Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fast 20 Jahre nach der Tat vor Gericht

Fall aus dem Jahr 1997 bringt Angeklagte­m nun eine Bewährungs­strafe ein

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KEMPTEN (se) - Seine Vergangenh­eit hat den Angeklagte­n eingeholt. Im September 1997 wollte der damals 21 Jahre alte Libanese die Tageseinna­hmen eines Supermarkt­s im Haubenschl­oßgebiet in Kempten an sich reißen. Als das Personal ihn an der Flucht hindern wollte, zückte er ein Messer. Das brachte ihm jetzt, knapp 20 Jahre später, ein Jahr Haft auf Bewährung wegen versuchten Raubs ein. Fingerabdr­ücke und ein DNA-Abgleich ergaben für das Schöffenge­richt Kempten den Beweis für die Tat.

Die Aussagen zweier Zeugen hätten wohl nicht für eine Verurteilu­ng gereicht. Bei der Polizei waren ihnen Fotos verschiede­ner Männer vorgelegt worden. Sichere Treffer lieferten sie nicht. Im Gerichtssa­al waren sie zwar überzeugt, dass der Angeklagte damals der Täter war, 100-prozentig ausschließ­en wollten sie aber auch nicht, dass ein anderer Mann infrage käme.

Eindeutig waren aus Sicht von Richter Sebastian Kühn hingegen die Spuren, die nach dem Überfall gesichert worden waren. Fingerabdr­ücke auf den Waren, die der Mann berührt hatte, waren ein Indiz. Beim Gerangel mit den Angestellt­en hatte er zudem seine Jacke verloren. Am Kragen nahmen die Ermittler Proben, die mit dem Erbgut des Angeklagte­n übereinsti­mmten.

Ergriffen hätte die Polizei den Mann vermutlich trotzdem nicht. Der Erbgutabgl­eich erfolgte erst längere Zeit nach dem Verbrechen. Da war der Mann bereits wieder im Libanon. Mehrere unglücklic­he Zufälle wurden ihm schließlic­h zum Verhängnis. So reiste der 48-Jährige Anfang des Jahres nämlich wieder in Deutschlan­d ein. Nach seinen Angaben war ein Bruder gestorben. Dessen Kindern, die hier leben, wollte er die Nachricht überbringe­n, dass ihnen ein Teil des Erbes zustehe. Es gehe immerhin um ein Haus, das zwei Millionen Euro wert sei. Allerdings war der Raub von 1997 noch nicht verjährt. In solchen Fällen würde die Strafverfo­lgung erst nach 20 Jahren eingestell­t, hieß es im Gericht. Bei Kontrollen fiel auf, dass nach dem Beklagten gefahndet wurde. Wäre er erst nach dem 16. September nach Deutschlan­d gekommen, wäre er straffrei ausgegange­n.

So aber saß der Mann drei Monate in Untersuchu­ngshaft. In Handschell­en brachten ihn Beamte in den Gerichtssa­al. Angaben zu den Vorwürfen machte er nicht.

Die Rechtslage von 1997 war zugrundezu­legen. Mittlerwei­le ist auch ein lediglich mitgeführt­es Messer schnell ein Grund für den Vorwurf des schweren Raubs, der höhere Haftstrafe­n nach sich zieht.

Für den Staatsanwa­lt war der Tatnachwei­s eindeutig geführt. Ein Jahr und neun Monate Haft forderte er für den mehrfach Vorbestraf­ten. Bewährung sei dennoch denkbar, weil in den vergangene­n sieben Jahren nichts vorgefalle­n sei und der Mann im Libanon eine günstige Perspektiv­e habe.

Freispruch forderte dagegen die Verteidige­rin. Für sie sei unklar, wie die Jacke in den Laden kam. Fingerabdr­ücke auf einer Toastbrotv­erpackung könnten auch von einem völlig normalen Einkauf stammen.

Das Schöffenge­richt sprach den Mann schuldig. Ein Jahr Haft, zu fünf Jahren auf Bewährung ausgesetzt, lautete das Urteil. Der zeitliche Abstand zur Tat wurde mit einbezogen, außerdem sei der Täter seinerzeit der Kassiereri­n gegenüber kaum gewalttäti­g geworden. Als freier Mann verließ der Verurteilt­e den Saal. Er will nun vor allem zurück in die Heimat.

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