Streit um Zulässigkeit von Fahrverboten
Land setzt nur noch auf Diesel-Nachrüstung – Feinstaub-Prozess beginnt Mittwoch
BERLIN - Neue Zuspitzung im Streit über ein mögliches Diesel-Fahrverbot in Stuttgart: Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wirft Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Blockadetaktik vor.
„Für bessere Luft in Stuttgart brauchen wir unbedingt die blaue Plakette, um im Interesse der Gesundheit von Anwohnerinnen und Anwohnern die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in der Luft einzuhalten. Diese Möglichkeit hat der Bundesverkehrsminister bisher abgelehnt und stattdessen für Tage mit hohen Schadstoffwerten streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen empfohlen“, erklärte Hermann am Montag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Aber genau diese Maßnahme mit temporären Verkehrsbeschränkungen auf den wichtigsten Zufahrtsstraßen an Tagen mit hoher Luftbelastung hat nun das Bundesverkehrsministerium gegenüber dem Land als rechtlich nicht zulässig bezeichnet.“
Fakt ist: Zwischen beiden Ministerien hat es Gespräche gegeben. Und danach gehen die Interpretationen weit auseinander. Das Bundesverkehrsministerium erklärte, die eigene Position sei unverändert. Auf Basis der gültigen Rechtslage seien temporäre Fahrverbote zwar zulässig, aber man halte sie politisch für einen falschen Ansatz. In Stuttgart hat man das alles anders verstanden: Hermanns Beamte gehen inzwischen davon aus, dass es keine Rechtsgrundlage für Fahrverbote gebe, weil dadurch eine neue Umweltzone geschaffen werde.
Daher hat Baden-Württemberg auch seine Haltung verändert. In dem aufsehenerregenden Verfahren, das am Mittwoch vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart startet, will sich die Landesregierung nun ausschließlich auf das Argument stützen, dass sich die Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub allein mit Nachrüstungen einhalten lassen.
„Diesel-Gipfel“Anfang August
Nachrüstung ist in den Verhandlungen gerade das große Thema. Die Bundesregierung bereitet für den 2. August einen „Diesel-Gipfel“unter anderem mit Ländern und Autoindustrie vor. Ziel: Eine möglichst weitgehende Vereinbarung zur Umrüstung von Dieselfahrzeugen, um Fahrverbote zu verhindern. Die Kosten für die Umrüstung sollen die Autokonzerne tragen. Eine entsprechende Vereinbarung hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bereits mit den dortigen Herstellern BMW und Audi getroffen.
Das Problem: Dem Vernehmen nach können nur etwa die Hälfte der Euro-5-Fahrzeuge umgerüstet werden. Und lediglich mit Software-Updates seien die Grenzwerte nicht einzuhalten, so ein Insider. Daher ist auch eine Abwrackprämie für Euro-3und Euro-4-Diesel im Gespräch.
Landesverkehrsminister Hermann warf dem Bund vor, wirksame Instrumente für den Fall zu verweigern, „dass eine mögliche Dieselnachrüstung nicht zu einer effektiven und raschen Senkung der Emissionen führen sollte“. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte, die Regierung des Freistaats arbeite an einem umfangreichen Maßnahmenpaket, mit dem die Schadstoff-Grenzwerte eingehalten und zugleich ein generelles Fahrverbot verhindert werden könne.
Die Kommunen warnen vor Beschränkungen. „In den Innenstädten spielt sich das kommunale Leben ab. Die Zufahrt zu beschränken, verhindert nicht nur die reinen Privatfahrten; vielmehr sind auch der Lieferverkehr, Behörden- und Einsatzfahrzeuge betroffen“, so Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. „Verbote und neue Plaketten münden in einem undurchsichtigen Schilderwald und führen zu Verwirrung und mehr Bürokratie statt zu einem nachhaltigen und umweltschonenden Mobilitätskonzept.“