Kolpingsfamilie auf Geschichtstour
Kißlegger erkunden Ratzenried
WANGEN - Der Name Ratzenried gehe auf die Rodung des Alemannen Razo an der Stelle des späteren Sechshöf zurück, erklärte Heimatforscher Berthold Büchele 20 Kißlegger Kolpingmitgliedern, denen er mit ansteckender Begeisterung bei einer hochinteressanten, kurzweiligen Führung die spannende Geschichte Ratzenrieds nahebrachte.
Razo hat seinen Hof dem Kloster St. Gallen geschenkt, dessen Dienstmannen sich „von Ratzenried“nannten und eine Burg bauten. 1453 kaufte der reiche Ravensburger Jos Humpis das Lehen, das seine Söhne teilten. Jos baute die „obere“Burg zur größten Dienstmannenburg des Allgäus aus, sein Bruder Jakob errichtete sich in Wetzelsried (später Ratzenried) das „untere“Schloss. Nachdem sie vom Kaiser die Hohe Gerichtsbarkeit erhalten hatten, war die Herrschaft bis 1806 ein reichsunmittelbarer Kleinstaat. Nach Zerstörung beider Schlösser im 30-jährigen Krieg wurde wegen Aussterbens der oberen Schlosslinie nur das untere Schloss neu errichtet. Es kam 1811 an die Grafen von Beroldingen, später an das Haus Waldburg-Zeil.
Heute ist es Verwaltungssitz des Humboldt-Instituts. In der Kirche St. Georg erzählte Büchele Wissenswertes über die Grabsteine der Ratzenrieder Herrschaften. Noch erhaltene wertvolle Kunstschätze sind der romanische Turm, ein romanisches Vortragskreuz, zwei gotische Heiligenfiguren und der gotische Taufstein. Auf mehrere Stilepochen traf man im Schloss. Von Maria v. Beroldingen gibt es Jugendstil-Verglasungen, Schnitzereien und im Turmzimmer am Fries Stoffmalereien, die Gobelins vortäuschen.
Auf dem Turm genoss man einen herrlichen Rundblick. Krönender Abschluss des Rundgangs war die Ruine der Burg, die 200 Meter lang und 75 Meter breit war, eine Mauer mit elf Türmen hatte und über eine 30 Meter lange Brücke zugänglich war. Anhand alter Ansichten konnte Büchele die Besucher gedanklich in die Vorburg, den Palas oder ins Burgverlies versetzen. Er lenkte die Blicke auf Schießscharten, Spuren des Wehrgangs oder auf die Zierkränze der gewaltigen Türme. 25 Jahre lang hat der Heimatverein die Burgruine restauriert und hält sie instand.
Bei der Einkehr in der Gerichtsstube des geschichtsträchtigen Gasthofs „Ochsen“erzählte Büchele Interessantes und Kurioses zu den Kaiserurkunden und sonstigen Dokumenten, historischen Karten und Bildern von mittelalterlichen Gerichtsszenen. Heiter ging es zu beim Ausprobieren einiger Prangergeräte, wie der Halsgeige für Streithähne.