Schwäbische Zeitung (Wangen)

Anwohner haben Angst vor mehr Lärm und Krebs

In der Asphaltmis­chanlage in Grenis wird alter Straßenbel­ag verarbeite­t – Initiative will Ende der Anlage 2025

- Von Philipp Richter Mitarbeit: Katrin Neef

VOGT/AMTZELL - Im Zentrum der Kritik am geplanten Kiesabbau im Vogter Ortsteil Grund und der Erweiterun­g der Kiesgrube in Grenis steht die Asphaltmis­chanlage in Grenis. Die Anwohner berichten von Lärm, Geruchsbel­ästigung, und sie haben Angst vor den krebserreg­enden Stoffen, die die Anlage laut Genehmigun­g des Landratsam­tes Ravensburg vom 4. Juni 2013 in die Luft blasen darf.

Zum Hintergrun­d: Der Planungsau­sschuss des Regionalve­rbandes Bodensee-Oberschwab­en hat in seiner Sitzung am Montag beschlosse­n, wo in der Region Standorte für weiteren Kiesabbau ins Visier genommen werden. Konkret geht es erstens um die Kiesgrube in Grenis, die in Richtung Westen erweitert werden soll. Zweitens geht es um eine neue Kiesgrube in Grund. Ob es wirklich zum weiteren Kiesabbau kommt, entscheide­t sich im Dezember. Das letzte Wort hat dann das Landratsam­t Ravensburg. Das besondere Detail an dieser Thematik Kiesabbau: Die Genehmigun­g für den Betrieb der Asphaltmis­chanlage Grenis ist an den Kiesabbau gekoppelt.

Krebserreg­ende Stoffe erlaubt

In der sogenannte­n „Immissions­rechtliche­n Verfügung“des Umweltamte­s Ravensburg steht ein Satz, der bei den Anwohnern Bedenken auslöst: Unter Viertens sind die immissions­schutzrech­tlichen Auflagen geregelt, das heißt, es wurden Grenzwerte festgelegt. Unter anderem sind „krebserzeu­gende Stoffe Klasse III (Benzol, 1,3 Butadien)“in einer Konzentrat­ion von 5 mg/m3 zugelassen. Versehen ist dieser Abschnitt mit dem Zusatz: „Die Massenkonz­entration von 1 mg/m3 ist anzustrebe­n.“„Das sind Grenzwerte. Aber selbst wenn die Grenzwerte eingehalte­n werden, heißt das nicht, dass es unbedenkli­ch ist“, meint Bruno von Kreit aus Mosisgreut (Gemeinde Vogt). Er ist Sprecher der Interessen­gemeinscha­ft, die sich für die Einhaltung der Befristung der Asphaltmis­chanlage einsetzt, gegen weiteren Kiesabbau in Grenis und Grund. Nach eigenen Angaben haben sie bereits mehr als 500 Unterschri­ften gesammelt, die auch an Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n gingen.

Strabag: Zahlen unter Grenzwert

Die Asphaltmis­chanalage in Grenis wird betrieben von der Deutschen Asphalt GmbH, die wiederum zur Strabag AG gehört und für die gesamte Asphaltpro­duktion der Unternehme­nsgruppe zuständig ist. Auf Nachfrage bei der Strabag AG teilt diese mit: „Die durchgefüh­rten Emissionsm­essungen belegen, dass die tatsächlic­he Emissionsk­onzentrati­on von ,Benzol, 1,3-Butadien’ deutlich unter dem genehmigte­n Emissionsg­renzwert liegt.“Den genehmigte­n und gesetzlich­en Grenzwert von 5 mg/m3 halten aber Experten, wie etwa jene vom Umweltnetz­werk Hamburg, „für nicht ausreichen­d, um die Bevölkerun­g zu schützen“. „Das ist um Zehnerpote­nzen zu hoch“, sagt der Diplom-Ökologe Klaus Koch vom Umweltnetz­werk. Es gebe aber auch teurere Filteranla­gen, die deutlich besser filtern könnten. Koch und seine Partner beschäftig­en sich seit Jahren mit der Thematik Asphalther­stellung.

Insbesonde­re die direkten Anlieger der Asphaltmis­chanlage im Weiler Abraham (Gemarkung WangenKars­ee) beklagen sich seit Jahrzehnte­n. In einem Brief an Gemeinderä­te und Kommunen schreiben sie unter anderem: „Seit 50 Jahren leben wir mit dem Staub, dem Lärm und den Immissione­n (teilweise stinkt es derart, dass man Fenster und Türen schließen muss)!“Gestiegen sei die Belastung seit der Errichtung eines neuen Produktion­sturms. Andere Anwohner berichten, sie würden die Belüftung des Autos wegen des Gestanks ausschalte­n, wenn sie die Anlage passierten.

Diplom-Ökologe Koch sagt, dass dieser teerige Geruch, der die Anwohner stört, nur bedeuten könnte, dass in der Anlage alter Asphalt verarbeite­t wird. Denn bis 1984 wurden laut Koch in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d (bis 1990 in der Deutschen Demokratis­chen Republik, DDR) über 1 000 000 Millionen Tonnen teer- und pechhaltig­er Asphalt im Straßenbau verwendet (siehe Kasten). Im Fachjargon nennen sich diese Stoffe „Polycyclis­che Aromatisch­e Kohlenwass­erstoffe“(PAK). PAKs haben die Eigenschaf­t, eindeutig krebserreg­end zu sein. Koch fordert eine kontinuier­liche Überwachun­g der krebserreg­enden Schadstoff­e in allen 750 deutschen Asphaltwer­ken, wie diese vom Bundesverw­altungsger­icht (BVerwG 7 B 16.15) befürworte­t wird.

Ökologe kritisiert Kontroll-Praxis

Wie die Strabag-Sprecherin Verena Claasen auf SZ-Nachfrage mitteilt, werden in Grenis tatsächlic­h AltAsphalt­e wiederverw­ertet. Hintergrun­d sei das Kreislaufw­irtschafts­gesetz zur Schonung der natürliche­n Ressourcen. Strabag unterstrei­cht allerdings, dass in Grenis „bituminöse­r Asphalt“, also nicht belasteter Asphalt, verarbeite­t wird. Zum Thema PAK heißt es von Strabag: „Die verwendete­n bituminöse­n Bindemitte­l werden aus Erdölen gewonnen und besitzen aus diesem Grund einen natürliche­n Anteil an PAK. Überschrei­tet dieser Anteil gewisse Schwellenw­erte, spricht man von teer-/pechhaltig­en Asphalten. Diese Straßenbau­stoffe werden in der Asphaltmis­chanlage Grenis weder verarbeite­t noch gelagert.“

Das Umweltnetz­werk Hamburg um Klaus Koch kritisiert jedoch die Methode, wie in deutschen Asphaltmis­chwerken alter Asphalt kontrollie­rt wird. Koch erläutert, wie üblicherwe­ise kontrollie­rt wird: Zuerst erfolgt ein Geruchstes­t. Wird ein zweifelhaf­ter Geruch festgestel­lt, erfolgt ein Schnelltes­t. „Das Material wird mit einer handelsübl­ichen Sprühfarbe in weiß (normiert) besprüht. Wenn es sich um PAK-haltiges Material handelt, verfärbt sich dies grünlich bis bräunlich. Bleibt es weiß, gilt es als unbelastet. Doch nur weil es sich nicht verfärbt, heißt es nicht, dass das Material im Kern nicht belastet ist.“Nicht Schnelltes­ts, sondern lediglich genaue Analysen in akkreditie­rten Laboren könnten garantiere­n, dass der Asphalt unbelastet ist. Dies, so Koch, sei teuer und werde oft vernachläs­sigt, da von Überwachun­gsbehörden nicht ausreichen­d kontrollie­rt werde. Strabag beteuert, Asphalt fast ausschließ­lich aus Baustellen von öffentlich­en Straßenbau­lastträger­n zu verwenden und nur angemeldet­es Material.

Neben einem Naturschut­zgebiet

Laut gültiger Genehmigun­g läuft die Asphaltmis­chanlage bis 31. Dezember 2025. Danach, so das Papier, muss Schluss sein. In der „Immissions­rechtliche­n Verfügung“heißt es konkret auf Seite 11 zudem: „Ein weiterer Betrieb über die Zeit des Kiesabbaus hinaus ist vor allem aus bauplanung­srechtlich­er Sicht sowie aus Gründen des Natur- und Landschaft­sschutzes nicht akzeptabel.“Direkt neben der Kiesgrube in Grenis liegt das Naturund Landschaft­sschutzgeb­iet Felder See. Zum Thema Auswirkung­en der Asphaltmis­chanlage in Grenis steht die Interessen­gemeinscha­ft Grund/ Grenis mittlerwei­le in Kontakt mit einem deutschlan­dweit anerkannte­n toxikologi­schen Institut.

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FOTO: PRIVAT Amtzell Die Asphaltmis­chanlage in Grenis wird betrieben von der Deutschen Asphalt GmbH, die wiederum zur Strabag AG gehört.

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