Schwäbische Zeitung (Wangen)

Studenten hacken Unternehme­n

Weingarten­er Hochschüle­r durften in Tallinn unter realen Bedingunge­n arbeiten

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WEINGARTEN/TALLINN - CyberKrimi­nalität kennt keine Grenzen, zumindest keine nationalen oder gar kontinenta­len. Da liegt es auf der Hand, dass auch für Fragen der ITSicherhe­it in internatio­nalen Kontexten gedacht werden muss. In diesem Sinne widmet sich die Hochschule Ravensburg-Weingarten diesem Thema unter anderem in Form einer australisc­h-estnischde­utschen Kooperatio­n. Von der Summer School in Tallinn kehrten die Teilnehmer aus Weingarten nun mit einer Überraschu­ng zurück: Statt nur in der Theorie zu lernen, durften sie ein großes estnisches Unternehme­n hacken.

„Über die Hälfte der Angriffe war erfolgreic­h.“Tobias Eggendorfe­r, Professor für IT-Sicherheit an der Weingarten­er Hochschule

Erste Arbeitspha­se in Australien

Nachdem die erste Arbeitspha­se im Januar dieses Jahres in Adelaide, Australien stattgefun­den hatte, stand nun für den Sommer Tallinn in Estland auf dem Programm. Thema der dortigen Summer School war das „Social Engineerin­g“. Dabei werden gezielt die Schwächen von Menschen ausgenutzt, um bestimmte Verhaltens­weisen hervorzuru­fen, sie zum Beispiel zur Preisgabe von vertraulic­hen Informatio­nen, zum Kauf eines Produktes oder zur Freigabe von Finanzmitt­eln zu bewegen.

Als besondere Herausford­erung fand in Estland ein Social-Engineerin­g-„Capture the Flag“-Wettbewerb statt, bei dem die Teilnehmer durch Hacking und Social Engineerin­g vorgegeben­e Daten ermitteln sollten. Zu den Zielen, den sogenannte­n „Flags“, gehörten zunächst „Aufwärmauf­gaben“, wie das Ermitteln von Hobbies und weiteren Daten der jeweiligen Mentoren. Schließlic­h sollten auch theoretisc­h Angriffswe­ge auf ein estnisches Unternehme­n ermittelt werden. Dazu lernten die Teilnehmer, wie man verschiede­ne Internetqu­ellen nutzen kann, um zum Beispiel für Phishing empfänglic­he Opfer zu ermitteln, und worauf sie ansprechen könnten.

Doch damit nicht genug: Die Teilnehmer ahnten nicht, dass aus der Theorie schnell Praxis werden würde und hielten auch die Angriffe auf das Unternehme­n wie alle anderen Flags für gestellt. Erst nachdem sie ihre vorgeschla­genen Angriffsve­ktoren den Organisato­ren vorgestell­t hatten, Öffentlich­keitsarbei­t und Wissenscha­ftskommuni­kation erfuhren sie, dass sie ihre Angriffe in der Realität umsetzen konnten. „Als es in echt daran ging, Phishing-Mails und vergleichb­are Angriffe umzusetzen, ging der Puls bei den Studierend­en deutlich nach oben“, berichtet Tobias Eggendorfe­r, Professor für IT-Sicherheit an der Weingarten­er Hochschule.

„Über die Hälfte der Angriffe war erfolgreic­h“, so Eggendorfe­r. Das angegriffe­ne Unternehme­n erhielt im Anschluss an den Hack eine detaillier­te Auswertung, in dem die Sicherheit­slücken streng vertraulic­h dokumentie­rt wurden. „Für das Unternehme­n und die Teilnehmer ein Gewinn: Das Unternehme­n bekam Leistung, Ehrgeiz und Engagement, Kreativitä­t und Know-How. Die Studenten – von Bachelor bis Doktorande­n – reale Ziele“, fasst Eggendorfe­r das erfolgreic­he Projekt zusammen. In „E-Estonia“, wie sich das Land mit der aktuellen EU-Präsidents­chaft dank eines umfangreic­hen eGovernmen­t nennt, sei eine solche Kooperatio­n möglich gewesen.

Dozent erwischt

Wie gut Social Engineerin­g funktionie­rt, zeigten die Studenten auch bei anderer Gelegenhei­t: Sie erwischten einen der Dozenten, wie er über sein Handy mit einer Taxi-App seine Heimfahrt ins Hotel bestellte. Ein scharfes Foto seines Handybilds­chirms zeigte die Zieladress­e. In weniger als einer halben Stunde hatten sie zudem die Zimmernumm­er des Dozenten herausgefu­nden – „eine Informatio­n, die Hotels eigentlich nicht herausgebe­n dürfen“, so Eggendorfe­r. Als „White-Hat-Hacker“hätten die Angreifer jedoch fairer Weise an der Hotelbar keine Getränke auf seine Rechnung geordert.

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