Kein Sommer ohne Grillen?
Sie und er spazieren durch die Abenddämmerung. Sie zu ihm: „Schatz, wie romantisch – die Grillen“. Er „Ich riech’ nichts!“.
Diese Szene, entdeckt auf einer Postkarte, hätte sich auch zwischen mir und meinem Mann abspielen können. Denn mein Gatte ist ein Grillfanatiker, mein Ritter am Rost, sozusagen. Er feuert sommers jedes Wochenende an, gerne mehrmals, und hat auch schon zum Wintergrillen geladen. Ich hab da nichts dagegen, denn: Herr Haefele plant und kauft ein (kommt meinem Geldbeutel und Zeitmanagement zugute), übernimmt höchstpersönlich die Aufsicht am Grill (so kann ich in Ruhe essen), ist bei den Beilagen wenig anspruchsvoll (ich muss höchstens Salat oder Rosmarinkartoffeln beisteuern) und schrubbt den Rost eigenhändig wieder sauber (während ich schon beim zweiten Glas Wein sitze). Frau, was willst du mehr!
Dass er mich lieber nicht dabei hat beim Bummeln durch den heißen Super-BBQ-GrillShop, lässt mich kalt. Feuer und Flamme bin ich allerdings für sein Grillgut. Denn egal ob Fleisch, Wurst, Krabben oder Gemüse – stets landet Zartes, Saftiges, Schmackhaftes und auf den Punkt Gegrilltes auf meinem Teller. Auf dem T-Shirt, das das Familienoberhaupt einst von den Kindern geschenkt bekommen hat, steht also völlig zu Recht: „Grillgott – es kann nur einen geben.“
Da hatte ich doch tatsächlich lange gehofft und geglaubt, die angekokelte Grillwurst würde genauso den Weg alles Irdischen gehen wie der Käseigel und der Toast Hawaii – Friede ihrer Asche! Aber weit gefehlt, die Grillleidenschaft ist allüberall neu entflammt. Vor allem seit der BBQ-Master von Stand vom alten Gartengrill mit seinen mitleiderregend wackeligen Beinchen umgestiegen ist auf ein Gerät, das aussieht wie eine Dampflok, der man die Räder geklaut hat. Das Wunderding ist schon für den Gegenwert eines Gebrauchtwagens zu haben und soll sagenhafte Steaks ausspucken. Warum nur lässt mich das so entsetzlich kalt? Kann es sein, dass ich traumatisiert bin durch frühkindliche Erfahrungen mit Stockbrot, außen kohlschwarz und innen pappig? Hm, diese Wunde sollte sich doch geschlossen haben.
Oder ist mir das ganze WurstCase-Szenario einfach wesensfremd, weil im Grunde Männersache – wie damals, als der Neandertaler das Mammut jagte und erst das Feuer, dann den Grill und anschließend den zugehörigen Baumarkt erfand? Oder stört es mich womöglich, drei Stunden zu warten und den ärgsten Hunger diskret mit Kartoffelsalat und in Ketchup getunkte Baguettestücke zu stillen, bis die Schuhsohle fertig ist? Aber nein. Völlig abwegig. Diese Aversion ist und bleibt wohl unerklärlich.
Ein Ritter am Rost – Frau, was willst du mehr! Von Simone Haefele Und ewig kokelt der Neandertaler ... Von Petra Lawrenz