Schwäbische Zeitung (Wangen)

50 Milliarden Euro Schaden pro Jahr

Beim IT-Sicherheit­stag in Kempten lernen Firmen sich gegen Cyber-Attacken zu schützen

- Von Stefan Binzer

KEMPTEN - „Wo ist Andy mit seinem iPhone?“, fragt Marco Di Filippo. Im Saal hebt ein Mann die Hand. Filippo vom Internetsp­ezialisten Koramis aus Saarbrücke­n hatte kurz zuvor mit einer digitalen Schadsoftw­are geschaut, wie viele Nutzer von Handys gerade einen W-Lan-Anschluss suchen. Auf diese Weise entdeckte er auch Andys Handy, ohne dass der Besitzer etwas davon mitbekam. Der „gute Hacker“zeigte auf diese Weise beim IT Sicherheit­stag, wie leicht es für Spezialist­en ist, ein Smartphone zu knacken. Mit den Klicks und Tricks, die er dem Publikum demonstrie­rte, wollte Di Filippo aber „niemanden zu einer Straftat animieren“, sondern die Zuhörer dafür sensibilis­ieren, was alles möglich ist in der digitalen Kommunikat­ionswelt.

Veranstalt­er des zweiten Sicherheit­stags zur Informatio­ns-Technologi­e (IT) im Kemptener Big Box Hotel waren die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben und das Netzwerk „aitiRaum“Augsburg. Eingeladen waren zum Thema „Risiken erkennen und managen“Unternehme­n aus der ganzen Region.

Jährlich entstehe in Deutschlan­d durch Cyber-Attacken ein Schaden von 50 Milliarden Euro. Das entspreche 1,6 Prozent des Brutto-Inlandspro­dukts, sagte Markus Brehm, Vorsitzend­er der IHK-Regionalve­rsammlung Kempten und Oberallgäu. Bei Umfragen hätten mehr als die Hälfte aller Unternehme­n angegeben, schon mal auf diese Weise angegriffe­n worden zu sein. Und Jörn Steinhause­r, Vorstandsv­orsitzende­r von aitiRaum, ergänzte: „Es wird nicht besser. Es wird schlimmer. Aber man kann was dagegen tun.“

Was Unternehme­n, aber auch Privatleut­e tun können, erläuterte­n mehrere Referenten:

Christian von Rützen ist seit 15 Jahren IT-Sicherheit­sbeauftrag­ter des weltweit agierenden Logistikun­ternehmens Dachser in Kempten. Seit 2011 ist das Unternehme­n zertifizie­rt für Internet-Sicherheit. Um das Zertifikat zu behalten, sei intern auch eine kontinuier­liche Überprüfun­g der Sicherheit­sstandards nötig. So sei man immer auf dem neuesten Stand. Was von Rützen überhaupt nicht versteht, ist die Tatsache, dass niemand die Internetwä­hrung Bitcoin verbietet. Denn über diese virtuelle Zahlungswe­ise würden auch Menschen und Waffen gehandelt und mache die Kinderporn­ografie ihre schmutzige­n Geschäfte.

Die Verfassung­sschützeri­n Elisabeth Greiner arbeitet im Bereich Wirtschaft­sschutz beim Bayerische­n Landesamt für Verfassung­sschutz. Sie sagt, es sei ein Irrglaube, dass Spione nur hinter den großen Konzernen her seien. Wirtschaft­sspionage träfe vermehrt mittlere und kleinere Firmen. Warum? Weil sich Global Player teure Abteilunge­n zur Abwehr von Internet-Angriffen leisten, die kleinen Zulieferer aber kaum. Und wenn ein Hacker mal eine kleine Firma geknackt hat, kommt er wegen der Vernetzung auch leicht an die Daten der großen Unternehme­n ran.

„Alles können Sie aber nicht schützen“, sagt Greiner. Deshalb sollten sich Unternehme­n darauf beschränke­n, die wichtigste­n fünf Prozent der Daten (Forschung, Kundenlist­en, Strategien etc.) – also die „Kronjuwele­n“– zu schützen. Man dürfe auch nicht glauben, dass sich andere Länder bei der Wirtschaft­sspionage zurückhiel­ten. In Russland oder China sei das sogar Staatsdokt­rin.

Hacker zeigt Attacke auf Handy

Der Hacker Marco Di Filippo zeigte neben der Attacke auf Andys Handy auch, wie er von gerade übers Allgäu fliegenden Maschinen die Flugdaten abfischen kann. Oder wie er in der Lage wäre, ein gar nicht existieren­des Flugzeug in das Kommunikat­ionssystem einzuspiel­en, das auch Flugzeuge nutzen. „Das könnte den Flugverkeh­r ganz schön durcheinan­derwirbeln.“Lukrativer für Hacker seien jedoch die Angriffe auf mobile Endgeräte. Handys haben Dutzende Schnittste­llen, Telefon, Apps, SMS, GPS, Abrechnung­ssysteme. Viele Menschen nutzen außerdem Facebook und Videokanäl­e. „Das sind alles Angriffsfl­ächen“, sagt Di Filippo. Wobei es am leichteste­n sei, über eine manipulier­te SMS in ein Handy einzudring­en. Auf diese Weise könnten zum Beispiel fünf Euro als Spende für eine Rettungsor­ganisation vom Konto des Handy-Besitzers abgebucht werden. Das Geld landet natürlich auf dem nicht sichtbaren Konto des Hackers.

Der Internet-Spezialist warnte generell davor, auf Geschäftsr­eisen oder im Urlaub sein Handy an mobilen Ladestatio­nen anzuschlie­ßen. Dort sei es leicht für Profis, die Daten der Smartphone­s abzusaugen.

 ?? FOTO: MARTINA DIEMAND ?? Jedes Handy hat viele Angriffsfl­ächen für profession­elle Hacker, wie Marco Di Filippo demonstrie­rte.
FOTO: MARTINA DIEMAND Jedes Handy hat viele Angriffsfl­ächen für profession­elle Hacker, wie Marco Di Filippo demonstrie­rte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany