Seehasenfest: Spanner hatte keinen Diplomatenpass
Mutmaßlicher Täter von Friedrichshafen ist wohl Abgeordneter in Litauen – Er wurde nicht ausreichend überprüft
FRIEDRICHSHAFEN - Überraschende Wendung im Handy-Spanner-Fall auf dem Seehasenfest: Der Verdächtige, der sich als Diplomat ausgegeben haben soll, ist gar keiner. Damit könnte er jetzt doch noch bestraft werden. Warum Polizei und Staatsanwaltschaft dem Mann zunächst Glauben schenkten, wird noch ermittelt.
„Der Mann ist kein Diplomat im strengen Sinn“, sagte Wolfgang Angster, Sprecher der Staatsanwaltschaft Ravensburg, am Dienstagmorgen im SZ-Gespräch. Der beschuldigte 56 Jahre alte Politiker soll einer 26 Jahre alten Frau am Sonntag auf dem Seehasenfest mit einem Handy unter den Rock gefilmt oder fotografiert haben. Die Frau alarmierte daraufhin die Polizei.
Bei einer Kontrolle kurz nach der mutmaßlichen Tat wurde der Beschuldigte dann aber ohne weitere Konsequenzen laufen gelassen. Der Grund: Der Mann gab an, er genieße als Parlamentsabgeordneter eines baltischen EU-Landes – nach SZ-Informationen handelt es sich um Litauen – Immunität gegen Strafverfolgung. Daraufhin wurden die weiteren Ermittlungen seitens der Polizei wohl eingestellt, nachdem man sich entsprechend bei einem Bereitsschaftsstaatsanwalt rückversichert habe.
Wie ein Polizeisprecher jetzt einräumte, konnte der Mann aber offenbar zu keinem Zeitpunkt einen Diplomatenpass vorweisen. Man habe darauf vertraut, so der Sprecher, dass Abgeordnete grundsätzlich Immunität genießen würden. „Möglicherweise wurde da nicht zu 100 Prozent alles richtig gemacht“, sagte er später.
Klare Regeln
Der Status diplomatischer oder anderweitiger Immunität des Mannes hat sich damit erst im Nachhinein als unwahr herausgestellt: „Die Immunitätsregelung greift hier nicht“, so Staatsanwalt Angster. Es handle sich bei dem Beschuldigten zwar um einen Abgeordneten eines anderen Staats. Doch in Deutschland sei er ohne diplomatischen Auftrag und damit ohne den besonderen Schutz vor Strafverfolgung unterwegs gewesen. Deshalb soll es jetzt doch Ermittlungen geben und dabei analysiert werden, ob und wie der Mann zur Rechenschaft gezogen werden könne.
„Wir werden prüfen, ob es eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit war“, sagt Angster. Auf jeden Fall sei die Tat des 56-Jährigen „nicht tolerabel“. Die Ermittlungen sollen anlaufen, sobald eine Anzeige der Polizei vorliege. Außerdem wurden die Bilder, die der Mann mehr oder weniger heimlich von der 26-Jährigen gemacht haben soll, bei der Kontrolle wohl gelöscht.
Bestrafung im Ausland?
Auf Nachfrage sagte nun der Polizeisprecher, man wolle bei den Beamten künftig klare Regeln vorgeben, wie bei Straftaten durch mutmaßliche Diplomaten vorzugehen sei und wie deren Status in Zukunft sicher geprüft werden könne.
Für die Staatsanwaltschaft dürfte sich darüber hinaus die Frage stellen, ob der Beschuldigte, dessen Aufenthaltsort derzeit nicht bekannt ist, überhaupt noch belangt werden kann. In seinem Herkunftsstaat ist er laut Staatsanwaltschaft zwar nicht vor Bestrafung sicher – doch leichter wird die Ahndung der Tat im Ausland gewiss nicht.
Auch ist noch unklar, was für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit dem Beschuldigten letztlich zur Last gelegt werden kann. Denn unter den juristischen Begriff der „sexuellen Belästigung“fällt das Handyfilmen unter den Rock derzeit nicht. Dafür hätte der Täter die Frau anfassen müssen. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft käme nun auch eine „Beleidigung“oder „grob ungehörige Handlung“in Betracht.