Gefragte Stimme der Opposition
Direktkandidaten zur Bundestagswahl im Porträt – Heute: Agnieszka Brugger (Grüne)
WANGEN - Als Agnieszka Brugger vor acht Jahren erstmals für die Grünen in den Bundestag einzog, hob sie sich nicht nur durch ihr äußeres Erscheinungsbild vom Berliner Politikbetrieb ab. Mit 24 Jahren war sie 2009 auch jüngste weibliche Abgeordnete im Reichstagsgebäude. Heute ist Brugger 32, schon lange Stimme ihrer Partei in Fragen der Verteidigungsund Sicherheitspolitik – und bei diesen Themen oft gefragte Gesprächspartnerin.
Die Ravensburgerin ist nicht nur in den Medien präsent, sondern auch im Parlament. So ließ eine Statistik aufhorchen, aus der sie mit 61 Debattenbeiträgen als fleißigste Rednerin des Deutschen Bundestags der ablaufenden Legislaturperiode hervorgeht. Und dennoch bekennt Agnieszka Brugger – wie vor vier Jahren schon –, vor jedem Gang ans Rednerpult nach wie vor nervös zu sein. „Ich stelle mir dann immer einen 14-Jährigen vor, der das in einem YoutubeKanal sieht und sich fragt, was die Positionen der Grünen sind“, erklärt Agnieszka Brugger. Da sei es nicht immer einfach, den richtigen Ton zu treffen.
Von Nervosität ist für den Außenstehenden allerdings nicht viel zu spüren, wenn Agnieszka Brugger im Bundestag auftritt, sie in einer Nachrichtensendung oder einem Fernsehmagazin zu sehen ist. Dort kommt sie sicher rüber, ist in der Lage, die in der Außen- und Sicherheitspolitik besonders komplizierten Sachfragen und Positionen ihrer Partei auf den Punkt zu bringen. Selbst sagt sie: „Ich bin immer bemüht, die Zusammenhänge zu erklären und Gründe zu nennen. Es kommt mir dabei nicht darauf an, gleich die schärfste und populistischste Position zu wählen.“
Brugger arbeitet sich an von der Leyen ab
Keine Frage: Nach acht Jahren im Bundestag wirkt die Politikerin fast wie ein „alter Hase“. Daher arbeitet Brugger sich im Gespräch an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ab – und man merkt, dass sie sich als Gegenpart auf Augenhöhe sieht. Mit Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maizière hat sie zwei Vorgänger der Niedersächsin gehen sehen. Über Letztere verliert sie differenzierte Worte: Von der Leyen versuche – anders als die beiden Männer – die Opposition mitzunehmen. Auch aus taktischen Gründen, um ihr den „Wind aus den Segeln zu nehmen“. Doch dann geht sie im Gespräch mit der SZ mit der Ministerin ins Gericht. Bei ihr stehe die Selbstdarstellung im Vordergrund, statt Verantwortung zu übernehmen. Für Brugger ein Grund der aus ihrer Sicht schlechten Stimmung in der Bundeswehr.
„Klare Gesetzeslücken“erkennt Brugger in der Verteidigungspolitik. Etwa wenn es um ein aktuelles Rüstungsengagement von Rheinmetall in der Türkei geht. Eine ebenso „klare Haltung“fordert sie bei der Türkeipolitik, auch wenn man „nicht alle Brücken abbrechen darf“. Und klar – wenngleich nicht neu – ist ihre Position auch, wenn es um den deutschen Beitrag bei der Bewältigung von Krisen angesichts einer immer unsichereren Weltlage geht: Dem Prinzip „,mehr Verantwortung gleich mehr Militäreinsätze“erteilt sie eine Absage, und die Schaffung von mehr Sicherheit durch mehr Rüstung nennt sie eine „illusionäre Logik“.
Entsprechend lauten die Stichworte von Agnieszka Bruggers aktuellen Wahlkampfinhalten: Frieden, Sicherheit, Solidarität. Dass derzeit grüne Themen im Wahlkampf nicht verfangen, wenn man den schlechten Umfragewerten für die Partei folgt, glaubt die Ravensburgerin nicht: „Als Kandidatin habe sie diesen Eindruck überhaupt nicht.“Vielmehr erlebe sie bei Veranstaltungen „Interesse der Menschen an den Themen“. Dazu gehören für Brugger auch jene aus dem Wahlkreis. Hier ist nicht Ursula von der Leyen ihr Gegenpart, sondern Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Zu diesem Thema kommt ihr dann doch eine scharfe Formulierung über die Lippen: „Betonpolitik aus dem letzten Jahrhundert“, nennt sie den Bundesverkehrswegeplan, der Straßen Vorfahrt gebe. Das sehe man allein an der mangelnden Förderung von Kleinbahnhöfen, etwa in Wangen und Leutkirch entlang der Allgäubahn. Auch bei der Tempolimitdiskussion zur A 96 hätte sie sich „mehr Sachlichkeit gewünscht“– und den Modellversuch.
Bei möglichen Modellen für eine künftige Bundesregierung schließt Agnieszka Brugger wenig aus. Vorher schaue sie lieber mit „Demut auf die Wahlen“. Die sie bezogen auf den eigenen Wahlkreis mit Optimismus mischt: „Wir sind hier eine grüne Hochburg.“