Schwäbische Zeitung (Wangen)

AIP feiert sein zehnjährig­es Bestehen

Arbeitsint­egrationsp­rojekt der Stiftung Liebenau hat sich erfolgreic­h weiter entwickelt

- Von Melanie Kräuter

WANGEN/AMTZELL - Seit zehn Jahren ist das AIP, Teil der Liebenauer Arbeitswel­ten der Stiftung Liebenau, im Interkommu­nalen Gewerbegeb­iet Geiselharz-Schauwies angesiedel­t. Damals war es durch seinen Ansatz als industriel­l ausgericht­eter Logistikdi­enstleiste­r mit Integratio­nsmöglichk­eiten ein Novum, betont die Stiftung Liebenau. Seitdem hat sich einiges verändert. Das war Grund genug, das erfolgreic­he Projekt samt seiner Mitarbeite­r zu feiern.

Das AIP sei inzwischen mehr als ein Projekt. „Das AIP hat sich inzwischen als Markenname etabliert“, sagte die Leiterin Isabella BurgeyMein­el bei dem Fest. Heute arbeiten hier rund 80 Menschen mit Behinderun­g gemeinsam mit Mitarbeite­rn aus den Bereichen Handel, Industrie, Ausbildung und Werkstatt unter einem Dach zusammen. Auch viele Kooperatio­nen mit regionalen Unternehme­n sowie eine offene Kantine schaffen Begegnung und Integratio­n.

Stefan Fricker, Bereichsle­iter Bildung, Arbeit und Förderung Liebenau Teilhabe, und sozusagen einer der „Geburtshel­fer“des Projekts erklärte, wie es zur Gründung des AIP kam. Hintergrun­d sei die zu kleine Werkstatt für die vielen Arbeitsgru­ppen in Rosenharz (Bodnegg) gewesen. Außerdem habe die Firma Ciret, die Malerwerkz­euge herstellte und vertrieb und auf dem jetzigen AIP-Gelände angesiedel­t war, nach günstigere­n Produktion­sbedingung­en gesucht – auch eine Abwanderun­g ins Ausland stand im Raum. Und so suchte Fricker das Gespräch mit Amtzells früheren Bürgermeis­ter Paul Locherer. Die Idee war geboren, und die Umsetzung des „Projekts der Gemeinde Amtzell auf Wangener Gemarkung“musste schnell gehen, um auf die Bedürfniss­e des Industriep­artners Ciret einzugehen. Die Planung begann im Juli 2005, Inbetriebn­ahme war im Februar 2007.

Das Betriebsge­bäude mit einer Gesamtnutz­fläche von 4500 Quadratmet­ern ist räumlich in drei Teile unterglied­ert: neben dem Werkstattu­nd Produktion­sbereich mit 1900 Quadratmet­ern gibt es Verwaltung­s-, Sozial- und Schulungsr­äume mit 900 Quadratmet­ern. Auf der anderen Gebäudesei­te befindet sich ein modernes Hochregall­ager auf 1700 Quadratmet­ern. Insgesamt ist hier Platz für rund 2000 Paletten.

Von Anfang an wurde das AIP für die industriel­le Nutzung und die Zusammenar­beit mit der Firma Ciret konzipiert. Die einzelnen Arbeitsvor­gänge im Bereich der Kommission­ierung, Verpackung und Logistik wurden soweit herunterge­brochen, dass sie auch Menschen mit Behinderun­g ausführen können. Doch die Zusammenar­beit währte nur ein paar Jahre, dann wanderte das Unternehme­n trotzdem ab. Das AIP hat aber inzwischen mehrere andere Unternehme­n als Auftraggeb­er.

Einer der größten ist etwa die Amtzeller Firma „Lisa’s Chips“. Je nach Auftragsgr­öße und Zeitvorgab­en bestücken ein bis zwei Arbeitsgru­ppen mit je etwa 15 Leuten hier die Auslagen für die Supermärkt­e, berichtet Sascha Lerner, der für den Bereich Arbeitsvor­bereitung zuständig ist. Außerdem werden für Lufthansa Mini-Chipstüten in Kartons gepackt. Stolz ist das AIP auf das fast volle Regallager. Die Firma Lisas Chips hat die Hälfte des Platzes im Regal gemietet.

„Wir wollen uns aber nicht nur auf einen Auftraggeb­er verlassen“, sagt Lerner, der ebenfalls von Anfang an beim AIP arbeitet. So bauen die Klienten in einzelnen Schritten zum Beispiel Leuchten der Firma LTS in Tettnang zusammen. Um die Fertigung zu erleichter­n, wurden und werden spezielle Hilfsvorri­chtungen entwickelt und selbst hergestell­t, die es den behinderte­n Menschen leichter machen, ihre Arbeit zu erledigen. „Wir machen bei den Leuchten selbst die Endkontrol­le, dann wird sie verpackt und etikettier­t“, erklärt Lerner und fügt stolz hinzu: „Unsere Reklamatio­nsquote liegt bei 0,0 Prozent.“

Das AIP müsse einwandfre­ie Qualität abliefern, zuverlässi­g und flexibel sein. Dafür werden die Mitarbeite­r mit Behinderun­g je nach ihren Fertigkeit­en beschäftig­t: Es gibt komplizier­tere Montagetät­igkeiten, aber auch einfache Verpackung­sarbeiten.

Einzelteil­e kommen mit Containern aus China

Auch die Firma Kosmos aus Stuttgart lässt in Geiselharz-Schauwies ihre Experiment­ierkästen verpacken. „Teilweise kommen die Einzelteil­e mit Containern aus China“, erzählt Sascha Lerner. Erst wenn alle Einzelteil­e da sind, kann es losgehen. Nach gewisser Zeit werden dann die fertig verpackten Boxen abgeholt und weiter vertrieben. Auch die Firma Geta aus Niederwang­en ist an einer Zusammenar­beit mit dem AIP interessie­rt. Ab 2018 sollen Montagetät­igkeiten ebenfalls von den AIPlern ausgeführt werden. Im Hochregall­ager werden zudem noch Jugendlich­e vom Berufsbild­ungswerk Adolf Aich in Ravensburg – einer Schwesterg­esellschaf­t der St. Gallus-Hilfe – zur Fachkraft für Lagerlogis­tik oder Fachlageri­sten ausgebilde­t.

Grund zum Feiern gab es also beim Fest zum zehnjährig­en Jubiläum: Inklusion, viele neue Ideen und eine hochmotivi­erte Mannschaft, wie AIP-Leiterin Isabella BurgeyMein­el zusammenfa­sste. Oder wie Hans Roman, stellvertr­etender Bürgermeis­ter von Amtzell, es treffend ausdrückte: „Wenn es das Projekt noch nicht gäbe, müsste man es erfinden.“

Der einzige Wunsch, den Sascha Lerner zuletzt an den Kommunalpo­litiker weitergab: „Bessere Busverbind­ungen von Norden nach Süden“. Also etwa von Leutkirch über Vogt nach Amtzell oder auch nach Süden Richtung Tettnang. Viele Mitarbeite­r aus diesen Regionen würden nämlich gerne am AIP arbeiten, müssten aber lange Busfahrten und Umwege in Kauf nehmen. Hans Roman versprach, das Thema mitzunehme­n und anzusprech­en.

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FOTO: MELANIE KRÄUTER Sascha Lerner (links) gibt bei einem Rundgang dem stellvertr­etenden Bürgermeis­ter Hans Roman (Mitte) und Markus Wursthorn, Mitglied der Geschäftsl­eitung, einen Einblick in die Produktion beim AIP.

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