Anwohner haben Angst vor mehr Lärm und Krebs
In der Asphaltmischanlage in Grenis wird alter Straßenbelag verarbeitet – Initiative will Ende der Anlage 2025
VOGT/AMTZELL - Im Zentrum der Kritik am geplanten Kiesabbau im Vogter Ortsteil Grund und der Erweiterung der Kiesgrube in Grenis steht die Asphaltmischanlage in Grenis. Die Anwohner berichten von Lärm, Geruchsbelästigung, und sie haben Angst vor den krebserregenden Stoffen, die die Anlage laut Genehmigung des Landratsamtes Ravensburg vom 4. Juni 2013 in die Luft blasen darf.
Zum Hintergrund: Der Planungsausschuss des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben hat in seiner Sitzung am Montag beschlossen, wo in der Region Standorte für weiteren Kiesabbau ins Visier genommen werden. Konkret geht es erstens um die Kiesgrube in Grenis, die in Richtung Westen erweitert werden soll. Zweitens geht es um eine neue Kiesgrube in Grund. Ob es wirklich zum weiteren Kiesabbau kommt, entscheidet sich im Dezember. Das letzte Wort hat dann das Landratsamt Ravensburg. Das besondere Detail an dieser Thematik Kiesabbau: Die Genehmigung für den Betrieb der Asphaltmischanlage Grenis ist an den Kiesabbau gekoppelt.
Krebserregende Stoffe erlaubt
In der sogenannten „Immissionsrechtlichen Verfügung“des Umweltamtes Ravensburg steht ein Satz, der bei den Anwohnern Bedenken auslöst: Unter Viertens sind die immissionsschutzrechtlichen Auflagen geregelt, das heißt, es wurden Grenzwerte festgelegt. Unter anderem sind „krebserzeugende Stoffe Klasse III (Benzol, 1,3 Butadien)“in einer Konzentration von 5 mg/m3 zugelassen. Versehen ist dieser Abschnitt mit dem Zusatz: „Die Massenkonzentration von 1 mg/m3 ist anzustreben.“„Das sind Grenzwerte. Aber selbst wenn die Grenzwerte eingehalten werden, heißt das nicht, dass es unbedenklich ist“, meint Bruno von Kreit aus Mosisgreut (Gemeinde Vogt). Er ist Sprecher der Interessengemeinschaft, die sich für die Einhaltung der Befristung der Asphaltmischanlage einsetzt, gegen weiteren Kiesabbau in Grenis und Grund. Nach eigenen Angaben haben sie bereits mehr als 500 Unterschriften gesammelt, die auch an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gingen.
Strabag: Zahlen unter Grenzwert
Die Asphaltmischanalage in Grenis wird betrieben von der Deutschen Asphalt GmbH, die wiederum zur Strabag AG gehört und für die gesamte Asphaltproduktion der Unternehmensgruppe zuständig ist. Auf Nachfrage bei der Strabag AG teilt diese mit: „Die durchgeführten Emissionsmessungen belegen, dass die tatsächliche Emissionskonzentration von ,Benzol, 1,3-Butadien’ deutlich unter dem genehmigten Emissionsgrenzwert liegt.“Den genehmigten und gesetzlichen Grenzwert von 5 mg/m3 halten aber Experten, wie etwa jene vom Umweltnetzwerk Hamburg, „für nicht ausreichend, um die Bevölkerung zu schützen“. „Das ist um Zehnerpotenzen zu hoch“, sagt der Diplom-Ökologe Klaus Koch vom Umweltnetzwerk. Es gebe aber auch teurere Filteranlagen, die deutlich besser filtern könnten. Koch und seine Partner beschäftigen sich seit Jahren mit der Thematik Asphaltherstellung.
Insbesondere die direkten Anlieger der Asphaltmischanlage im Weiler Abraham (Gemarkung WangenKarsee) beklagen sich seit Jahrzehnten. In einem Brief an Gemeinderäte und Kommunen schreiben sie unter anderem: „Seit 50 Jahren leben wir mit dem Staub, dem Lärm und den Immissionen (teilweise stinkt es derart, dass man Fenster und Türen schließen muss)!“Gestiegen sei die Belastung seit der Errichtung eines neuen Produktionsturms. Andere Anwohner berichten, sie würden die Belüftung des Autos wegen des Gestanks ausschalten, wenn sie die Anlage passierten.
Diplom-Ökologe Koch sagt, dass dieser teerige Geruch, der die Anwohner stört, nur bedeuten könnte, dass in der Anlage alter Asphalt verarbeitet wird. Denn bis 1984 wurden laut Koch in der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990 in der Deutschen Demokratischen Republik, DDR) über 1 000 000 Millionen Tonnen teer- und pechhaltiger Asphalt im Straßenbau verwendet (siehe Kasten). Im Fachjargon nennen sich diese Stoffe „Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe“(PAK). PAKs haben die Eigenschaft, eindeutig krebserregend zu sein. Koch fordert eine kontinuierliche Überwachung der krebserregenden Schadstoffe in allen 750 deutschen Asphaltwerken, wie diese vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 7 B 16.15) befürwortet wird.
Ökologe kritisiert Kontroll-Praxis
Wie die Strabag-Sprecherin Verena Claasen auf SZ-Nachfrage mitteilt, werden in Grenis tatsächlich AltAsphalte wiederverwertet. Hintergrund sei das Kreislaufwirtschaftsgesetz zur Schonung der natürlichen Ressourcen. Strabag unterstreicht allerdings, dass in Grenis „bituminöser Asphalt“, also nicht belasteter Asphalt, verarbeitet wird. Zum Thema PAK heißt es von Strabag: „Die verwendeten bituminösen Bindemittel werden aus Erdölen gewonnen und besitzen aus diesem Grund einen natürlichen Anteil an PAK. Überschreitet dieser Anteil gewisse Schwellenwerte, spricht man von teer-/pechhaltigen Asphalten. Diese Straßenbaustoffe werden in der Asphaltmischanlage Grenis weder verarbeitet noch gelagert.“
Das Umweltnetzwerk Hamburg um Klaus Koch kritisiert jedoch die Methode, wie in deutschen Asphaltmischwerken alter Asphalt kontrolliert wird. Koch erläutert, wie üblicherweise kontrolliert wird: Zuerst erfolgt ein Geruchstest. Wird ein zweifelhafter Geruch festgestellt, erfolgt ein Schnelltest. „Das Material wird mit einer handelsüblichen Sprühfarbe in weiß (normiert) besprüht. Wenn es sich um PAK-haltiges Material handelt, verfärbt sich dies grünlich bis bräunlich. Bleibt es weiß, gilt es als unbelastet. Doch nur weil es sich nicht verfärbt, heißt es nicht, dass das Material im Kern nicht belastet ist.“Nicht Schnelltests, sondern lediglich genaue Analysen in akkreditierten Laboren könnten garantieren, dass der Asphalt unbelastet ist. Dies, so Koch, sei teuer und werde oft vernachlässigt, da von Überwachungsbehörden nicht ausreichend kontrolliert werde. Strabag beteuert, Asphalt fast ausschließlich aus Baustellen von öffentlichen Straßenbaulastträgern zu verwenden und nur angemeldetes Material.
Neben einem Naturschutzgebiet
Laut gültiger Genehmigung läuft die Asphaltmischanlage bis 31. Dezember 2025. Danach, so das Papier, muss Schluss sein. In der „Immissionsrechtlichen Verfügung“heißt es konkret auf Seite 11 zudem: „Ein weiterer Betrieb über die Zeit des Kiesabbaus hinaus ist vor allem aus bauplanungsrechtlicher Sicht sowie aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes nicht akzeptabel.“Direkt neben der Kiesgrube in Grenis liegt das Naturund Landschaftsschutzgebiet Felder See. Zum Thema Auswirkungen der Asphaltmischanlage in Grenis steht die Interessengemeinschaft Grund/ Grenis mittlerweile in Kontakt mit einem deutschlandweit anerkannten toxikologischen Institut.