Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die erste Fleischsom­melière Baden-Württember­gs

Gerlinde Baumgärtne­r arbeitet in der Landmetzge­rei Eberle in Horgenzell – Nachwuchss­orgen im Handwerk

- Von Philipp Richter

HORGENZELL - Es gibt Weinsommel­iers, Käse- oder Biersommel­iers, und bei der Landmetzge­rei Eberle in Horgenzell gibt es jetzt sogar einen Fleischsom­melier, genauer gesagt die erste Fleischsom­melière BadenWürtt­embergs und die sechste deutschlan­dweit. Metzgereim­eisterin Gerlinde Baumgärtne­r wollte sich weiterbild­en, mehr erfahren über das Metzgerhan­dwerk und am Ball der Zeit bleiben und machte das obligatori­sche Seminar zum Fleischsom­melier bei der Fleischera­kademie in Augsburg.

„Ein Fleischsom­melier ist ein Genussführ­er“, erklärt Gerlinde Baumgärtne­r. Und der Begriff Genussführ­er beschreibt die Aufgabe des Fleischsom­meliers sehr genau. Denn eine der Hauptaufga­ben eines Fleischsom­meliers ist die richtige Beratung der Kunden, schließlic­h ist Beratung heute immer mehr gefragt. Grillen liegt im Trend, die Nachfrage nach besonderen Fleischstü­cken wächst. Vor allem aus der amerikanis­chen Barbecue-Tradition schwappt immer mehr nach Oberschwab­en. So gilt es zu wissen, was ein Flanksteak vom Rind ist, ein Couscino vom Schwein oder ein T-Bone.

Vom Suppenflei­sch zum Edelsteak

Früher hat man solche Fleischtei­le als Suppenflei­sch verwendet oder verwurstet, aber mit dem richtigen Schnitt und der richtigen Zubereitun­g können Edelsteaks aus solchen Stücken werden. „Es gibt mittlerwei­le so viele Kochshows, die immer wieder neue Rezepte zeigen, die auch unsere Kunden nachmachen wollen, aber sie brauchen oft Tipps, wie man was genau angeht. Der Kunde ist viel wissbegier­iger als früher“, berichtet Baumgärtne­r. Denn gerade bei Grillware beschränkt sich die Nachfrage schon lange nicht mehr auf Würste und klassische marinierte Steaks. Gerlinde Baumgärtne­r weiß auch, warum gerade Grillen so im Trend liegt: „Früher saß man zusammen beim Mittagesse­n. Das wird heute immer weniger. Mit dem Grilltrend geht man aber genau wieder in diese Richtung. Man sitzt zusammen, grillt, genießt, verbringt die Zeit zusammen und isst.“

Mit Beratung und auch neuen (vor allem Grill-) Trends wollen die Metzgereie­n punkten. Mittlerwei­le gibt es immer mehr Fleischsom­meliers in Deutschlan­d, auch wenn sie in der Region noch rar sind. Es werden aber mehr. „Man muss mit der Zeit gehen. Man darf nicht stehen bleiben“, sagt Franz Xavier Eberle, der Chef der Landmetzge­rei. Für ihn ist Gerlinde Baumgärtne­r als Fleischsom­melière ein absoluter Gewinn, wie er sagt. Die 55-jährige Fronhofene­rin, die in Altshausen wohnt, erklärt zum Beispiel den Kollegen aus der hauseigene­n Produktion, sprich Schlachter­ei, auch, wo man welches Stück Fleisch findet und wie es geschnitte­n werden muss.

Insgesamt verzeichne­t die Metzgerei Eblere Wachstum beim Geschäft, wie hoch, das will der Chef lieber nicht in der Zeitung lesen. Neue Verkäuferi­nnen wurden eingestell­t. Abzüglich Chef und seiner Frau arbeiten im Laden zehn Angestellt­e, zuzüglich Aushilfskr­äfte. In der hauseigene­n Produktion sind sechs Mitarbeite­r beschäftig­t. „Man merkt, dass immer mehr Menschen Wert auf Qualität und Regionalit­ät legen. Manche unserer Kunden kommen aus Ravensburg oder auch Friedrichs­hafen. Viele kennen auch die Bauern, die uns beliefern“, berichtet er. Kunden fragen nach, wo das Fleisch herkommt. Laut Eberle kommt das Fleisch aus der Gemeinde Horgenzell und den umliegende­n Gemeinden. „Wir können den Menschen noch eine Geschichte erzählen“, sagt Gerlinde Baumgärtne­r. Doch trotz des steigenden Umsatzes ist es für die Landmetzge­rei extrem schwierig, Fachperson­al zu finden, vor allem am Nachwuchs hapert es. Kaum noch jemand will das Metzgerhan­dwerk lernen. „Wir würden gerne ausbilden, es ist ja auch schön, das Handwerk weiterzuge­ben, aber es fehlt an Bewerbunge­n“, berichtet Sylvia Eberle. Und es mangele auch an der Qualität der Bewerbunge­n. Vielleicht kann auch ein Fleischsom­melier ein Anreiz sein, das Handwerk zu lernen, meint Eberle.

Wem Gerlinde Baumgärtne­r von ihrem Beruf erzählt und von ihrer Tätigkeit berichtet, dem wird klar: Sie lebt ihren Traum. „Das Metzgerhan­dwerk begleitet mich mein ganzes Leben. Meine Tante und meine Onkels waren Metzger, und ich wollte nach der Schule einen Beruf erlernen“, erzählt sie. So machte sie ihre Lehre bei Walser in Ravensburg, aber hat sich stetig weitergebi­ldet. Sie machte Station im Schwarzwal­d oder in Südtirol, um sich Wissen anzueignen,

„Es ist mir wichtig, dass unsere Ware Fleisch nicht zur Ramschware wird.“Gerlinde Baumgärtne­r, die erste Fleischsom­melière Baden-Württember­gs und die sechste deutschlan­dweit.

und absolviert­e ihre Meisterprü­fung.

Respekt vor dem Tier

Wichtig ist ihr vor allem der bewusste Umgang mit Fleisch. „Es ist mir wichtig, dass unsere Ware Fleisch nicht zur Ramschware wird“, sagt sie. Richtige Tierhaltun­g sei ihr wichtig, denn das merkt man auch dem Fleisch an. „Tiere, die auch ans Tageslicht kommen, nicht zusammenge­pfercht sind, nicht gestresst sind und mit gutem Getreide und Gras gefüttert werden, haben besseres Fleisch. Wenn sie draußen sein können, gibt es gutes und festes Fleisch“, berichtet die Sommelière. „Man muss auch nicht jeden Tag Fleisch essen – lieber weniger und dafür gutes Fleisch. Denn viele geben Hunderte oder Tausende Euro für einen Grill aus, aber denken nicht darüber nach, was sie auf den Grill legen.“

All das will Gerlinde Baumgärtne­r auch an die Kunden weitergebe­n. „Wir Metzger haben Respekt vor dem Tier, deswegen wollen wir auch alles verwerten, was das Tier hergibt“, sagt sie. Der Fleischsom­melier kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.

 ?? FOTO: PHILIPP RICHTER ?? Gerlinde Baumgärtne­r ist die erste Fleischsom­melière Baden-Württember­gs und arbeitet in der Landmetzge­rei Eberle in Horgenzell. Sie präsentier­t ein Flanksteak. Einst wurde es als Suppenflei­sch verwendet, richtig zubereitet ist es schönes Grillfleis­ch.
FOTO: PHILIPP RICHTER Gerlinde Baumgärtne­r ist die erste Fleischsom­melière Baden-Württember­gs und arbeitet in der Landmetzge­rei Eberle in Horgenzell. Sie präsentier­t ein Flanksteak. Einst wurde es als Suppenflei­sch verwendet, richtig zubereitet ist es schönes Grillfleis­ch.

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