Zivilcouragepreis steht vor ungewisser Zukunft
Die Veranstaltung unter Federführung des Landkreises Ravensburg macht heuer wohl eine Pause
WANGEN/LEUTKIRCH (heb/hey/ bee/jasc) - An der generell guten Idee lässt Dietmar Müller, Leiter des Leutkircher Jugendhauses, nicht rütteln. Der 2008 im Allgäu zum ersten Mal lokal ausgerufene Zivilcouragepreis, der in den Jahren danach auf Kreisebene ausgedehnt wurde, sei eine Initiative, „für die sich der Einsatz lohnt“. Und doch steht voraussichtlich in diesem Jahr, wie schon 2015, eine Pause an. Trotz vieler Lobeshymnen – auch vom Landkreis – ist es immer schwieriger geworden, einen verantwortlichen Ausrichter aus dem Bereich der Jugendhäuser zu finden. „Der Aufwand ist doch enorm“, gibt Müller zu.
Rückblick, Ende 2014: Der Zivilcouragepreis, eine Veranstaltung unter Federführung des Landkreises und der Polizei, aber ausgerichtet von den örtlichen Jugendhäusern und der Verwaltung, findet zum insgesamt siebten Mal statt, macht aber zum ersten Mal Station in Wangen. Ausgezeichnet werden Vorbilder für Mut und den Einsatz für Andere. So soll „die Kultur des Hinsehens“gefördert werden, wie Kreissozialdezernentin Diana Raedler in der mit fast 300 Menschen bestens gefüllten Wangener Stadthalle sagte.
Emotionale Momente in Wangen
Den Hauptpreis an diesem Abend erhielt der erst zehnjährige Moritz Buchmeier. Der Niederwangener hatte damals einen neuen Mitschüler bekommen, der bereits an dessen alter Schule gemobbt wurde und starker Asthmatiker ist. Der Junge hatte auch an seiner neuen Schule in Niederwangen Probleme: In einer großen Pause wurde er in den Schwitzkasten genommen und bekam einen Asthma-Anfall. Moritz Buchmeier handelte: Er rannte ins Klassenzimmer und holte das rettende Asthmaspray. „Die Anderen wussten nicht, was mit ihm los war, er hat ja nicht mehr richtig reden können“, erläuterte der junge Preisträger den Beweggrund seines Handelns. Die Jury des Zivilcouragepreises erkannte ihm auch wegen seines Einsatzes für ein Mobbing-Opfer den Hauptpreis zu.
Niemand will Orga stemmen
Solche emotionalen Momente wie 2014 in Wangen wird es in diesem Jahr beim Zivilcouragepreis aller Voraussicht nach nicht geben, denn der Organisationsaufwand ist vor allem den Jugendhäusern vor Ort zu viel geworden. Das Landratsamt überlege aber derzeit, in welcher Form der Zivilcouragepreis trotzdem fortgeführt werden könne – heißt es. Dass der Preis zumindest in seiner jetzigen Form auf Eis gelegt wird, bestätigt auch die Wangener Jugendbeauftragte Marina Teichmann. Das habe eine Lenkungsgruppe bereits Anfang des Jahres beschlossen. „Jetzt ist es so, dass nach und nach alle Städte, die diese Organisation leisten können, schon einmal oder mehrfach dran waren“, so Teichmann zur SZ. „Da finden wir jetzt gerade einfach keine Stadt, die das noch zusätzlich zum Alltag stemmen kann.“Das heiße jedoch nicht, dass es den Zivilcouragepreis gar nicht mehr geben werde.
Dieser wurde im November 2008 zum ersten Mal der Preis in Leutkirch vergeben. Er ging an zwei damals zwölfjährige Jungen, die einem Mann, der betrunken ins Koma gefallen war, durch ihr Handeln wohl das Leben retteten. Die Leutkircher Anfänge wurden weiterentwickelt. Bald schon gab es auch einen Preis für Erwachsene, weitere Sponsoren wurden gefunden. Vor allem aber stellte sich auch die Polizei hinter die Idee, Flagge zu zeigen, auch in schwierigen Situationen nicht wegzuschauen. So gingen Jugendliche dazwischen, als Schläger einen Obdachlosen in Ravensburg malträtieren wollten.
Die Jugendhäuser aus Ravensburg, Weingarten, Isny, Wangen und Kißlegg übernahmen im Wechsel die Verantwortung für den Preis. „Ziel war ja auch, Vorurteilen entgegenzuwirken, dass Jugendliche nur Probleme bereiten, dass sie auffällig und nicht angepasst sind“, so Dietmar Müller. „Wir wollten gute Taten in den Vordergrund stellen, wollten zeigen, dass es sich trotz aller Risiken lohnt, Menschen in Not zu helfen.“
Neue Interessenten begeistern
Müller gibt zu, dass er gar nicht geglaubt habe, dass der Preis sich „so lange hält“. Es sei mühsam gewesen, im Regionaltreff der Jugendhäuser vor allem neue Interessenten dafür zu begeistern, die Organisation des Preises zu übernehmen. „Für die beteiligten Jugendhäuser und ihre Arbeit war der Preis trotz der damit verbundenen Arbeit aber eine große Bereicherung“, sagt Müller.
Sandra Schmid Soares aus Bad Waldsee wurde im 2016 Jahr ebenfalls für ihr „vorbildhaftes Verhalten“ausgezeichnet. Die Preisträgerin hält die Veranstaltung für wichtig, eine Absage fände sie „richtig schade“. Schließlich werde Zivilcourage bei der Preisverleihung wertgeschätzt, sozialer Einsatz honoriert. „Es ist wichtig, zu helfen und nicht wegzuschauen“, sagt sie. Der Preis trage zu einer offenen Gesellschaft bei – auch im ländlichen Raum. Ob dies künftig auch auf den Landkreis Ravensburg zutrifft, steht aktuell in den Sternen.