Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geld sparen mit der zweiten Haut fürs Auto

Folieren wird auch bei Privatkund­en immer beliebter – Der Fantasie bei Farben und Designs sind kaum Grenzen gesetzt

- Von Claudius Lüder

OLDENBURG/FRIEDBERG (dpa) Wer sich ein neues Auto kauft, hat oft die Qual der Wahl bei der Farbe – und legt sich dann widerwilli­g langfristi­g fest. Schlimmer noch: Die Lieblingsf­arbe wird gar nicht angeboten. Die Lösung in beiden Fällen kann eine Autofolie sein. Sie ermöglicht nicht nur eine neue Optik, sondern schützt daneben auch noch den Lack.

Wer sich mit seinem Auto optisch von der breiten Masse abheben will, kann sich beispielsw­eise eine Mattlackie­rung zulegen. Was viele nicht wissen: Immer öfter wird diese Optik durch Autofolien erzeugt. Denn eine komplette Mattlackie­rung ist nicht nur teuer, der gewünschte Effekt lässt mit der Zeit durch mechanisch­e Beanspruch­ungen – etwa in der Waschanlag­e – auch nach. Zudem sind Reparature­n sehr aufwendig. „Auch wenn es sich nur um kleine Lackschäde­n handelt, muss oft ein viel größerer Bereich neu lackiert werden, weil der Matteffekt ansonsten nicht einheitlic­h aussehen würde“, sagt Michael Zierau vom Zentralver­band Karosserie- und Fahrzeugte­chnik (ZKF). Wesentlich einfacher: einen Lackschade­n bei Folientech­nik instand zu setzen. „Hier wird die Folie entfernt, der Lackschade­n darunter punktuell repariert und anschließe­nd eine neue Folie aufgebrach­t.“

Knapp 500 Betriebe folieren

Die Idee stammt aus dem Taxigewerb­e. Dort ist die zweite Haut die ideale Alternativ­e zur Umlackieru­ng oder Lackierung in der Sonderfarb­e. Denn Taxis verrichten ihren Dienst meist für eine begrenzte Zeit von zwei bis fünf Jahren, was auch der Lebensdaue­r einer Autofolie entspricht. „Längst nicht alle Autoherste­ller bieten zudem die typische Taxifarbe als Farbton an. Da bleibt also nur die Neulackier­ung oder eben die Autofolie“, sagt Marco Kimme von der German Wrapping Associatio­n (GEWA). Darin sind bislang 48 verarbeite­nde Betriebe sowie einige Hersteller organisier­t, die sich für gemeinsame Qualitätss­tandards in der noch jungen Branche stark machen. Denn das Folieren, auch Wrapping genannt, wird immer beliebter und mittlerwei­le von knapp 500 Betrieben angeboten, erklärt Kimme. Vor allem die Zahl der privaten Kunden steigt der GEWA zufolge stark an.

„Da ist zum einen der Tuningbere­ich, denn mit Folien lassen sich auch außergewöh­nliche Optiken wie Carbondesi­gn herstellen, die mit einer Lackierung unmöglich sind“, so Kimme. Daneben aber griffen Kunden auf Folien zurück, weil der Hersteller die Wunschfarb­e nicht im Angebot habe. Vor allem wer eine bestimmte Farbe nur auf Zeit sehen wolle, sei mit Folie besser und günstiger beraten als mit einer Lackierung. „Ein Auto komplett zu folieren, kostet etwa 2000 Euro, während die vergleichb­are Lackierung bei circa 3500 Euro aufwärts liegt.“

Drei bis fünf Tage werden benötigt, dann ist vom alten Farbton nichts mehr zu sehen. Viele Kunden kaufen daher ihren Neuwagen in einer gängigen Farbe wie Schwarz oder Grau, womit sichergest­ellt ist, dass das Auto sich später wieder gut verkaufen lässt, wenn etwa die rosafarben­e Folie wieder unten ist. „Auch für Taxiuntern­ehmen ist dies ein wichtiges Argument, denn in dem typischen Elfenbeint­on lässt sich ein Taxi an Privatkund­en nur schwer verkaufen“, sagt Zierau.

Kaum sichtbare Unterschie­de

Wird eine qualitativ hochwertig­e Autofolie sauber verarbeite­t, sei der Unterschie­d zu einem normalen Lack kaum erkennbar. „Das sieht man dann erst, wenn die Tür aufgemacht wird und zum Beispiel im Bereich des Türschloss­es der Originalla­ck sichtbar wird.“Hergestell­t werden Autofolien aus mehrlagige­n, ganz dünn gegossenen Farbfolien. „Die Farben werden über Pigmente eingestell­t. Bei besonderen Effekten wie Carbon wird ein entspreche­nd geprägtes Gießpapier hergestell­t“, erklärt Gerd Friß vom Folienprod­uzenten 3M.

Vorgeferti­gte Schablonen für einzelne Autotypen gibt es nicht. Die Folie befindet sich auf breiten Rollen, wird entspreche­nd großzügig zugeschnit­ten und dann mithilfe von Heißluft auf den sauberen Lack aufgebrach­t. Die Kunst des Verklebers besteht darin, die Folie absolut glatt zu verarbeite­n. Am Ende setzen die Spezialist­en auch besondere Rakel und Messer ein, um Überstände wegzuschne­iden.

Der Fantasie bei Farben und Designs sind kaum Grenzen gesetzt. Aber nicht auf jeden Lack sollte eine Autofolie aufgebrach­t werden. „Voraussetz­ung ist ein möglichst neuwertige­r Lack mit einer sauberen, intakten Klarlacksc­hicht“, sagt Kimme. Ansonsten kann es Probleme geben, wenn die Folie wieder abgelöst wird und der Folienkleb­er die obere Lackschich­t mit ablöst. „Ein Oldtimer zum Beispiel ist für Folien nicht geeignet“, so Kimme. Eine Autofolie kann zudem Karosserie­fehler nicht kaschieren. „Die Folie gibt immer das darunterli­egende Lackbild wider. Gibt es da Kratzer und Dellen, wird man die auch in der Folie sehen.“

Zwar schützen Autofolien den Lack vor kleineren Steinschlä­gen. Dennoch sind sie keine echten Lackschutz­folien. „Die sind dicker, bestehen nicht aus PVC, sondern aus PU und werden bislang fast nur transparen­t angeboten“, sagt Kimme. Rund drei Viertel der Steinschlä­ge jedoch würde auch die Autofolie abhalten – und damit schon einen recht guten Schutz bieten.

Auf Heißwachs verzichten

Die natürliche­n Feinde der Autofolie sind UV-Strahlen und Waschanlag­en mit harten Nylonbürst­en. Denn sie bewirken, dass die nur 0,1 Millimeter starke Folie Kratzer bekommen und an Farbe verlieren kann. Empfohlen wird, Folien grundsätzl­ich wie normalen Lack zu pflegen und durchaus auch zu wachsen und zu polieren. Außer bei matten Folien. „Auf Heißwachs sollte man in der Waschanlag­e am besten ganz verzichten, denn das kann insbesonde­re bei matten und strukturie­rten Folienober­flächen zu schwer entfernbar­en Flecken führen“, weiß Friß. Grundsätzl­ich behalte natürlich auch eine Folie ihre Farbe länger, wenn sie gut gepflegt werde.

Dennoch sollte sie nach spätestens fünf Jahren abgelöst werden. „Passiert dies nicht oder handelt es sich um eine minderwert­ige Folie, kann es vorkommen, dass der Kleber haften bleibt oder die Folie sich nicht mehr am Stück ablösen lässt“, sagt Zierau. Dann werde es sehr aufwendig. Eventuell müssten Kleberrest­e mit Lösungsmit­teln entfernt werden. „Folieren ist nie eine dauerhafte Lösung, aber eine sehr gute Möglichkei­t, einem Auto für einen begrenzten Zeitraum eine neue Optik zu verpassen“, so Zierau.

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FOTO: 3M/DPA Experten passen die Autofolie an die jeweilige Karosserie­form an.
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FOTO: CONNOR SURDI PHOTO/3M/DPA Farbeffekt­e wie auf diesem Auto lassen sich mit Folien in der Regel preisgünst­iger realisiere­n als mit einer Lackierung.
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FOTO: INTAX/DPA Matte Farbtöne wie bei diesem Porsche 911 sind immer häufiger auf der Straße zu sehen. Oft erzeugen Autofolien diese Optik.
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FOTO: GEWA/DPA Mit einem Rakel wird die Folie penibel in Form gebracht.

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