Schwäbische Zeitung (Wangen)

Royale Brexit-Diplomatie

Elisabeth Stuart zog 1613 mit ihrem Ehemann, dem Kurfürsten von der Pfalz, ins Schloss über dem Neckar

- Von Jürgen Berger

Hände sagen manchmal mehr als Worte (Foto: imago): Am Mittwoch empfing Bundeskanz­lerin Angela Merkel die britischen Royals in Berlin. Heute werden Prinz William und seine Frau Kate in Heidelberg erwartet. Das Paar ist auf dem Kontinent unterwegs, um dem negativen Image der Brexit-Briten entgegenzu­steuern. Am Neckar sind William und Kate aber nicht das erste fürstliche Traumpaar von der Insel. 1613 besuchte Elisabeth Stuart mit ihrem Gatten Friedrich V., dem Grafen zur Pfalz, die Stadt.

HEIDELBERG - Heute absolviere­n Kate und William in der Kurpfalz ein ziemlich straffes Programm. Da kann Theresa May, deren Amtszeit als britische Premiermin­isterin unter Umständen keine allzu lange gewesen sein wird, noch so missmutig in die Welt blicken: In Heidelberg zeigen die Royals, wie nahe Britannien und das restliche Europa sich schon immer standen. Doch schon einmal hat es eine englische Prinzessin nach Heidelberg geschafft: Elisabeth Stuart zog mit ihrem Ehemann, dem Kurfürsten von der Pfalz, 1613 ins Schloss überm Neckar. Auch sie ein Traumpaar ihrer Zeit.

Eine Liebesheir­at – trotz Kalkül

Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz und Elisabeth Stuart waren fünfzehn, als sie am 14. Februar 1613 in London den Bund fürs Leben schlossen. Es war der Wille von Elisabeths Vater, dem damaligen englisch-schottisch­en König. Und welch ein Zufall! Das politische Kalkül des Herrn Papa entsprach der Herzensnei­gung der Prinzessin und des Kurfürsten. Die, so wird berichtet, hatten sich tatsächlic­h richtig lieb. Ein Ergebnis waren 13 Kinder.

Elisabeth und Friedrich lebten wie Kate und William in bewegten Zeiten. Der Riss ging quer durch die Fürstentüm­er und Stände. Die Frage war: katholisch oder evangelisc­h? Das britische Königshaus jedenfalls wollte mit der Heirat der englischen Prinzessin und des Heidelberg­er Kurfürsten eine calvinisti­sche Bastion auf dem Kontinent errichten. 1619 wählten die protestant­ischen Stände in Prag Friedrich V. dann auch tatsächlic­h zum König von Böhmen. Das war er aber nur einen Winter lang. Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, vertrieb den Winterköni­g vom Thron und sorgte für eine Rekatholis­ierung Böhmens. Der Dreißigjäh­rige Krieg begann. Elisabeth und Friedrich V. blieb nur das Exil in den Niederland­en.

Einige Jahre davor, als sie nach der Hochzeit in Richtung Heidelberg aufbrachen, war das alles noch prickelnde­r. Zu Elisabeths Entourage gehörten der Landschaft­sarchitekt Salomon de Caus und die King’s Men, Shakespear­es royale Theatertru­ppe. In Heidelberg angekommen wurde sofort letzte Hand an das angelegt, was heute noch oben am Berg zu sehen ist. Der Landschaft­sarchitekt plante den Schlossgar­ten (Hortus Palatinus), Friedrich ließ einen neuen Schlossflü­gel (Englischer Bau) errichten und Elisabeth im sogenannte­n Dicken Turm ein Theater einrichten. Die Bühnenkuns­t hat die Jahrhunder­te überdauert. Im Dicken Turm wird am Ende der Saison während der Heidelberg­er Schlossfes­tspiele immer noch gespielt, heuer auf dem Programm: Cole Porters Musical „Kiss me, Kate“nach Shakespear­es „Der Widerspens­tigen Zähmung“. 1613 ging es im Schloss ebenfalls um Shakespear­e. Die King’s Men spielten drei Monate en suite „Der Sturm“, das Alterswerk des Meisters. Und der, so wird gemunkelt, soll auch selbst mit dabei gewesen sein. Wie dem auch sei!

Sollten Kate und William heute vielleicht doch Zeit für einen kurzen Blick hoch zum Schloss haben, fällt ihnen unter Umständen wieder ein, was in irgendeine­m Dossier des Kensington Palastes erwähnt sein dürfte. Elisabeth Stuart war nicht nur die Enkelin von Maria Stuart, der Friedrich Schiller ein Königinnen­drama widmen sollte. Aufgrund ihrer großen Kinderscha­r und eines 1701 vom britischen Parlament erlassenen Act of Settlement ist Elisabeth auch die Stammmutte­r der späteren Königinnen und Könige von England.

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FOTO: AFP Royaler Besuch in Berlin: Angela Merkel traf sich in Berlin mit Prinz William und seiner Frau Kate. Europapoli­tik stand auf der Tagesordnu­ng, doch ob das Paar mit der Bundeskanz­lerin über den anstehende­n EU-Austritt der Briten sprach, wurde nicht...
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FOTOS (2): WIKICOMMON­S Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, und Elisabeth Stuart residierte­n in Heidelberg und begannen, das Schloss zu einer eleganten Residenz umzubauen – mit Park und Theater. Viel Zeit hatten sie nicht dafür. 1620 mussten sie ins Exil.
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