nicht nur um den Verkauf von drei Zeppelinen, der mehr als 43 Millionen Euro einbrachte, sondern schon fast um eine Partnerschaft. Dass zwei Unternehmen ihre Kräfte derart bündeln, ist und bleibt wesentlich für die Firma. Inhaltlich waren die Sondermissionen für die Klima- oder Wasserforschung Leckerbissen für mich, weil sie einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, was mir ein persönliches Anliegen ist. Nicht zu vergessen die tolle Zusammenarbeit mit dem Team, das mir fehlen wird.
Herr Breuer, vom Rück- zum Ausblick: Wie werden Sie 20 Jahre Erstflug feiern?
Breuer: Ich kenne selbstverständlich das Festprogramm, das die Mitarbeiter um Herrn Brandt am 8. und 9. Juli am Zeppelin-Hangar auf die Beine stellen. Ich werde auch da sein an dem Wochenende, denn das ist eine sehr schöne Gelegenheit, in einem informellen Rahmen Passagiere zu treffen und viele Freunde des Unternehmens kennenzulernen.
Zum Abschluss eine Frage an Sie beide: Herr Brandt, Herr Breuer, was macht die Faszination Zeppelin aus?
„Der Zeppelin NT war damals ein großer Wurf, sonst wäre das Produkt heute nicht mehr am Leben.“ „Zeppeline waren nie Serienprodukte wie es Verkehrsflugzeuge sind, sondern Einzelfertigungen nach Auftragseingang.“
Breuer: Ich gehöre zu den Menschen, die auch als beruflicher Vielflieger immer noch um einen Fensterplatz im Flugzeug bitten. Und es ist einfach faszinierend, im Zeppelin zu sitzen und in geringer Höhe bei geringer Geschwindigkeit, über der Landschaft zu schweben und einen völlig neuen Blick auf unsere Welt zu bekommen.
Brandt: Da will ich nur noch eins ergänzen. Es kann schon fast eine Lebenserfahrung sein, mit dem Zeppelin zu fliegen. Manche Passagiere erleben irgendetwas, das schwer in Worte zu fassen ist, indem sie auf die Welt hinunterblicken, auf Ortschaften, in denen sie leben oder zu Gast sind. Es ist ein sinnliches Erlebnis, das die Leute glücklich macht. Nicht umsonst steigt die überragende Mehrheit der Passagiere mit einem Lächeln aus dem Zeppelin aus.