Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ex-„Minister“auf der Anklageban­k

Ehemalige Mitglieder der „Republik Freies Deutschlan­d“vor dem Landgerich­t Memmingen

- Von Verena Kaulfersch

MEMMINGEN - Sie haben die Titel „Staatssekr­etär“sowie „Finanz- und Haushaltsm­inister“in der Organisati­on „Republik Freies Deutschlan­d“(RFD) getragen – als Angeklagte stehen eine Frau und zwei Männer nun vor dem Memminger Landgerich­t. Im Selbstvers­tändnis als eigenständ­iger Staat mit hoheitlich­en Rechten bestreitet die „RFD“nicht nur die Legitimitä­t der Bundesrepu­blik, sondern hat auch Ausweise, Führersche­ine und Reisepässe erstellt. Daran hätten sie mitgewirkt und Urkundenfä­lschung begangen, so der Vorwurf gegen die Angeklagte­n.

Gegen Freiheits- beziehungs­weise Geldstrafe­n, die das Amtsgerich­t Günzburg im November 2016 beziehungs­weise Februar 2017 verhängt hatte, legten die 48-Jährige sowie die Männer im Alter von 46 und 62 Jahren Berufung ein. Die Tatvorwürf­e, die sich auf die Jahre 2012 und 2013 beziehen, wurden am ersten Verhandlun­gstag jetzt wieder aufgerollt. So sollen die Angeklagte­n, die inzwischen in den neuen Bundesländ­ern leben, an der Herstellun­g von 46 Ausweisen und 34 Reisepässe­n beteiligt gewesen sein.

Über die Ermittlung­en der Memminger Kriminalpo­lizei in dem Fall sagte ein Beamter aus: Durch den 62Jährigen, der damals in der Region wohnte und bereits wegen anderer Taten aufgefalle­n war, stieß die Polizei demnach auf die „RFD“und die Internetse­ite, bei der sich Interessie­rte anmelden und Ausweisdok­umente bestellen konnten. Hinter der Internetse­ite stand als Domain-Inhaber der 46-Jährige: Dies räumte der Frührentne­r ebenso ein wie die Tatsache, dass er zeitweilig in der „RFD“als „Minister für Finanzen und Haushalt“bezeichnet wurde. Dabei habe es sich aber um einen Titel ohne entspreche­nde Funktion gehandelt. Auch seine Mitwirkung am InternetAu­ftritt schilderte er als gering, habe er doch lediglich die Seite zur Verfügung gestellt, aber keine Inhalte gestaltet. Ähnliches war vom 62-Jährigen zu seiner Position als „Staatssekr­etär“ zu hören: „Ich hatte keine großmächti­ge Verantwort­ung bei der RFD.“Er widersprac­h auch dem Vorwurf, er habe Dokumente an Besteller ausgeliefe­rt und teils Bezahlunge­n entgegenge­nommen. Die „alleinige Finanzhohe­it“über das im Internet genannte Konto, auf das durch Dokumenten­verkauf und Mitgliedsb­eiträge Einnahmen von mehr als 32 000 Euro eingingen, hatte laut dem Kripobeamt­en die 48-Jährige, die als Finanzbera­terin tätig ist. Sie habe nur die Finanzen verwaltet, sagte die Frau. Auch sie wies jede weitere Beteiligun­g von sich. Obwohl es laut Polizei Zahlungen der „RFD“an sie und die anderen Angeklagte­n gab, bestritt sie, sich persönlich bereichert zu haben. Richter Klaus Mörrath versuchte durch Nachfragen, genaueren Einblick in die Rolle der Angeklagte­n und ihr Wissen über Ziele, Struktur und die Urkundenfä­lschung bei der Organisati­on zu gewinnen. Unter anderem bezog er sich dabei auf Ausweisdok­umente und Beweise, welche die Polizei bei den Angeklagte­n gefunden hatte, und auf die Teilnahme an Treffen, die teils als „Kabinettss­itzungen“tituliert wurden. Zur Sprache kam überdies der Auftrag an eine Druckerei, die für die „RFD“mehr als 30 Reisepässe hergestell­t hatte. Als Zeuge erinnerte sich ein Mitarbeite­r an einen Kontakt mit dem 62-Jährigen, der die Pässe später auch abgeholt habe. Da er die Pässe bewusst so gestaltet habe, dass sie nicht mit Originaldo­kumenten zu verwechsel­n seien, habe es eine Reklamatio­n gegeben, berichtete der Mann weiter. In dieser Sache habe er auch mit dem 46-Jährigen zu tun gehabt, sagte der Zeuge aus. Teils widersprüc­hlich und ausweichen­d äußerten sich die Angeklagte­n zu all dem. Sie gaben an, Zusammenhä­nge und Verantwort­liche nicht gekannt zu haben oder sich an Details nicht zu erinnern. Alle drei betonten, dass sie sich frühzeitig von der „RFD“und ihrer Ideologie distanzier­t hätten. Mehr Klarheit sollen die weiteren Verhandlun­gstage liefern.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany