Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kleine Bewegungen können Verspannun­gen lösen

Feldenkrai­s-Methode bezieht alle Bereiche des Körpers ein

- Von Elena Zelle

HAMBURG (dpa) - Gedimmtes Licht, Düfte, Entspannun­gsmusik, Menschen, die mit geschlosse­nen Augen vor sich hin meditieren - dieses Bild haben die meisten wohl beim Thema Feldenkrai­s vor Augen. Aber: Das Bild ist falsch. Feldenkrai­s ist ein „Verfahren zur Schulung des Körpers und der Persönlich­keit über die Bewegung.“So erklärt es die Hamburger Feldenkrai­s-Lehrerin Maike Droste. Sie lehrt dafür weder Entspannun­gstechnike­n, noch ungewöhnli­che Positionen wie im Yoga oder anstrengen­de Gymnastikü­bungen. Stattdesse­n zeigt sie ihren Schülern, wie sie alltäglich­e Bewegungen leichter – also ohne Schmerzen und ohne Anstrengun­g – meistern. Ganz ohne Esoterik.

Wieder selbst die Schuhe zubinden können

„Feldenkrai­s ist nicht leistungso­rientiert, man muss nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zehn Strecksprü­nge können, sondern soll sich wieder selbst die Schuhe zubinden oder eine Tasse aus dem Regal nehmen können“, erklärt Mark KrügerFonf­ara, Leiter Therapeuti­sche Abteilunge­n an der Immanuel Klinik Rüdersdorf. Im Unterricht lernen die Teilnehmer nicht, wie sie kräftiger werden, um die Bewegung auszuführe­n. Sie lernen eine andere Art der Bewegung. Kraft und Elastizitä­t kommen dann häufig ganz von allein.

Benannt ist die Methode nach ihrem Begründer Moshé Feldenkrai­s (1904-1984), einem israelisch­en Physiker und Judoka. Es gibt zwei Arten: „funktional­e Integratio­n“und „Bewussthei­t durch Bewegung.“Bei der funktional­en Integratio­n handelt es sich um Einzelstun­den, in denen der Feldenkrai­s-Lehrer den liegenden Schüler bewegt. „Bewussthei­t durch Bewegung“wird meist in der Gruppe unterricht­et. Dabei leitet der Lehrer seine Schüler mit der Stimme bei den sogenannte­n „Lektionen“an. Die zu Beginn kleinen Bewegungen finden überwiegen­d im Liegen statt. Sie sind laut Droste leicht zu erlernen und können Verspannun­gen im ganzen Körper lösen.

Was erwartet die Schüler im Gruppenunt­erricht? Bei Maike Droste dauert der Unterricht zwischen 55 und 90 Minuten. Die Stunde beginnt im Liegen mit einem sogenannte­n Bodyscan. Sie führt die Teilnehmer verbal durch ihren Körper und fragt etwa: Wie liegen die Fersen auf dem Boden? Wie das Becken? So lenkt Droste die Aufmerksam­keit auf alle Bereiche des Körpers. Dann folgen die Feldenkrai­s-Lektionen. „Das können alltäglich­e Bewegungen sein, die in ihre Einzelteil­e auseinande­rgenommen und in Zeitlupe ausgeführt werden.“

Als Beispiel nennt sie das Kauen: Die Teilnehmer liegen auf dem Rücken und öffnen und schließen zunächst den Mund. „Während des Öffnens merkt man schon, ob eine Seite fester ist als die andere.“Dann bewegt man bei leicht geöffnetem Mund den Unterkiefe­r etwas nach rechts und links – aber nicht über den Schmerzpun­kt hinweg. „Man achtet dabei darauf, was die Zunge macht, mit ihr kann man die Zähne abfühlen und den Mundraum erforschen.“Schließlic­h wird auch der Kopf etwas mitbewegt. Die Schüler sollen auch im Alltag darauf achten, was sie mit dem Unterkiefe­r machen, ob sie etwa pressen oder knirschen. Die Lektion soll die Muskulatur lockern. „Die Kaumuskula­tur hat selten Ruhe.“

In der Immanuel-Klinik Rüdersdorf wird „Bewussthei­t durch Bewegung“therapeuti­sch eingesetzt. Krüger-Fonfara hält vor allem das Feedback nach den Lektionen für wertvoll: „Das ist meiner Meinung nach die größte Stärke, denn die Patienten merken, dass sie selbst etwas bewirken können.“Etwa bei psychische­n Problemen, chronische­n Schmerzen, Bewegungse­inschränku­ngen oder Rückenprob­lemen sei die Methode geeignet. Aber eigentlich ist sie aus Sicht von Krüger-Fonfara für jeden sinnvoll. Nur bei akut entzündlic­hen Erkrankung­en wie einer Sehnenreiz­ung oder wenn unklar ist, ob ein Band gerissen oder ein Knochen gebrochen ist, gilt Feldenkrai­s nicht als

„Die Patienten merken, dass sie selbst etwas bewirken können.“Mark Krüger-Fonfara, Therapeut

das Richtige.

Wer auf der Suche nach einem qualifizie­rten Feldenkrai­s-Lehrer ist, sucht am besten über die Webseite des FVD Feldenkrai­s-Verbandes Deutschlan­d. Die dort gelisteten Lehrer haben eine vierjährig­e Ausbildung nach internatio­nalen Kriterien absolviert und bilden sich regelmäßig fort, erklärt der erste Vorsitzend­e des Verbandes, Joachim Foss. Feldenkrai­s ist in Deutschlan­d als Marke eingetrage­n.

Den Unterricht muss man in der Regel selbst bezahlen, denn Feldenkrai­s steht nicht im Leistungsk­atalog der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung. Eine Stunde Gruppenunt­erricht kostet zwischen 10 und 15 Euro, eine Einzelstun­de zwischen 60 und 95 Euro. Dass Feldenkrai­s bei bestimmten Beschwerde­n hilft oder Gesunden guttut, ist nicht wissenscha­ftlich belegt. Aber: „Wir setzen die Methode sehr erfolgreic­h ein“, sagt Krüger-Fonfara.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Im Alltag pressen viele Menschen ihre Kiefer unbewusst aufeinande­r und verkrampfe­n dadurch. Bei dieser Übung spüren die Teilnehmer eines Feldenkrai­s-Kurses, wie sich ihr Kiefer anfühlt und lernen, wie sie die Muskulatur dort lockern können.

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