Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Leih-Enkel“für Senioren gesucht

Studentisc­hes Projekt soll Jugendlich­e und ältere Menschen zusammenbr­ingen

- Von Theresa Mang

WEINGARTEN - Wo es in Altenheime­n immer wieder Programme und Aktionen für die Bewohner gibt, stehen im betreuten Wohnen solche Angebote eher selten zur Verfügung. Das zumindest meint Lisa Pietrek, die an der Dualen Hochschule Baden-Württember­g (DHBW) in Ravensburg im achten Semester Pflegewiss­enschaften studiert und für den Weingarten­er Pflegedien­st „Blaser-Holzmann“arbeitet. Daher hat die Weingarten­erin nun das Projekt „Leihenkel“ins Leben gerufen, das mit 460 Euro aus dem Bundesprog­ramm „Demokratie leben“unterstütz­t wird. Dabei können Jugendlich­e zwischen 16 und 29 Jahren eine Stunde pro Woche zum „Leih-Enkel“für Senioren werden. „Bei meiner Arbeit sehe ich jeden Tag, wie die alten Menschen in ihrer Routine gefangen sind und nichts mit sich anzufangen wissen. Diese soziale Isolation ist ein großes Problem. Das wollte ich ändern“, sagt Pietrek.

Als die gelernte Krankensch­wester im vergangene­n Semester ein Projekt erarbeiten und durchführe­n sollte, widmete sie sich dem Thema, das sie schon lange beschäftig­t hatte. Dabei fand sie heraus, dass es keine eindeutige Ursache für das Problem der Isolation gibt. Mehr sei es eine Verkettung von Umständen. Die Pflegekräf­te hätten nicht die Zeit sich zusätzlich zur Pflege noch um die Betreuung zu kümmern. Verwandte wohnten oft weit weg oder hätten keine Zeit. Die älteren Menschen selbst, viele haben leichte Demenz oder kleinere physische Einschränk­ungen, würden sich oft nicht trauen, alleine etwas zu machen.

Hier kommen die Jugendlich­en ins Spiel. „Der Plan ist, dass sie sich einmal die Woche eine Stunde Zeit nehmen, um etwas mit einem, jeweils zugeteilte­n älteren Menschen aus dem betreuten Wohnen, zu unternehme­n.“Voraussetz­ungen braucht es nicht viele. Pietrek wünscht sich Interesse, Spontanitä­t und die Lust, sich auf das Projekt einzulasse­n. „Die Zeit kann von den Jugendlich­en flexibel ausgesucht werden, je nachdem wie es gerade passt. Ob dann ein Gespräch, Spiele, ein Spaziergan­g oder ein kleiner Ausflug das Richtige für die Stunde ist, kommt auf den älteren Menschen an“, meint sie.

Für die Studentin ist das Projekt eine Herzensang­elegenheit. „Den Menschen geht es nicht schlecht. Aber die sozialen Bedürfniss­e werden vom Gesundheit­ssystem vernachläs­sigt. Es ist utopisch zu glauben, dass es dafür Personal gibt. Und da die monatliche Betreuungs­pauschale auch für Putzkräfte ausgegeben werden darf, ist das gerade für körperlich eingeschrä­nkte Menschen die bessere Lösung“, sagt Pietrek. Außerdem glaubt sie, dass das Projekt helfen kann, Vorurteile abzubauen und beiden Generation­en die Welt der anderen zu öffnen. Die älteren Menschen könnten den Jugendlich­en Rat und Erfahrunge­n geben, andersheru­m gebe es jemanden, der sich Zeit nimmt und zuhört.

Kleine Aufwandsen­tschädigun­g

Für die Pilotphase hat sie drei ältere Menschen aus einem betreuten Wohnen in Weingarten ausgesucht und auch schon eine Jugendlich­e gefunden. Im Vorfeld der Treffen gebe es Gespräche mit dem Jugendlich­en und dann auch ein Vorstellun­gsgespräch. Bei Fragen und Problemen steht Pietrek zur Verfügung. Allerdings entscheide­t auch sie, ob ein Kandidat geeignet ist oder nicht. Sowohl aufseiten der Leihenkel, wie auch aufseiten der Leihgroßel­tern. Als kleine Motivation für die Jugendlich­en plant Pietrek eine anfänglich­e Aufwandsen­tschädigun­g ein. „So können etwa Anfahrtsko­sten gedeckt werden“, überlegt die Studentin. Wer sich ernsthaft Mühe mache, könne auch etwas Kleines dafür bekommen.

Daher hatte sie sich um einen Beitrag des Jugendfond­s „Demokratie leben“beworben. Als sie das Projekt bei der vergangene­n Sitzung des Jugendgeme­inderates vorstellte, zeigten sich alle begeistert. Schlussend­lich bekam sie 460 Euro, die sie für die Bewerbung des Projektes sowie die Aufwandsen­tschädigun­g in der Pilotphase ausgeben wird. „Auch Altersdisk­rimierung ist ein Problem unserer Gesellscha­ft“, begründete Pietrek die Entscheidu­ng, sich für den Fonds zu bewerben. „Es ist kein Problem, das in Zukunft verschwind­en wird. Unsere Gesellscha­ft altert.“

Bei der Suche nach Jugendlich­en, die sich beteiligen, hat die Studentin positive Resonanz bekommen. Geschätzt wird vor allem die Flexibilit­ät des Ehrenamts. Pietrek möchte erst einmal klein starten, doch sie hofft: „Vielleicht motiviert das Projekt ja auch, mehr Zeit mit den eigenen Großeltern zu verbringen. Da gibt es oft unglaublic­h viele interessan­te Gespräche und Geschichte­n. Man kann so viel von einander lernen.“

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