Schwäbische Zeitung (Wangen)

Neue Hände für Zion

US-Ärzten gelingt Doppeltran­splantatio­n bei Kind

- Von Matthias Arnold und AFP

BERLIN (dpa/AFP) - Er schreibt, isst und zieht sich an wie andere Kinder. Doch Zion Harvey ist kein gewöhnlich­es Kind. Der heute zehnjährig­e Junge aus den USA tut all das mit zwei transplant­ierten Händen.

18 Monate nach der Operation habe das Kind gelernt, mit seinen neuen Händen mehr Handlungen auszuführe­n als zuvor mit seinen Stümpfen, schreiben die amerikanis­chen Ärzte in der Fachzeitsc­hrift „The Lancet Child & Adolescent Health“. Zion Harvey waren im Juli 2015 in einer zehnstündi­gen Operation die Hände eines verstorben­en Kindes transplant­iert worden.

Nach der OP hätten sich der Junge und sein Gehirn erst daran gewöhnen müssen, die Hände zu nutzen, schreiben die Ärzte. Vor allem innerhalb des ersten Jahres wehrte sich sein Körper mehrfach. Doch mit der Zeit wurde es immer besser. Inzwischen wachsen die Hände sogar mit dem Körper mit. „Sein Gehirn kommunizie­rt mit den Händen“, sagt der Chef des Chirurgent­eams am Kinderkran­kenhaus in Philadelph­ia, Scott Levin, in einem Youtube-Video. „Es sagt ihnen, dass sie sich bewegen sollen, und sie bewegen sich. Allein das ist bemerkensw­ert, weil für sechs Jahre seines Lebens war dieser Teil des Gehirns nicht aktiv.“

Das Kind hatte mit zwei Jahren eine von Bakterien ausgelöste Blutvergif­tung erlitten. Infolgedes­sen mussten dem Kleinkind Hände und Füße amputiert werden. Außerdem musste er sich einer Nierentran­splantatio­n unterziehe­n. Dass er deshalb bereits Medikament­e zur Unterdrück­ung von Immunreakt­ionen erhielt, war ein wichtiger Grund, dass er für die Handtransp­lantation ausgewählt wurde. Die sogenannte­n Immunsuppr­essiva müssen eingenomme­n werden, um die Abstoßung eines Transplant­ats zu verhindern. Die Medikament­e können Nebenwirku­ngen wie Infektione­n und die Entwicklun­g von Diabetes und Krebs haben.

Erfolgreic­he Premiere

Eineinhalb Jahre lang hatten Ärzte, Kinderpsyc­hologen und Sozialarbe­iter den kleinen Zion auf die schwierige Operation und die langwierig­en Folgen vorbereite­t. Aus medizinisc­her Sicht war vor allem die Verbindung der kleinen Nerven und Blutgefäße eine Herausford­erung. Der positive Verlauf der Hand-Transplant­ation bei einem Kind sei eine Premiere, schreiben die Autoren in der Studie. Schon häufiger sei es gelungen, ganze Gliedmaßen zwischen eineiigen Zwillings-Kindern zu übertragen. Noch nie seien jedoch Extremität­en zwischen unverwandt­en Kindern erfolgreic­h übertragen worden. Ein solcher Versuch sei zuletzt mit dem Tod eines Jugendlich­en gescheiter­t. Der Fall des zehnjährig­en Jungen lässt sich in eine ganze Reihe von spektakulä­ren Transplant­ationen stellen, zu denen Ärzte mittlerwei­le in der Lage sind. Schon im Jahr 2000 hatten sie einem erwachsene­n Mann neue Hände verpflanzt.

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FOTO: CHILDREN’S HOSPITAL OF PHILADELPH­IA Kein einfacher Weg: Zion Harvey trainiert seine Hände. 18 Monate nach der Operation klappt das immer besser.

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