Erschreckend, nicht beruhigend
In Deutschland – so die Autoren der jüngsten Bertelsmann-Studie – müssen sich die Bürger um breite antidemokratische Auswüchse nicht sorgen. Doch im Jahr der Bundestagswahl kann man bei knapp einem Drittel der Wahlberechtigen, die empfänglich sind für populistische Botschaften, nicht von einem „nur“sprechen. Sie seien laut Studie zwar keine „Feinde der Demokratie“, dafür aber „enttäuschte Demokraten“.
Allein das sollte erschrecken. Rechnet man die Ergebnisse der Studie hoch, bedeutet dies: Unter 61,5 Millionen potenziellen Wählern sind das somit gut 20 Millionen Menschen, die teilweise das Vertrauen in die EU und in die repräsentative Demokratie verloren haben. Dass sie in ihrer Meinung weniger radikal sind als anderswo, ist nur wenig beruhigend. Aus einer konstanten Enttäuschung kann Feindseligkeit werden.
Wohin das führen kann, haben einige der vergangenen Wahlen gezeigt. In den Niederlanden ist Geert Wilders’ rechtspopulistische Partei für die Freiheit im März als zweitstärkste Kraft hervorgegangen. Ein Drittel der Franzosen gab der rechtsradikalen Marine Le Pen vom Front National im Mai ihre Stimme. Mit Donald Trump regiert seit November 2016 in den USA ein Präsident, der mit Kurznachrichten im Internet Politik macht. Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist ein Sieg der Populisten.
Wer diese in Deutschland mit simplen Rezepten für die wichtigsten Bundestagswahlthemen Flüchtlingskrise, Umverteilung und europäische Integration ausschließlich äußerst rechts verortet, der irrt. Auch weit links im politischen Spektrum gibt es sie. Populisten schaffen Feindbilder, reduzieren Politik auf Parolen, stilisieren sich zu Anführern einer Gegenbewegung. Die Studie kann auch Impuls für die Politik sein, ihnen das Wasser abzugraben. Die Parteien müssen die teilweise berechtigte Kritik ernst nehmen und sich hinterfragen. Nur so bleibt eine parlamentarische Demokratie lebendig. Und nur so kommen die Parteien langfristig dem Vorwurf zuvor, dass sie am Menschen vorbei agieren.