Exzesse bei geduldeter Feier an der Iller
Für die Polizei ist die Situation eine „schwierige Abwägungsangelegenheit“
KEMPTEN - Verboten ist verboten – oder eben doch nicht? In der Innenstadt und in den Kemptener Grünanlagen ist es verboten, sich irgendwo hinzusetzen und Alkohol zu trinken. Polizisten und Verwaltungsmitarbeiter überwachen auch, ob diese städtische Anordnung eingehalten wird. In der Regel sehr konsequent. Manchmal aber auch nicht so streng und bei einem dieser „Abwägungsentscheidungen“ist es am vergangenen Wochenende nachts am Illerdamm zu Alkoholexzessen gekommen. Mehrere total betrunkene junge Leute mussten vom Rettungsdienst versorgt werden.
Jedes Jahr der gleiche Ärger: Schüler der Abschlussklassen feiern gemeinsam das Ende der Prüfungen. Meist mit viel Alkohol. Früher setzten sie sich im Hofgarten zusammen und hinterließen bei den Feten auch viel Müll. Als die Stadt das unterband, wichen die nächsten Schulgenerationen an den Illerdamm aus.
Dort gilt aber genauso wie im Hofgarten und dem Stadtpark die sogenannte Grünanlagensatzung der Stadt. Alkohol zu trinken, ist verboten, heißt es darin. Auch auf den offiziellen Grillplätzen beispielsweise im Engelhaldepark ist Bier oder Wein dementsprechend tabu, sagt Uwe Sutter vom Rechtsamt. Zudem gibt es eine Sondernutzungssatzung für die Kernstadt. Auch dort ist das Alkoholverbot verankert.
Trinkt hier wie dort trotzdem jemand Alkohol, wird er von Polizei oder Verwaltung angesprochen und mündlich verwarnt. In der Regel reicht das aus, sagen Sutter und Martin Schröferl von der Polizeiinspektion Kempten. Wird jemand allerdings zum wiederholten Mal erwischt, drohen schriftliche Verwarnungen und Bußgelder. 29 derartige Briefe hat die Stadt nach Worten von Sutter heuer verschickt.
Geht generelles Verbot zu weit?
Stadtrat Thomas Hartmann (Grüne) geht das generelle Alkoholverbot zu weit. Er hat gesehen, wie Polizisten mehrere Personen verwarnt haben, die mit „Aperol-Spritz“aus einem Café zu den Treppenbänken unterhalb der Basilika gegangen sind und sich in die Sonne gesetzt haben. „An dieser Stelle derart durchzugreifen ist unpassend“, findet Hartmann und hat beantragt, das Thema politisch zu diskutieren.
Aus Verwaltungssicht hält Sutter auch bei „Aperol-Spritz“das Einschreiten der Polizei für richtig. Anders könne man die Situation allenfalls einschätzen, wenn jemand zur Brotzeit ein Radler trinke. „Insgesamt eine höchst schwierige Abwägungsangelegenheit“, sagt der Beamte. In Zweifelsfall eher für die harte Linie plädiert die Verwaltung, da seit der Umsetzung des Konzepts „Iller erleben“die Bevölkerung zwar die Freizeitangebote entlang des Flusses erfreulicherweise stark nutze, „es aber auch die Kehrseite gibt“, sagt Sutter. Eben den Alkohol. Daher werde die Überwachung dort erweitert.
Da die Polizei dazu personell nicht in der Lage sei, übernehmen das Angestellte der Verkehrsüberwachung. Und was ist, wenn ein Betrunkener von einer Politesse angesprochen wird, aber auf eine Ermahnung hin nicht reagiert? Dann müsse eben doch die Polizei gerufen werden, sagt der Beamte.
Geduldet wird am Illerdamm seit Jahren das Feiern der Schüler nach den Abschlussprüfungen. Irgendwo würden sich die Jugendlichen so oder so treffen, argumentieren Verwaltung und Polizei. Am Freitag waren 16 uniformierte und zivile Polizisten sowie Mitglieder der Sicherheitswacht vor Ort, um das Treiben von bis zu 400 Jugendlichen nicht ausufern zu lassen. Dies gelang allerdings nur bedingt: Der Rettungsdienst musste mehrfach anrücken, um völlig betrunkene Jugendliche zu versorgen. Außerdem kam es zu Streitigkeiten und Körperverletzungen, heißt es im Polizeibericht. Und es wurden „zahlreiche Verstöße gegen das Jugendschutz- und das Betäubungsmittelgesetz festgestellt“.
Damit nicht genug: Unbekannte stahlen eine Vielzahl an Rucksäcken, die die Feiernden unbeaufsichtigt liegen ließen. 20 davon wurden später hinter dem Skaterplatz wiedergefunden, teilweise waren sie ausgeplündert.
Trinkt hier wie dort trotzdem jemand Alkohol, wird er von Polizei oder Verwaltung angesprochen und mündlich verwarnt.