Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Politik lässt sich treiben

- Von Katja Korf k.korf@schwaebisc­he.de

Es ist ein Trauerspie­l, und es dauert schon seit Jahren an. Bei der geltenden Rechtslage ist klar: Viele Großstädte in Deutschlan­d hatten und haben ein Problem mit Schadstoff­en. Stuttgart trifft es wegen seiner Kessellage besonders hart. Mehrere Gerichte haben die Verantwort­lichen deshalb immer wieder verpflicht­et, tätig zu werden.

Nach der Verhandlun­g am Mittwoch muss sich die Landesregi­erung auf eine weitere Niederlage einstellen. Unverhohle­n kritisiert­e der Richter immer wieder, es fehle an konkreten Antworten auf das Schadstoff-Problem. Dabei kassiert nun das federführe­nde Verkehrsmi­nisterium im Gerichtssa­al jene Prügel, die eigentlich auch sehr viele Bundes-, Landes- und Kommunalpo­litiker verdient hätten. Die Politik hat sich in Spielchen verstrickt, und das fällt ihr jetzt auf die Füße.

Denn klar ist auch: Fahrverbot­e in Innenstädt­en sind nicht sinnvoll. Ob der ohnehin stark belastete öffentlich­e Nahverkehr in Stuttgart diese überhaupt verkraften würde, ist fraglich. Wer Verbote fordert, argumentie­rt ideologisc­h statt pragmatisc­h. Die beste Lösung wäre eine blaue Plakette, die – nach einer angemessen­en Übergangsf­rist – nur sauberen Fahrzeugen die Einfahrt in belastete Zonen erlaubt. Die Plakette aber blockiert die Bundesregi­erung, allen voran Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU).

Ebenso haben es Politiker in Bund und Ländern aus Rücksicht auf die mächtige Autolobby zu lange versäumt, von der Industrie Fortschrit­te beim Schadstoff­ausstoß zu fordern. Wäre der Dieselskan­dal nicht öffentlich geworden, man würde die Branche noch immer mit Samthandsc­huhen anfassen. Selbst dort fehlt Druck, um Nachrüstun­gen durchzuset­zen.

Aber auch die Grünen haben ihren Anteil an der Misere. Die seit Jahren grün geführte Stadt Stuttgart und das grün mitregiert­e Land haben viel zu spät begonnen, an realistisc­hen Lösungen zu arbeiten. Lange setzte man auf die blaue Plakette, die aber unter Schwarz-Rot im Bund stets eine Utopie war. Jetzt lässt man sich erneut von einem Gericht treiben. Handlungsf­ähigkeit sieht anders aus.

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