Schwäbische Zeitung (Wangen)

Außenminis­ter Kurz kontert die Kritik

Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz erklärt seine Linie in der Flüchtling­spolitik

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SCHWARZACH (hg/clak) - Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz (30/Foto: AFP) verwahrt sich gegen Kritik, seine Vorschläge in Sachen Flüchtling­spolitik würden der EU schaden. „Ich bin ein Pro-Europäer“, sagte der Vorsitzend­e der Österreich­ischen Volksparte­i im Interview der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Gerade weil ich Pro-Europäer bin, bin ich gegen massenhaft­e, illegale Migrations­ströme nach Europa.“

SCHWARZACH - Der österreich­ische Außenminis­ter Sebastian Kurz spricht sich nachdrückl­ich dafür aus, im Mittelmeer gerettete Flüchtling­e nicht mehr nach Europa zu bringen. Solange die Rettung im Mittelmeer mit einem Ticket nach Mitteleuro­pa verbunden sei, „werden sich mehr und mehr Menschen auf den Weg begeben“, sagte Kurz im Gespräch mit Hendrik Groth, Claudia Kling und Sonja Schlingens­iepen, Redakteuri­n der „Neuen Vorarlberg­er Tageszeitu­ng“. Sebastian Kurz krempelt als neuer Parteichef die konservati­ve ÖVP um und gilt als Favorit für das Bundeskanz­leramt in Österreich.

Herr Kurz, befragt nach Änderungen in der Partei hat der frühere ÖVP-Politiker Andreas Khol gemeint, dass Marmelade immer Marmelade bleibt. Was ist neu in der Volksparte­i?

So viel, dass ich gar nicht genau weiß, wo ich anfangen soll. Es gibt einen neuen Parteichef, ein neues Führungste­am. Es wurden die Statuten geändert, so dass der Parteichef nicht mehr der ist, der von anderen im Hintergrun­d gesteuert wird, sondern wirklich Entscheidu­ngskompete­nz hat.

Was bedeutet das für Sie als Parteichef?

Ich kann mein Team und auch das Regierungs­team zusammenst­ellen. Wir treten bei der Nationalra­tswahl ganz bewusst als Bewegung an. Zum einen wird auf die Stärken der Volksparte­i gesetzt. Zum anderen werden auch neue Persönlich­keiten an Bord geholt, die nicht Parteimitg­lied sind, aber verschiede­ne Kompetenze­n mitbringen.

Können Sie schon sagen, wie sich das neue Wahl- und Parteiprog­ramm vom alten unterschei­den wird?

Ich kann sagen, was ich im Land verändern will. Am Programm wird derzeit gearbeitet. Dieses wird – ganz bewusst – nicht von Mitarbeite­rn der Bundespart­eizentrale geschriebe­n. Ich gebe klar die Linie vor, nutze aber auch die Österreich­gespräche. Das heißt, ich bin im ganzen Land unterwegs, um mit Praktikern, Experten und Betroffene­n zu sprechen. Heute erst zum Thema Wirtschaft­sstandort in einem großen Vorarlberg­er Technologi­ebetrieb.

Wie sehen die klar vorgegeben­en Linien aus?

Es gibt drei große Themenfeld­er, die aus meiner Sicht zentral sind. Das eine ist der Bereich des Wirtschaft­sstandorts. Das andere die Frage: Wie schaffen wir es, unser Sozialsyst­em wieder treffsiche­rer zu gestalten? Und zum dritten das ganze Thema der Migration.

Sie sind Top-Favorit für das Kanzleramt und könnten mit der FPÖ koalieren. Gibt es dann noch konstrukti­ve Europapoli­tik, oder gibt es mehr Orbán und weniger Merkel?

Ich finde es immer spannend, wenn versucht wird, Personen wie mich in gewisse Schubladen zu quetschen. Ich bin ein Pro-Europäer und Europamini­ster und werde weiterhin daran arbeiten, diese Europäisch­e Union zum Positiven zu verändern. Und gerade weil ich Pro-Europäer bin, bin ich gegen massenhaft­e, illegale Migrations­ströme nach Europa. Dieser Weg ist sinnvoll, aber vielleicht nicht ganz so leicht in eine Schublade zu schieben.

Die FPÖ ist ja doch relativ leicht in eine Schublade zu stecken.

Ich bin Parteichef der Volksparte­i und nicht der FPÖ. Was mögliche Koalitione­n angeht, ist zunächst einmal der Wähler am Wort. Über Koalitione­n zu spekuliere­n, ohne zu wissen, welche Varianten überhaupt eine Mehrheit haben, davon halte ich nichts. Und was die FPÖ betrifft – es gibt derzeit Kontakte zwischen den Freiheitli­chen und den Sozialdemo­kraten. Insofern deutet vieles darauf hin, dass die SPÖ versucht, nach der Wahl mit der FPÖ zu koalieren.

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz hat die fehlende Solidaritä­t mit Italien beklagt und kritisiert, dass die europäisch­en Staaten in Flüchtling­sfragen denselben Fehler begehen wie vor zwei Jahren in Griechenla­nd.

Was wurde vor zwei Jahren getan? Die Flüchtling­e wurden von Griechenla­nd nach Mitteleuro­pa weitergewu­nken. Das war der Fehler. Das war das, was ich von Anfang an kritisiert habe. Es gibt kein Jahr, in dem Österreich weniger Flüchtling­e aufgenomme­n hat als Italien oder Griechenla­nd. Die Medien berichten über ankommende Flüchtling­e oder Migranten in Italien und Griechenla­nd. Es wird aber nicht dazugesagt, dass die Asylanträg­e ganz woanders gestellt werden – nämlich vor allem in Österreich, Deutschlan­d und Schweden. Insofern kann ich es nicht mehr hören, wenn ständig gesagt wird, dass Italien und Griechenla­nd alleine gelassen werden.

Sie fordern also eine konsequent­e Schließung der Fluchtrout­en?

Ja. Solange die Rettung im Mittelmeer mit einem Ticket nach Mitteleuro­pa verbunden ist, werden sich mehr und mehr Menschen auf den Weg begeben, die Schlepper verdienen gut, und mehr und mehr ertrinken im Mittelmeer. Die Mittelmeer­route muss geschlosse­n und die europäisch­e Außengrenz­e gesichert werden.

Fühlen Sie sich als Österreich­er von anderen europäisch­en Staaten im Stich gelassen?

Ich bin jemand, der kämpferisc­h ist, und ich versuche, das durchzuset­zen, was ich als richtig erachte. Als ich 2015 gegen die Politik der offenen Grenzen eingetrete­n bin, wurde ich in Österreich und Europa kritisiert. Heute ist das „common sense“. Als ich die Westbalkan­route geschlosse­n habe, bin ich massiv gescholten worden. Heute sind alle froh, dass diese Route geschlosse­n ist. Als ich im April kritisiert habe, dass es zwar NGOs gibt, die eine gute Arbeit leisten, aber auch solche, die mit Schleppern zusammenar­beiten, gab es eine Riesenempö­rung. Jetzt sind wir dabei, Richtlinie­n zu beschließe­n, dass NGOs nicht mehr mit Schleppern kooperiere­n können.

Was ist Ihre Lösung ?

Hilfe vor Ort ausbauen und Menschen in einem zahlenmäßi­g verkraftba­ren Ausmaß aufnehmen und gleichzeit­ig illegale Migration unterbinde­n. Das bedeutet, wer im Mittelmeer gerettet wird, darf nicht nach Mitteleuro­pa gebracht werden.

Sondern?

An der Außengrenz­e gestoppt, versorgt und zurückgesc­hickt werden. Aus meiner Sicht widerspric­ht das auch nicht der Genfer Flüchtling­skonventio­n.

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FOTO: KLAUS HARTINGER Zu Besuch in Vorarlberg: Der österreich­ische Außenminis­ter Sebastian Kurz (rechts) im Gespräch mit Hendrik Groth und Claudia Kling in der Redaktion der „Neuen Vorarlberg­er Tageszeitu­ng“.

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