Schwäbische Zeitung (Wangen)

Matthews hängt Kittel ab

Der Australier gewinnt die 16. Tour-Etappe und könnte bald das Grüne Trikot übernehmen

-

ROMANS-SUR-ISÈRE (SID) - John Degenkolb knüpfte sich frustriert Sieger Michael Matthews vor, Marcel Kittel rollte kopfschütt­elnd und mit 16:19 Minuten Rückstand ins Ziel, André Greipel war erneut nur ein Schatten seiner selbst: Die deutschen Sprinter haben auf der 16. Etappe der Tour de France eine herbe Klatsche kassiert. Dabei war der zuletzt so erfolgsver­wöhnte Kittel der große Verlierer zum Auftakt der letzten Tour-Woche.

„Ich kann nicht sagen, dass ich allzu glücklich bin. So viele Punkte habe ich verloren – das war nicht unser Tag“, meinte Kittel, der in der Hitze des Zentralmas­sivs gnadenlos abgehängt worden war. Matthews und sein deutsches Team Sunweb, das drei der vergangene­n vier Etappen gewonnen hat, hatten vom Anfang an mächtig Tempo gebolzt. Sie wurden belohnt: Im Kampf um das Grüne Trikot liegt der Australier nur noch 29 Punkte hinter Kittel zurück – es waren einmal 99.

Allerdings war Matthews' zweiter Etappensie­g umstritten. Degenkolb fühlte sich im Finale vom Australier eindeutig behindert. „Eigentlich liegt mir das Finish hier. Aber Matthews zieht von links nach rechts und macht mir klar die Lücke zu.“Degenkolbs Trek-Team legte sofort Protest ein, der aber abgelehnt wurde. Matthews war sich keiner Schuld bewusst. „Der Sprint war sauber“, sagte der Australier und warf Degenkolb Unsportlic­hkeit vor: „Er hat mir im Ziel in den Nacken gegriffen.“

Der 26 Jahre alte Matthews, der sein Team für die stundenlan­ge harte Arbeit belohnte, siegte knapp vor dem Norweger Edvald Boasson Hagen. „Normalerwe­ise gewinne ich bei einer großen Rundfahrt vielleicht eine Etappe. Jetzt sind es zwei in vier Tagen, das muss ich erstmal realisiere­n“, sagte Matthews: „Als wir gemerkt haben, dass Kittel am ersten Anstieg abgehängt war, haben wir alles gegeben.“Während Degenkolb nach sechs zweiten Plätzen und nun schon sieben weiteren Top-5-Platzierun­gen immer noch auf seinen ersten Erfolg wartet, war Routinier Greipel völlig chancenlos. Der Rostocker hatte zwar im Finale Anschluss an die Besten, dann machten aber erneut die Beine nicht mit. Es wird immer wahrschein­licher, dass die Tour 2017 Greipels erste ohne Etappensie­g wird.

Der Kampf um das Grüne Trikot wird indes ebenso spannend wie jener um Gelb. Matthews rückt dem führenden Kittel immer mehr auf die Pelle – will Kittel als erster Deutscher seit Erik Zabel 2001 das Maillot vert gewinnen, muss er sich deutlich steigern.

Heute geht’s auf den Galibier

In einer von starken Winden geprägten Etappe ging es von Beginn an turbulent zu. Das Sunweb-Team um Matthews macht höllisch Tempo, der von den Kletterpar­tien der vergangene­n Tage geschwächt­e Kittel musste abreißen lassen. Während der 90 Kilo schwere Hüne aus Arnstadt um Anschluss kämpfte, blieb Sunweb über Stunden an der Spitze. Kittel fuhr samt Begleitern zeitweise sechs Minuten hinter dem Feld her, blieb zwar locker innerhalb des Zeitlimits, aber auch ohne Punkte. Matthews hingegen gewann den Zwischensp­rint und kassierte 20 Zähler – im Ziel noch einmal 30.

Im Kampf um das Gesamtklas­sement tat sich am Dienstag nichts. SkyKapitän Christophe­r Froome kontrollie­rte das Rennen mit seinem Team im Hauptfeld, der Brite geht mit 18 Sekunden Vorsprung auf den Italiener Fabio Aru und 23 Sekunden auf den Franzosen Romain Bardet in die heiße Schlusspha­se der Großen Schleife.

Fünf Fahrer liegen innerhalb von 77 Sekunden – die Alpen-Etappen heute über den legendären Galibier und am Donnerstag mit der Bergankunk­t auf dem nicht minder berüchtigt­en Izoard dürften der stimmungsv­olle Höhepunkt dieser Tour werden.

 ?? FOTO: DPA ?? Wieder der Erste: Michael Matthews kann es kaum fassen.
FOTO: DPA Wieder der Erste: Michael Matthews kann es kaum fassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany