Milan im Kaufrausch
Mit Geld aus China wollen die Italiener wieder Weltklasse werden – 200 Millionen gab man bereits aus
MAILAND (SID/dpa/sz) - Der ehemalige Patron leidet. „Die Trennung von Milan bleibt für mich ein großer Schmerz“, sagt Silvio Berlusconi, „doch sie war notwendig.“Sein Nachfolger, der chinesische Geschäftsmann Yonghong Li, werde den AC Milan hoffentlich „wieder an Europas Spitze führen. Mein Traum wäre es, Zlatan Ibrahimovic wieder im MilanTrikot spielen zu sehen.“
Eine Rückkehr des schwedischen Fußball-Königs ist eher unwahrscheinlich, obwohl Milan unter Li in einen Kaufrausch geraten ist. Für bislang zehn Spieler haben die Rossoneri fast 200 Millionen Euro ausgegeben – Jahresweltbestleistung. Sechs der zehn teuersten Sommertransfers in Italien hat der siebenmalige Champions-League-Sieger getätigt, ein Ende ist nicht abzusehen. Geschäftsführer Mauro Fassone sagte: „Wir denken noch an den Transfer eines Stürmers, wir haben noch genug Geld – es wäre schön, einen wie Belotti, Morata oder Aubameyang zu haben.“Letzterer wird es nach dem Machtwort des BVB nicht werden, bei Morata war Milans 70-Millionen-Euro-Offerte nicht genug. An Renato Sanches vom FC Bayern haben die Italiener ebenfalls Interesse. „Ich habe Milan vom ersten Tag an Zukäufe versprochen, und wir haben sie bekommen“, sagt Immobilienund Energie-Unternehmer Li, der selbst angeblich 500 Millionen Euro besitzt. „Bei Milan beginnt ein neues Kapitel. Wir werden wieder groß werden und zu altem Glanz zurückkehren, in Italien und in Europa.“
Für Italiens Liga, in der Juventus zuletzt eine Art Alleinunterhalter war – Milan wurde gerade mit 26 Punkten Rückstand Sechster –, wäre mehr Wettbewerb ein Segen. Milans letzter Scudetto liegt sechs Jahre zurück, in der Champions League triumphierte der siebenmalige Sieger zuletzt 2007 – mit Trainer Carlo Ancelotti. Die massiven Investitionen bezeugten, dass „Turbo-Milan keine langsame Renaissance, sondern eine regelrechte Revolution“anstrebe, schreibt die „Gazzetta dello Sport“. Die Tifosi dürften von „neuen Höhenflügen träumen“, sagt Trainer Vincenzo Montella.
Hinter dem Rausch steht die Gesellschaft Rossoneri Sport Investment Lux unter Li (48), die den Verein im April nach monatelangen, zähen Verhandlungen für 520 respektive 740 Millionen Euro (inklusive Schulden) erwarb. 300 Millionen davon steuerte der US-Hedgefonds Elliott Management Corporation bei. Zumindest das wirft Fragen auf. Üblicherweise erwartet ein Hedgefonds auch Rendite respektive versucht, seine Anteile gewinnbringend wieder abzustoßen. Erst im Mai beschloss Milan eine Kapitalerhöhung von 60 Millionen Euro – für Spielerkäufe wie Hakan Calhanoglu von Leverkusen (22 Millionen) oder Wolfsburgs Linksverteidiger Ricardo Rodriguez (18 Millionen).
Königstransfer Bonucci
Königstransfer ist neben André Silva, der für 38 Millionen vom FC Porto kam, der italienische Nationalverteidiger Leonardo Bonucci, über Jahre ein Symbol von Rekordmeister Juve. Selbst Fassone fand seine Verpflichtung zunächst eine „verrückte Idee“. Doch weil sich der kantige Verteidiger mit Massimiliano Allegri verkracht hatte – der Trainer soll den Spieler als „Arschgesicht“bezeichnet haben, als der ihm auf dem Platz eine Auswechslung suggerieren wollte – reichten 42 Millionen Euro Ablöse und zugegeben exorbitante 7,5 Millionen Euro Nettogehalt, um den 30-Jährigen für Milan zu gewinnen. Dass selbst Weltklassespieler wieder in die Modestadt wollten, sei „ein wichtiges Signal an unsere Tifosi, wie groß unsere Ambitionen sind“, sagt Sportdirektor Massimiliano Mirabelli.
Das gilt auch für die millionenschwere Vertragsverlängerung von Star-Torhüter Gianluigi Donnarumma. Der 19-Jährige bekam für vier weitere Jahre ein exquisites Geschenk obendrauf: Bruder Antonio, ebenfalls Torwart, wurde für eine Million Euro aus Griechenland zurückgeholt.
Zunächst allerdings gilt es für Milan, das am Samstag in China auf den FC Bayern trifft, gegen Craiova die Europaleague-Qualifikation zu schaffen. Trainer Montella sagt: „Jetzt liegt es an uns, es wird nicht leicht sein mit all den neuen Spielern.“Klingt nach einem Luxusproblem, das der Lokalrivale Inter gerne hätte. Auch der ist im Besitz von Chinesen, die allerdings sind bei Weitem knausriger.