Firmen stellen erneut mehr Azubis ein
Industrie und Handel setzen gegen den Fachkräftemangel auf Ausbildung
LINDAU - Firmen aus Industrie und Handel im Landkreis Lindau stellen erneut mehr Auszubildende ein. 344 junge Frauen und Männer starten laut IHK an diesem Freitag ihre Ausbildung im Landkreis Lindau, das sind 22 mehr als vor einem Jahr. Das Besondere: „Jeder fünfte neue Auszubildende hat Abitur“, freut sich IHK-Regionalgeschäftsführer Markus Anselment.
Noch vor wenigen Jahren hat sich die IHK schon gefreut, wenn ein Zehntel der Lehrlinge das Abitur in der Tasche hatte. Doch laut Anselment sehen inzwischen mehr Abiturienten die besonderen Verdienstmöglichkeiten und Karriereaussichten vor allem in der Industrie. So sei beispielsweise eine Ausbildung zum Mechatroniker höchst anspruchsvoll und ohne Abitur kaum zu schaffen. Zudem bieten Firmen hinterher Weiterbildungen und damit Aufstiegsmöglichkeiten. Und wer nach Abschluss der Lehre noch ein Ingenieurstudium anhängen will, den unterstützen die Firmen, um die Fachkräfte an sich zu binden.
Anselment freut sich über den „gegenläufigen Trend“zum früheren Andrang auf die Hochschulen: „Das ist eine gute Nachricht.“Er führt das auch auf entsprechende Kampagnen wie „Lehre macht Karriere“der IHKs zurück. Viele junge Menschen wüssten inzwischen, dass sie nach einer guten Ausbildung oft sogar mehr verdienen als Akademiker.
Auch die Betriebe des Einzelhandels hätten erkannt, dass sie gute Fachkräfte brauchen, um gegen die Konkurrenz im Internet zu bestehen. Deshalb bieten auch sie mehr Ausbildungsplätze als früher – zumindest im Landkreis Lindau. Denn das ist laut Anselment eine Besonderheit: Während in ganz Schwaben die Zahl der Lehrstellen im Einzelhandel zurückgeht, steige sie in Lindau. „Der Beruf ist durchaus begehrt“, stellt Anselment fest und ergänzt, dass es noch einige freie Ausbildungsplätze für angehende Fachverkäuferinnen und -verkäufer in heimischen Geschäften gebe.
Der IHK-Regionalgeschäftsführer lobt die heimischen Firmen, die sich in vielerlei Hinsicht auf die veränderten Bedingungen bezüglich der Ausbildung angepasst hätten. Denn in Lindau ist es schon lange nicht mehr so, dass alle Betriebe unter einer Fülle von Bewerbern aussuchen können. Davon zeugt die Erfahrung der Vorjahre, dass die Firmen einige der freien Stellen bis zum Jahresende doch noch besetzen werden. Im vergangenen Jahr wurden auch nach dem 1. September bei der IHK noch mehr als 400 unterschriebene Lehrverträge eingereicht. Freie Stellen gibt es noch vor allem bei Hotels und Gaststätten sowie im Handel, aber auch in etlichen Industriebetrieben.
Personalchefs suchen für jede Stelle den richtigen Bewerber
Unternehmen suchen dabei gezielt nach Bewerbern, die sie langfristig binden können. So seien Abiturienten für manche Stellen überqualifiziert. Weil die Personalverantwortlichen schon vorher wissen, dass die spätestens gehen, wenn sie die Ausbildung abgeschlossen haben, würde man entsprechende Stellen lieber an Mitteloder Realschüler vergeben. Die Auswahl der Azubis sei entsprechend anspruchsvoll: „Ich muss den passenden Schulabgänger für meinen Beruf finden.“Dazu gehört auch, dass in Lindauer IHK-Betrieben an diesem Freitag 14 jugendliche Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen.
Vorteil der heimischen Betriebe sei die außerordentlich gute Lage: „Der Wirtschaft in Lindau geht es richtig gut“– und dies schon seit vielen Jahren, sagt Anselment. „Wir sind manchmal selbst überrascht“über die weiterhin guten Aussichten der Unternehmen aus allen Branchen. Wer seine Geschäfte vor allem im Ausland tätigt, habe ebenso volle Auftragsbücher wie Firmen, die auf nachfrage aus Deutschland angewiesen sind.
Bremswirkung habe allerdings der Fachkräftemangel. Da die Unternehmen inzwischen alles ausprobiert haben, ist eine gute Ausbildung unerlässlich, um auf Dauer weiter in der nötigen Qualität liefern zu können. Angesichts sinkender Zahlen der kommenden Schulabschlussjahrgänge wüssten die Verantwortlichen, dass sie in Ausbildung investieren müssen, sagt Anselment: „Andere Möglichkeiten haben wir nicht.“
„Jeder fünfte neue Auszubildende hat Abitur.“Darüber freut sich IHK-Regionalgeschäftsführer Markus Anselment.
„Der Wirtschaft in Lindau geht es richtig gut“– bis auf den Fachkräftemangel.