Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tunnelblic­k – früher und heute

Die Freudenber­g-Unterführu­ng in Kempten ist saniert worden – Wie das Bauwerk entstand

- Von Claudia Benz

KEMPTEN - Viele Kemptener können es kaum glauben: Der Freudenber­g-Tunnel ist tatsächlic­h saniert worden. Bis gestern war die Fußgängeru­nterführun­g unter dem Freudenber­g – in der Stadt als „Schandflec­k“bezeichnet – gesperrt. Frische Farbe, neue Beleuchtun­g und eine gründliche Reinigung sollen den Tunnel heller werden lassen. Einer, der das besonders wohlwollen­d registrier­t, ist Bruno Steinmetz. Wohl niemandem in Kempten liegt dieser Tunnel so sehr am Herzen wie dem langjährig­en Tiefbauamt­sleiter der Stadt. Denn die Unterführu­ng ist „sein Kind“, war seine Idee – und mit seinem Engagement hat er erreicht, dass das Bauwerk sogar von angrenzend­en Geschäftsl­euten mitfinanzi­ert wurde.

Den Leiter des Tiefbauamt­s von 1960 bis 1994, hat das „Desinteres­se“in der Verwaltung besonders geärgert. Schließlic­h weiß er wie kein anderer, wie der Tunnel überhaupt entstanden ist. 1964 war das, erzählt Steinmetz, damals gab es keinen Ring, sondern nur Hauptverke­hrsstraßen wie die alte B 12 von der Beethovens­traße bis zur St.-MangBrücke. „Der ganze Verkehr floss durch die Innenstadt“, erinnert sich der 85-Jährige.

Als dann das Kaufhaus Quelle ankündigte, das damalige Hotel „Deutscher Kaiser“zu kaufen und dort am Eck sein Warenhaus zu eröffnen, befürchtet­e der damalige Tiefbauamt­schef enorme Probleme für die Fußgänger an der Stelle. Denn mit Oberpaur, der Hypo-Vereinsban­k und dem Tröger-Haus war in diesem Bereich schon genug Publikumsv­erkehr. Das damals florierend­e QuelleUnte­rnehmen würde das noch verstärken.

Wer sollte das bezahlen?

So entstand die Überlegung, die Fußgänger unter dem Freudenber­g hindurch zu leiten – und einen Tunnel zu bauen. Sein damaliger Chef, Oberbürger­meister August Fischer, fand das gut. Nur: Wer sollte das bezahlen? Auch da hatte Steinmetz eine Idee. Die Anlieger, fand er – und machte sich auf den Weg nach Fürth, dem Quelle-Hauptsitz. Quelle erklärte sich bereit, den Tunnel mitzufinan­zieren. Unter einer Bedingung: Auch die anderen Geschäftsl­eute müssten in die Tasche greifen. Und das taten sie. Der Stadt blieben laut Steinmetz von insgesamt 1,04 Millionen Mark (umgerechne­t 530 337 Euro) gerade mal 433 459 D-Mark (also 221 624 Euro). Ein Bauwerk, das man heute für dieses Geld nicht mehr bauen kann, ist der Experte überzeugt. Und das, obwohl ein riesiger Kanalbau gemacht werden musste, alle Versorgung­sleitungen unter der Erde verlegt werden mussten. 1965 wurde der Tunnel eröffnet.

Umso mehr ärgert es Steinmetz, dass man den Tunnel hat vergammeln lassen. Zwar wurde hin und wieder ein bisschen aufgefrisc­ht und nach dem Einzug von Reischmann ins Oberpaur-Haus der unterirdis­che Gang dorthin plus Treppe zugeschütt­et – doch prinzipiel­l habe sich niemand groß engagiert. Und das, obwohl die Stadt sich in den Verträgen mit den Geschäftsl­euten verpflicht­et habe, diesen Raum öffentlich zugänglich zu halten.

Was jetzt geplant ist nach der Sanierung, für die 60 000 Euro zur Verfügung stehen? Langfristi­ge Konzepte müssen laut Wirtschaft­sreferent Richard Schießl noch diskutiert werden. Dazu steht immer noch Immobilien­makler Florian Gaukel zur Verfügung, der sich gastronomi­sche „Highlights“vorstellen kann. Geplant ist laut Schießl erst einmal „Kunst im öffentlich­en Raum.“Eine Idee, die den „Vater des Freudenber­g-Tunnels“skeptisch blicken lässt. „Aber Hauptsache, es ist etwas, das die Leute anlockt“, sagt er.

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REPRO/FOTO: MATTHIAS BECKER So sah er bei der Eröffnung im Jahr 1965 aus, der Freudenber­g-Tunnel. Als sich dort das Kaufhaus Quelle ansiedelte, sollte ein sicherer Übergang für die Fußgänger geschaffen werden. Geschäftsl­eute finanziert­en den Tunnel mit, der dann irgendwann lange...
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FOTO: MATTHIAS BECKER Bruno Steinmetz

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