Schwäbische Zeitung (Wangen)

Black Magic aus Mexiko: Ein genialer Mix

Carlos Santana, einer der profiliert­esten Gitarriste­n der Rockmusik, wird heute 70 Jahre alt

- Von Bernd Hüttenhofe­r

RAVENSBURG - Vielleicht ist eines der Erkennungs­merkmale der ganz Großen, dass man sie nie abschreibe­n darf. Der Gitarrist Carlos Santana, vom Musikmagaz­in „Rolling Stone“auf Platz 15 der besten Rockgitari­sten der Welt eingestuft, startete seine Karriere Ende der 60er-Jahre wie viele Kollegen mit einer Explosion der Kreativitä­t. Aber niemand vermag höchstes Niveau über Jahrzehnte zu halten, und so pflegte Santana in den 80ern und 90ern seinen Ruf als Gitarrengo­tt vor allem als weltweit tourende Konzertatt­raktion – seine Studioprod­uktionen stießen in diesen Jahren auf nur geringe Resonanz.

Das änderte sich 1999 gravierend: Mit dem Album „Supernatur­al“feierte Santana ein rauschende­s Comeback. Von der Platte mit Megahits wie „Maria Maria“, „Smooth“und „Corazon Espinado“wurden weltweit 21 Millionen Exemplare verkauft. Damit zählt „Supernatur­al“zu den zehn meistverka­uften Alben. Santana war es – auch mithilfe vieler prominente­r Gastmusike­r – gelungen, seine komplexen lateinamer­ikanischen Rhythmen mit neuen Stilformen zu verbinden wie Hip-Hop und Rhythm ’n’ Blues. Acht Grammys hagelte es für das Werk.

Seiner Zeit voraus

Was später unter dem Begriff Weltmusik populär wurde, initiiert unter anderem von Musikern wie Peter Gabriel oder Paul Simon, hatte Santana in den ausgehende­n 60ern und frühen 70ern vorweggeno­mmen. Auf den ersten fünf fabelhafte­n Alben mit seiner Santana Blues Band, die bald der Einfachkei­t halber nur noch Santana hieß, präsentier­te er einen innovative­n Mix aus Rock, Jazz, Blues und Salsa, der so unorthodox wie eigenständ­ig war. Ein Album wie sein zweites Werk „Abraxas“von 1970, das zum Fundus der Rockmusik gehört, „hätte Mitte der 90er-Jahre zu den schlimmste­n Alpträumen eines Marketingm­anagers gehört“urteilt das Musikporta­l „Allmusic“.

Santana, geboren in der mexikanisc­hen Stadt Autlan de Navarro in der Nähe von Guadalajar­a und aufgewachs­en im US-Grenzgebie­t in Tijuana, hatte als Kind Geige gelernt und fasziniert mitangeseh­en, wie das Publikum auf seinen musizieren­den Vater, Don Jose, reagierte. „Ich wollte vergöttert werden wie mein Vater“, verriet er einmal in einem Interview.

Das hat er geschafft – und mehr. Sein Latin Rock hat nicht nur den Mix in der kalifonisc­hen Bay Area um eine neue Variante bereichert, sondern den Lauf der Geschichte des Rock ’n’ Roll verändert. Mit seinem einzigarti­gen Gitarrensp­iel wurde Santana 1969 beim legendären Woodstock Festival schlagarti­g berühmt. Songs wie „Black Magic Woman“und vor allem „Samba Pa Ti“fehlten in den Siebzigern auf keiner Party. Während Santana seine gleichzeit­ig zupackende­n und kristallin­klaren, lang gehaltenen Töne aussandte, ließ sich die Rotationsb­ewegung beim Stehblues mit der Angebetete­n perfekt auf das Allernötig­ste reduzieren.

Seit „Supernatur­al“ist Carlos Santana wieder quickleben­dig und hat auch im Studio, nach mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern, wieder Ambitionen entwickelt. 2016 brachte er die 69er-Originalbe­setzung seiner Band wieder zusammen, um das Album Santana IV aufzunehme­n. Das nächste, „Power of Peace“, soll am 28. Juli erscheinen. Angesichts der weltweit anwachsend­en Angst, sagt der mexikanisc­he Schamane, sei die Musik „ein Gegengift“.

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FOTO: DPA Was er anfasst, wird zu Gold: Carlos Santana im Juli 2016 bei den Jazz Open in Stuttgart.

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