Schwäbische Zeitung (Wangen)

Am Anfang „nichts außer einer Idee“

Für den Aufbau des Unternehme­n Chance in Lindau waren viel Kampfgeist und Ausdauer wichtig

-

LINDAU - Zwei Standorte, eine Idee: Das Unternehme­n Chance will Menschen ohne Arbeit eine Chance geben, zugleich jenen helfen, die nur einen kleinen Geldbeutel haben. Aber auch der Gedanke der Nachhaltig­keit ist den Verantwort­lichen wichtig: Übers Sozialkauf­haus findet vieles, was sonst im (Sperr-)Müll landen würde, neue Besitzer und neuen Nutzen. Das Unternehme­n Chance zu gründen und aufzubauen, hat den vielen Ehren- und Hauptamtli­chen viel Kraft, Kampfgeist und Ausdauer abverlangt. Aber es hat sich gelohnt: Jetzt feiert die gemeinnütz­ige Gesellscha­ft ihr zehnjährig­es Bestehen.

Als ihr 2003 die Idee kam, in Lindau ein Sozialkauf­haus aufzubauen, da ahnte Uschi Krieger noch nicht, was sie damit lostreten würde. Aber die Lindauer Stadt- und Kreisrätin und ihre Mitstreite­r haben es geschafft: Vier Jahre später hat das Unternehme­n Chance in der Ladestraße in einer ehemaligen Speditions­halle eröffnet. Krieger und den zahlreiche­n zumeist ehrenamtli­ch Aktiven war sehr schnell bewusst, dass sie sich einer ganz großen Herausford­erung stellen mussten: ein junges Unternehme­n aufzubauen, „das nichts hatte außer seiner Idee“.

Diese Idee hat heute, zehn Jahre später, dickes Wurzeln. Das Unternehme­n Chance ist aus Lindau nicht mehr wegzudenke­n. Längst gehört es zum guten Ton, den Nachlass der verstorben­en Oma oder das eigene ausrangier­te Wohnzimmer dem Unternehme­n Chance anzubieten – gut erhaltene Möbel und Geschirrwa­ren, Bilder, Bücher und vieles mehr werden im Gebrauchtw­arenkaufha­us für zum Teil sehr günstiges Geld verkauft. Dieser Bereich ist für das Gesamtproj­ekt sehr wichtig, stammen doch bis zu 60 Prozent des jährlichen Umsatzes aus dessen Erlösen, wie Geschäftsf­ührer Rudolf Rock im Gespräch mit der LZ schildert.

Doch die liebevoll eingericht­eten Verkaufsrä­ume sind eben nur ein Teil des Unternehme­n Chance. Uschi Krieger erinnert sich noch gut an ein Gespräch Anfang der 2000er Jahre mit einem jungen Mann, der keine Chance gehabt habe, einen Arbeitspla­tz zu finden, für den aber auch die beschützen­de Werkstatt der Lebenshilf­e keine Alternativ­e gewesen war. „Es muss doch Hilfe geben für Menschen, die keine Chancen auf dem ersten Arbeitsmar­kt haben“, habe sie sich damals gedacht – und ein Art Sozialkauf­haus als Möglichkei­t gesehen, Betroffene­n den Weg (zurück) ins Berufslebe­n zu ebnen.

Gerald Pätzold war der erste Arbeitslos­e, den die damalige Hartz-IVArge (heute Jobcenter) als Ein-EuroKraft an das Unternehme­n Chance vermittelt hatte. Mittlerwei­le gehört der handwerkli­ch Talentiert­e fast zum Inventar: Die Verantwort­lichen des Unternehme­ns sind stolz auf ihre langjährig­en Mitarbeite­r. „So einigen haben wir auch durch alle Höhen und Tiefen des Lebens geholfen“, stellt Aufsichtsr­at Peter Borel fest. Knapp 30 Angestellt­e beschäftig­t das Unternehme­n Chance heute. Darunter sind versierte Werkstattl­eiter genauso wie Frauen und Männer, „die da draußen in der Berufswelt keinen Platz finden“, wie es Krieger auch heute formuliert.

Nach viel Bangen heute „auf solider Basis“

Die Möbelwerks­tatt ist ein wichtiger Teil, die Fahrradwer­kstatt ebenfalls. Die Schneidere­i in Lindau hat sich erst vor wenigen Wochen neu aufgestell­t. Im Lindenberg­er Betrieb gibt es zudem eine Reparaturw­erkstatt für Elektroger­äte und eine Polsterei. Das Jobcenter, aber auch der Kreisjugen­dring mit seiner Jugendberu­fshilfe setzen fest aufs Unternehme­n Chance, binden es immer wieder in spezielle Projekte ein. Monatlich werden dort zwischen 30 und 50 Jugendlich­e und Arbeitslos­e betreut, ihnen Wege und Möglichkei­ten für die eigenen berufliche Zukunft aufgezeigt.

Zehn Jahre sind ein kleines Jubiläum. Für das Unternehme­n Chance ist es aber ein wichtiger Meilenstei­n. Zwar könnte in ein paar Jahren in Lindau ein erneuter Umzug anstehen. Doch jetzt, zum Jubiläum, „stehen wir auf solider Basis“, freuen sich die Verantwort­lichen um Gründungsm­utter Uschi Krieger und Geschäftsf­ührer Rudolf Rock.

Newspapers in German

Newspapers from Germany