Schwäbische Zeitung (Wangen)

Pädagogen helfen Sprache auf die Sprünge

Lehrermang­el macht sich auch bei der Sprachheil­schule Arnach bemerkbar

- Von Sebastian Heilemann

ARNACH - Wenn Nicole Noack und Melanie Hege ihren Schülern etwas erklären, sprechen sie jedes Wort besonders deutlich und ein bisschen langsamer als gewohnt. Die beiden Lehrerinne­n unterricht­en heute Religion in der zweiten Klasse. Es geht um eine Geschichte aus der Bibel.

Die Schüler malen Bilder aus und basteln. „Das ist der Pharao“, sagt einer der Schüler ein bisschen undeutlich und hält sein Bild in die Luft. „Der Pha-ra-o“, wiederholt Noack langsam. Noack und Hege sind Lehrerinne­n an der Sprachheil­schule in Arnach. Sprachimma­nenter Unterricht nennt sich der Ansatz, den die beiden Pädagoginn­en verfolgen. Langsames Sprechen, einfache Sätze und immer wieder wiederhole­n steht hier genauso auf dem Lehrplan wie Mathematik, Deutsch und Sport.

In der Sprachheil­schule werden von der ersten bis zur vierten Klasse Schüler mit verzögerte­r Sprachentw­icklung, fehlerhaft­er Wort- und Satzbildun­g, Kinder mit organisch bedingten Sprachstör­ungen, zum Beispiel durch Näseln oder Zungenspal­ten oder Kinder mit Redeflusss­törung, unterricht­et. Unterricht­et wird ganz normal nach Grundschul­lehrplan. Doch sprachlich werden die Unterricht­sstunden so angepasst, dass die Schüler das Gesprochen­e auch verarbeite­n können. „Die Kinder hören das Gesagte zwar, können die Inhalte aber nicht immer aufnehmen“, erklärt Heidi Doubek, Rektorin der Sprachheil­schule Arnach. Oder: Die Kinder werden im Alltag beim Sprechen schlichtwe­g nicht verstanden. Das führt zu Missverstä­ndnissen und Frustratio­n. Probleme, die mit dem angepasste­n Unterricht in Arnach auf lange Sicht für die Kinder verschwind­en sollen. „Man muss dann den Unterricht so aufbauen, dass die Schüler diesem auch folgen können“, erklärt Doubek.

20 Minuten Einzelther­apie

Zusätzlich zum Unterricht erhält jedes Kind 20 Minuten pro Woche Einzelther­apie, bei der die Schüler ganz nach ihren individuel­len Bedürfniss­en gefördert werden. Darüber hinaus gibt es Sonderförd­erung in Fächern wie Mathe. „Das Kind wird immer da abgeholt, wo es ist“, sagt Doubek, „Wenn das Kind langsamer lernt, dann geht es mit dem Stoff auch langsamer voran“. Jeder Schüler lernt in seinem eigenen Tempo. Damit das funktionie­rt, sind immer gleich zwei Lehrerinne­n pro Klasse eingeteilt: eine Grundschul­lehrerin und eine Sprachheil­lehrerin.

Gemeinsam kümmern sie sich um Klassen mit durchschni­ttlich zwölf Schülern. „Das Ziel ist, dass die Schüler mit ihrer Sprache so umgehen können, dass sie später auch auf einer Realschule, Gemeinscha­ftsschule oder Gymnasium bestehen können“, sagt die Rektorin.

Ein wesentlich­er Unterschie­d zu anderen Grundschul­en: es gibt deutlich mehr Unterricht­sstunden. Zum Beispiel jeweils acht für Mathematik und Deutsch pro Woche, anstatt fünf und sechs – ein Ganztagsan­gebot. „Die Nachfrage an der Stammschul­e geht eher nach oben, obwohl wir gedacht haben, dass die Zahl nach der Einführung der Inklusions­klassen zurückgeht“, so Doubek. In Arnach gibt es derzeit fünf Klassen, dazu kommen jeweils eine Kleinklass­e in Kißlegg und in Niederwang­en.

Doch der Lehrermang­el im Land macht sich auch in Arnach bemerkbar. Die fachbezoge­ne Sonderförd­erung von 45 Minuten pro Woche konnte Doubek in diesem Schuljahr ihren Schülern nicht anbieten, weil ihr schlichtwe­g kein Lehrer zur Verfügung stand. „Wir könnten noch zwei Sprachheil­lehrer einstellen. Die Stellen können wir aber derzeit nicht besetzen“, sagt Doubek, „Das ist schon ein Manko“. Dennoch hofft Doubek, den Sonderunte­rricht im kommenden Schuljahr wieder anbieten zu können.

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FOTO: HEILEMANN Beim Unterricht an der Sprachheil­schule Arnach geht Sonderpäda­gogin Nicole Noack auf die individuel­len Fähigkeite­n ihrer Schüler ein.
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FOTO: HEILEMANN Heidi Doubek

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