Nach 60 Jahren zieht das Niki um
Ravensburger Kinderkrankenhaus wird ins EK integriert – Zeitzeugen erinnern sich
RAVENSBURG - Außer den Unikliniken in Tübingen und Ulm ist das Sankt Nikolaus in Ravensburg Adresse für kranke Kinder und Jugendliche. 4000 kleine Patienten aus der gesamten Bodenseeregion werden dort jedes Jahr stationär behandelt, hinzukommen 4000 ambulante Notfälle. Im September zieht es ins benachbarte Elisabethen-Krankenhaus (EK) um. Die „Schwäbische Zeitung“sprach aus diesem Anlass mit Franziskanerinnen von Reute, die ein halbes Jahrhundert lang Krankenschwestern am „Niki“waren, und dem früheren Chefarzt Peter Tosberg sowie seinem Nachfolger Andreas Artlich.
Wenn Schwester Makrina und Schwester Siegfrieda durch die Gänge ihres früheren Arbeitsplatzes gehen, ist die Freude bei den Krankenschwestern groß. Die fröhlichen Ordensfrauen aus Reute werden auf jeder Station geherzt und umarmt. Viele der heutigen Pflegekräfte haben bei ihnen gelernt, wie man mit den kleinen Patienten umgeht. Schwester Makrina ist dabei die wohl letzte Zeitzeugin, die noch im alten Sankt Nikolaus an der Kapuzinerstraße gearbeitet hat, das 1958 aufgegeben wurde, als der Neubau entstand. Schwester Siegfrieda begann ihre Ausbildung 1959.
Schon nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Franziskanerinnen von Reute in Ravensburg ein Haus gekauft, um dort ein Heim für uneheliche, aber gesunde Säuglinge zu gründen. Davon gab es nach dem Krieg viele. 1925 zog ein Arzt namens Bihlmeyer, der der Überzeugung war, dass Kinder nicht in den gleichen Krankenhäusern wie Erwachsene versorgt werden sollten, vom städtischen Krankenhaus ins Heim um und übernahm die ärztliche Leitung. Infolgedessen wurden immer mehr kranke Kinder aufgenommen, die gesunden unehelichen Säuglinge hingegen in private Pflege gegeben.
Frühchen aus der ganzen Region
1958 – die Räume waren mittlerweile viel zu klein geworden – zogen die Schwestern ins neue Gebäude am jetzigen Standort um. „Am Anfang haben wir schwierige Verhältnisse erlebt“, erinnert sich Makrina. „Es gab keine Wärmebetten, sodass wir die kleinsten Kinder einfach in Watte gepackt haben.“Frühchen aus der ganzen Region, selbst bis aus Sigmaringen, wurden von den damals wenigen Ärzten und Schwestern persönlich abgeholt, um ihr Leben zu retten. Dabei gab es damals jedoch eine Selektion, die den Nonnen weh tat: Nur wer mindestens 24 bis 48 Stunden überlebt hatte, wurde überhaupt aufgenommen. 200 Betten gab es damals am „Niki“, wie das Krankenhaus in der Bevölkerung genannt wurde. Die Medizin war damals natürlich noch längst nicht so weit wie heute. „Manchmal mussten wir morgens drei oder vier Kinder beerdigen“, sagt Makrina und schaudert.
Auch die Regeln waren am Anfang ausgesprochen streng, erinnert sich die Ordensschwester. „Die Eltern durften die Kinder nur einmal die Woche für eine Stunde besuchen, durch eine Glasscheibe. Erst als Professor Tosberg kam, hat sich das zum Glück geändert.“Der neue Chefarzt Peter Tosberg habe unsagbar viel zum Guten verändert, sagt Makrina. Neben dem Besuchsrecht und später der Mitaufnahme für Eltern führte er modernste medizinische Standards wie Beatmungsgeräte ein. „Er lebte für das Krankenhaus. Fast jede Nacht kam er ein- bis zweimal zu einem Notfall. Man nannte ihn Professor Blaulicht.“
Aber auch die Schwestern opferten sich für die Aufgabe, die kleinen Patienten gesund zu machen, auf: „Wir hatten damals keinen freien Tag und keinen Urlaub. Um sechs ging es in die Kirche, dann zum Frühstück, dann haben wir bis abends gearbeitet.“Vierzehntägige Nachtwachen waren die Regel. Etwas leichter wurde das Leben erst, als immer mehr weltliche Krankenschwestern eingestellt und ausgebildet wurden.
Nach Altersklassen aufgeteilt
Wurden früher hauptsächlich Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung oder Krupp behandelt, sind es heute eher Kinder und Jugendliche mit Diabetes, Mukoviszidose, Darmkrankheiten, Blutkrankheiten, Immundefekten oder auch schweren Herzkrankheiten. Auch eine psychosomatische Abteilung mit Internatcharakter gehört mittlerweile dazu. Dort werden die Jugendlichen, die teilweise drei Monate lang bleiben, in den Hauptfächern sogar unterrichtet. Ansonsten ist die durchschnittliche Verweildauer von seinerzeit drei Wochen auf drei Tage reduziert worden, weshalb heute auch 80 Betten ausreichen. Wenn das Niki ins EK integriert wird, wird die Abteilung in unmittelbarer Nähe zur Geburtshilfe und Mutter-Kind-Abteilung liegen. Die Kinder werden dann nicht mehr nach Krankheitsbildern, sondern Altersklassen aufgeteilt. „Wir versuchen weiter, in all der technisierten Medizin das Wohlaufgehobensein nicht zu verlieren“, sagt der heutige Chefarzt Andreas Artlich. Denn heute wie damals sind es die Ärzte, Pfleger und die kindgerechte Atmosphäre, die wesentlich zur Genesung beitragen.