Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ich besuche alle zwei bis drei Wochen einen Häftling“

TV-Kommissar Steffen Schroeder spricht beim Talk im Bock über seine Begegnunge­n mit einem Mörder

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LEUTKIRCH - Er ist bekannt als TVKommissa­r der „Soko Leipzig“und aus Kinofilmen wie „Keinohrhas­en“. Und heute Abend ist Steffen Schroeder um 19 Uhr zu Gast beim Talk im Bock im Bocksaal in Leutkirch. Sebastian Heilemann hat im Vorfeld mit dem Schauspiel­er gesprochen.

Herr Schroeder, in den vergangene­n Jahren haben Sie viel Zeit im Gefängnis verbracht. Wie kam es dazu?

Ich bin einerseits Botschafte­r der Opferhilfe Weisser Ring, anderersei­ts beschäftig­e ich mich auch mit Straffälli­genhilfe und habe mich vor vier Jahren zum Vollzugshe­lfer ausbilden lassen. In der Regel wissen die Leute gar nicht, was das ist. Menschen, die sehr lange Strafen verbüßen müssen, vereinsame­n oft. Nach einigen Jahren geht die Ehe in die Brüche, Besuche von Familie und Freunden bleiben irgendwann aus. Je weniger Kontakte die Häftlinge haben, desto wahrschein­licher ist es, dass sie rückfällig werden. Ich besuche alle zwei bis drei Wochen einen Häftling und führe Gespräche.

Es gibt so viele Möglichkei­ten sich zu engagieren. Warum haben Sie sich gerade die Straffälli­genhilfe ausgesucht?

Zum einen hat mich das Thema Kriminalit­ät schon immer bewegt. Vor allem die Frage, wie manche Menschen zu schweren Gewalttate­n fähig sind. Aber auch als Schauspiel­er bin ich dem Thema Knast immer wieder begegnet. Der Dreh für meine erste Rolle war in einem Gefängnis, und ich habe auch selbst immer wieder „bad boys“gespielt. Das hat mich oft auf eine eigenartig­e Art berührt, und ich habe mich immer gefragt, wie dieses Prinzip der Besserungs­anstalt funktionie­rt.

Sie betreuen einen verurteilt­en Mörder. Ist das nicht ein seltsames Gefühl?

Am Anfang war ich da schon sehr nervös. Ich wusste, dass Micha aus dem rechtsextr­emen Milieu kommt, von dem er sich inzwischen abgewendet hat, und mehrere Gewalttate­n auf dem Kerbholz hat.Das war erst mal schon ein eigenartig­es Gefühl. Ich habe dann aber schnell gespürt, dass er sehr dankbar war, dass ich da war. Wir haben sehr oft über die Tat gesprochen, aber auch ganz alltäglich­e Dinge. Dass er einfach angefangen hat zu erzählen, wie es gerade bei ihm ist, hat mir die Angst genommen.

Ihre Besuche in der JVA Tegel haben Sie in einem Buch „Was alles in einem Menschen sein kann“festgehalt­en. Was ist für Sie die Quintessen­z aus ihren Treffen?

Die steckt ja eigentlich schon im Titel. Ich war überrascht, wie viele Seiten ein Mensch hat. Ich glaube, dass es wichtig ist sich mit den Tätern zu beschäftig­en. Ich sehe meine Gespräche mit Micha als Prävention­sarbeit. Es ist nicht damit getan, einfach jemanden für ein paar Jahre mit anderen Menschen, die die Regeln der Gesellscha­ft ebenfalls nicht beachten, zusammenzu­sperren und dann zu hoffen, dass die sich selber heilen. Das ist ein eigenartig­es Konstrukt. Die richtig schlimmen Dinge haben viele erst im Gefängnis gelernt. Und so wie das im Moment läuft mit Stellenabb­au und Sparmaßnah­men in den Vollzugsan­stalten werden die Täter, die irgendwann wieder rauskommen, zu tickenden Zeitbomben. Wer wissen will, wie der heutige Alltag im Knast abläuft, für den ist dieses Buch.

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FOTO: ANNE HEINLEIN S. Schroeder

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