Die Politik lässt sich treiben
Es ist ein Trauerspiel, und es dauert schon seit Jahren an. Bei der geltenden Rechtslage ist klar: Viele Großstädte in Deutschland hatten und haben ein Problem mit Schadstoffen. Stuttgart trifft es wegen seiner Kessellage besonders hart. Mehrere Gerichte haben die Verantwortlichen deshalb immer wieder verpflichtet, tätig zu werden.
Nach der Verhandlung am Mittwoch muss sich die Landesregierung auf eine weitere Niederlage einstellen. Unverhohlen kritisierte der Richter immer wieder, es fehle an konkreten Antworten auf das Schadstoff-Problem. Dabei kassiert nun das federführende Verkehrsministerium im Gerichtssaal jene Prügel, die eigentlich auch sehr viele Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker verdient hätten. Die Politik hat sich in Spielchen verstrickt, und das fällt ihr jetzt auf die Füße.
Denn klar ist auch: Fahrverbote in Innenstädten sind nicht sinnvoll. Ob der ohnehin stark belastete öffentliche Nahverkehr in Stuttgart diese überhaupt verkraften würde, ist fraglich. Wer Verbote fordert, argumentiert ideologisch statt pragmatisch. Die beste Lösung wäre eine blaue Plakette, die – nach einer angemessenen Übergangsfrist – nur sauberen Fahrzeugen die Einfahrt in belastete Zonen erlaubt. Die Plakette aber blockiert die Bundesregierung, allen voran Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
Ebenso haben es Politiker in Bund und Ländern aus Rücksicht auf die mächtige Autolobby zu lange versäumt, von der Industrie Fortschritte beim Schadstoffausstoß zu fordern. Wäre der Dieselskandal nicht öffentlich geworden, man würde die Branche noch immer mit Samthandschuhen anfassen. Selbst dort fehlt Druck, um Nachrüstungen durchzusetzen.
Aber auch die Grünen haben ihren Anteil an der Misere. Die seit Jahren grün geführte Stadt Stuttgart und das grün mitregierte Land haben viel zu spät begonnen, an realistischen Lösungen zu arbeiten. Lange setzte man auf die blaue Plakette, die aber unter Schwarz-Rot im Bund stets eine Utopie war. Jetzt lässt man sich erneut von einem Gericht treiben. Handlungsfähigkeit sieht anders aus.