Eine Rampensau, eine Kämpferin und ein Trommler
Der Talk vor dem Bock in Leutkirch begeistert mit drei sehr unterschiedlichen Lebensläufen
LEUTKIRCH - Ehrlich. Unterhaltsam. Informativ. Drei Menschen, drei Geschichten, mit einer Klammer, wie Moderator Karl-Anton Maucher meinte. Alle seien umtriebig. Der Talk vor dem Bock am Montag auf dem Gänsbühlplatz erfüllte viele Erwartungen. Eine Spende in Höhe 2400 Euro für die Stiftung St. Anna kam auch noch zusammen.
Wer ist Christian Skrodzki?
Der 50-Jährige Mehrfach-Unternehmer ist bekannt wie ein bunter Hund. Aber er macht es trotz seiner vielen Ideen, die er seit Jahren in das Stadtgeschehen einbringt (Initiator des Also-Festivals, des Bürgerbahnhofs) nicht allen leicht. Nun bezeichnet er sich nach einer Frage Mauchers als „rechtschaffenen Menschen“, der die Heimat liebe. Skrodzki sagt auch: „Ich leide nicht unter Minderwertigkeitskomplexen.“Das könne schon auch zum Eindruck der Arroganz führen, Skrodzki weiß das und gibt unumwunden zu: „Ich muss damit leben, dass mich Leute zum Kotzen finden.“
Skrodzki bewegt sich auf vielen Feldern, aber seine Agentur „inallermunde“sei trotz allem der Kern seiner unternehmerischen Tätigkeiten. Rund 80 Mitarbeiter beschäftige er, viele auch in Teilzeit, in seinen „sieben bis acht Firmen“. An diesem Abend legt Skrodzki aber großen Wert darauf, dass er nie alleine das Risiko trage. Immer stünden Partner zur Seite. Nur: „Ich bin eben ein Mensch, der gerne in der Öffentlichkeit steht.“Deshalb der Eindruck, so ein Tausendsassa zu sein. Oder, wie er auch sagt: „Ich bin eine Rampensau.“
Aktuell stünden die geplante Genussmanufaktur und der Gasthof Hirsch in Urlau besonders stark im Blick. Dafür ist der Mann, der vorübergehend auch schon 40 Bahnhöfe, ein Schloss und eine Wassermühle in den neuen Bundesländern besessen hat, froh, dass er die letzte aus diesem Bestand noch übrig gebliebene Immobilie soeben abstoßen konnte. Für 2500 Euro. Gesehen habe er den Bahnhof Urtroff aber nie.
Christian Skrodzki erzählt an die- sem Abend aber auch über die Mühen des Schultags, über das von der Großmutter mütterlicherseits vererbte Sammelgen, über das Glück, nach der Ausbildung bei der Leutkircher Bank den Weg in die Selbstständigkeit mit seiner Werbeagentur gefunden zu haben. Mitgebracht hat er an diesem Abend jenen Bambi, den die Initiative „Wangen hilft Togo“erhalten hat. Drei Tage vor, während und nach der Gala aber hätten gereicht. Lieber werkelt er im Allgäu, in Leutkirch. Einen Wunsch aber konnte er sich bislang nicht erfüllen. Skrodzki outet sich als Familienmensch. „Ich mag Kinder.“Mit einem Achselzucken kommt ihm der Satz über die Lippen: „Man kriegt eben nicht alles im Leben.“
Wer ist Jutta Schubert?
Nach Skrodzki betritt eine zierliche, drahtige Ausdauersportlerin die Bühne, deren Beine müde sein müssten. Die 50-Jährige Jutta Schubert, unter anderem dreimalige Altersklassenweltmeisterin im Radsport und siebenfache Mannschaftsweltmeisterin im Wintertriathlon, hatte am Wochenende in Duisburg mit ih- Christian Skrodzki
rem acht Köpfe starken Veloce-Radteam (fünf Männer, drei Frauen) an einem 24-Stunden-MountainbikeRennen auf einem alten Zechengelände teilgenommen. Platz zwei sprang heraus, obwohl Jutta Schubert mit sich ganz und gar nicht zufrieden sein konnte. Ein Infekt in den Tagen zuvor hatte sie geschwächt, „und dann hat die intensive Belastung mir den Stecker gezogen“. Vorläufig zumindest. Erst am Sonntag glückten ihr dann doch noch zwei gute Runden.
Stürze, wieder aufrappeln, sich durchbeißen, die frühere Leistungssportlerin berichtet viel darüber, was es heißt, den inneren Schweinhund bei Rückschlägen zu überwinden. Einmal ist sie zwei Tage nach einem schweren Sturz, bei dem sie sich einen Handbruch zuzog, mit Gips wieder in den Sattel gestiegen. Dabei hat sie während ihrer Wettkämpfe in den verschiedenen Disziplinen auch Glück gehabt: „Meine Schlüsselbeine sind immer noch ganz.“
2009 kommt dann der Wendepunkt. Jutta Schubert beendet, gebeutelt von einem Bandscheibenvorfall und privaten Problemen, ihre Karriere. Sie fällt nicht tief, sie arbeitet jetzt daran, ihre zweite große Leidenschaft neben dem Sport mittel- fristig auch in eine neue berufliche Herausforderung umzuleiten. Schon mit ihrem Ehemann führte sie einen Radsportladen in Lindau. „Die Werkstatt war mein Revier“, sagt die gelernte technische Zeichnerin, „es war mir immer wichtig, etwas mit den Fingern zu machen“. Maucher spricht in diesem Zusammenhang vom „Schrauben“. Und Jutta Schubert räumt ein: „Es ist nicht immer ladylike, schmutzige Finger zu haben“. Vom Fetten. Von Ölen. Seit mehreren Jahren gehört ihr in der Leutkircher Brühlstraße der Radshop „Veloce“. „Kennet sie des au, was sie da machet?“Das Publikum raunt, als Jutta Schubert vom einen oder anderen männlichen Skeptiker berichtet, der in ihr Geschäft kommt. Zufrieden stellt sie aber fest: „Ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.“Ach ja. Als Mitbringsel zeigt sie an dem Abend ein Shirt ihres Rennteams „Veloce“. Aktuell zählt es 15 Mitglieder. Neben dem Aufstellen von Trainingsplänen schreibt sich die Chefin als Hauptaufgabe zu, „den Spaß und den Zusammenhalt zu fördern.
Wer ist Joe Styppa
Trainiert nach dem Abitur hat auch Joe Styppa. Die Kumpels des heute 26-Jährigen waren schon weg, er verbesserte ein Jahr lang acht Stunden am Tag sein Schlagzeugspiel. Dass der, so Maucher, Diplom-Popmusiker – den Begriff hat der Absolvent der Mannheimer Popakademie so noch nie gehört – sein Metier beherrscht, zeigt er vor der Talkrunde. Styppa spielt ein Stück mit „Just Friends“, das Publikum reagiert begeistert.
Es ist fortan auch angetan von einem Mann, der als Produzent, als Musiker, als Texter und Komponist beginnt, sich in der Hip-Hop-Szene zu etablieren. Styppa spricht von Projekten, zu denen er als Produzent vor allem mit Visionen beiträgt und der nicht immer leichten Aufgabe nachgehen muss, auch die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Insofern, das gibt er zu, nimmt er durchaus auch Auftragsarbeiten an, „aber ich mache nur das, was ich kann, was ich mag. Alles andere klappt nicht“. Das Geheimnis, welche Musikstile dem gelernten Blasmusiker nicht gefallen, verrät Styppa aber nicht.
Styppa redet davon, das Trommeln passe zu einem Menschen wie ihm, der in seiner Jugend ein Zappelphilipp gewesen sei. „Die Bewegung, die Energie des Spielens lassen vieles kanalisieren.“Bisweilen nimmt das Gespräch mit dem Künstler slapstickhafte Züge an, wenn er mit Leidenschaft aber auch mit Tiefsinn über seine Branche spricht. „Sex, Drugs and Rock’n Roll?“Bei der einen oder anderen Band, mit der er unterwegs sei, „muss ich mental schon gut drauf sein“, gesteht er augenzwinkernd ein. Den Spannungsbogen der Musikszene umschreibt er so. Wer bei einem Schreiner einen Tisch bestelle, der bekomme den auch. In der Musik könne anstatt des Tisches auch mal ein Stuhl das Endprodukt sein.
Seit Kurzem betreibt Styppa in Eglofs ein eigenes Studio. Die Musiker, die zu ihm kommen, seien begeistert von der Region. Vorher arbeitete Styppa viel in Stuttgart. „Da kamen sie aus Berlin oder aus Hamburg wieder in eine Großstadt, nur ein bisschen schlechter.“Das Publikum lacht nach diesem Seitenhieb. Styppa beendet den Abend mit einem kleinen Werbeblock. Am Freitag erscheint das EP-Album „Levitate“, das er mit seinem Kumpel Mitsch abgemischt hat. Sechs Songs befinden sich darauf. Das Cover, wie das Album nur im Internet herunterzuladen, bringt er im Bilderrahmen mit.
Der Abend entlässt mehrere hundert Gäste mit dem guten Gefühl, ein paar Details mehr über Mitmenschen erfahren zu haben, die sie gar nicht oder zumindest nicht so gekannt haben.
„Ich muss damit leben, dass mich Leute zum Kotzen finden.“