Großprojekt als Herzensangelegenheit
Wolfgang und Wilhelm Forster sanieren die Neue Spinnerei – Auch für die Weberei haben sie Pläne
Wolfgang und Wilhelm Forster haben Pläne für Neue Spinnerei und Weberei.
WANGEN - Vor einigen Monaten bekamen Wilhelm und Wolfgang Forster vom Wangener Gemeinderat den Zuschlag für das zentrale Gebäude des Erba-Areals: die Neue Spinnerei. Außerdem erwarben sie die Weberei. Damit entwickelt die aus dem oberpfälzischen Mitterteich stammende Familie zwei Kerngebäude des künftigen Mittelpunkts der Landesgartenschau. Es ist ein Projekt, das sicher in die Millionen gehen wird – und ein gutes Stück Herzensangelegenheit ist.
Wenn Wolfgang Forster von der Neuen Spinnerei erzählt, leuchten seine Augen. Schon kurz nach der Schlüsselübergabe sei er mit seiner Familie auf das Dach gestiegen und habe dort oben gefrühstückt – mit Blick auf den Säntis. Die Fernsicht ist aber nur willkommener Nebenaspekt, warum Vater und Sohn das Gebäude gekauft haben. Es ist vielmehr die Aussicht, aus etwas denkmalgeschütztem Alten nun Neues ins Leben zu rufen – und dabei ein Stück der Erba-Geschichte mitzunehmen, wie die Forsters bei einem Rundgang erzählen.
Liebe auf den ersten Blick
Doch wie kommt man überhaupt auf die Idee, sich in ein leerstehendes Gebäude zu vergucken und auf Jahre viel Geld in die Hand zu nehmen, um es auf Vordermann zu bringen? Bei Wolfgang Forster, dem 39-jährigen Junior, liegen die ersten Berührungspunkte schon länger zurück. 2003 war er „wegen der Liebe“in die Region gezogen und radelte auf dem Weg von Neuravensburg nach Wangen des öfteren an der Erba vorbei.
Heute lebt er mit seiner Familie in Ratzenried, und entscheidend waren ganz andere Dinge als Radtouren: So haben die Forsters Erfahrung mit der Sanierung alter Industriegebäude. In ihrer Heimat, in Mitterteich, kauften sie vor Jahren eine stillgelegte Porzellanfabrik, sanierten sie und bauten sie aus. Sie diente der Erweiterung des familieneigenen Metallbaubetriebs, bot aber auch Platz für Büros, eine Physiotherapie oder einen Onlineshop. „Es ist etwas anderes, in einem alten Gebäude zu arbeiten als in einem neuen“, beschreibt Forster junior das Ergebnis. Und der 66-jährige Vater Wilhelm ergänzt: „Ein altes Gebäude hat einen anderen Wert für mich.“Deshalb müsse man deren Charakter erhalten: „Warum soll man Altes wegreißen, um Neues zu bauen?“, fragt Wilhelm Forster rhetorisch und lobt in diesem Zuge die Wangener Altstadt.
Dabei ist die eigene, ehemalige Porzellanfabrik nicht das einzige Vorbild für das, was das Duo in der Erba vor hat: 2006 war im südlich von Hof und nahe der tschechischen Grenze gelegenen Marktredwitz bayerische Landesgartenschau. Dort war ebenfalls eine frühere Spinnerei und Weberei Teil dieses Ereignisses. „Wir haben dort gesehen, was mit einem Gelände vor, während und nach der Landesgartenschau passiert“, erzählt Wolfgang Forster. Diese – aus Sicht von Vater und Sohn positive – Entwicklung sei letztlich der wichtigste Beweggrund für das Engagement in der Erba gewesen.
Ernstgemeinte Pläne
Und für das haben sich die Forsters zwei Leute mit entsprechender Erfahrung zur Seite geholt: Zum einen Max Wittmann, Architekt und vor elf Jahren Geschäftsführer der Gartenschau eben in Marktredwitz. Und Philipp Grath, ebenfalls Architekt mit Sitz in Ravensburg und in diesem Zuge beispielsweise auch bei der Sanierung des Hofguts Dürren aktiv gewesen.
Grath war schon mit in Forsters Boot, als diese ihr Angebot noch gar nicht abgegeben hatten. Erst kurz vor Jahresende 2016 taten sie dies, kurz vor Ende der von der Stadt gesetzten Bewerbungsfrist für diverse Grundstücke und Gebäude auf der ehemaligen Erba. Dass man schon zuvor als Team zusammen war und bis zuletzt an den Unterlagen gefeilt habe, stehe für die Seriosität des Gebots: „Die Pläne, die wir abgegeben haben, waren tatsächlich ernst gemeint“, sagt der Architekt.
Charakter soll erhalten bleiben
Dazu gehört – ganz im Sinne der Forsters –, dass der Charakter des Gebäudes erhalten bleiben soll. Sicher, auf den 11 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche wird im Innern viel Neues entstehen. Denn die neuen Eigentümer stellen sich einen Wandel der weitläufigen, alten Industriehallen in einen Mix aus Büros, Wohnungen und – im Erdgeschoss – Gastronomie vor. Und dafür braucht es halt viel Neues im Alten.
Und dennoch: Der Charakter der Fassaden soll weitgehend erhalten bleiben. Inbesondere die Fenster haben es den Forsters angetan. Sie haben im familieneigenen Metallbaubetrieb bereits ein Modell für die neue Verglasung erstellt und an einer Stelle der rückwärtigen Front installiert – ganz den historischen Vorbildern entsprechend.
Innen kennzeichnen zahllose Stützen die Hallen der Neuen Spinnerei . Auch sie sollen bestehen bleiben. Nicht nur aus statischen Gründen. Nein, die Forsters wollen sie sichtbar belassen, auch wenn aus den Hallen parzellierte Räume werden. Laut Philipp Grath soll dies sogar für die „kleinen Strukturen und Nieten“der Stützen gelten. Zumal Wolfgang Forster ergänzt: „Sie sind ein Traum für jeden Statiker.“
Wer gelegentlich an der Erba vor Ort ist, der hat gute Chancen, Forster Junior vor Ort zu treffen. Immer wieder ist er mit Fachleuten im Gebäude und drumherum unterwegs. Ein provisorisches Baubüro gibt es bereits. Denn längst laufen Untersuchungen für den ab 2018 geplanten Baubeginn. Dazu haben Vater und Sohn eine Historikerin engagiert. Sie hat die Geschichte des 1900 beziehungsweise 1908 entstandenen Gebäudes aufgeschrieben. Pflichtgemäß, weil der Denkmalschutz dies erforderlich gemacht hätte. Aber auch aus Überzeugung, wie bei Wolfgang Forster durchklingt: „Es ist ein richtig schönes Werk geworden“, sagt er über das Ergebnis der historischen Arbeit.
Da ist er wieder, der geschichtliche Bezug, der die beiden Eigentümer, aber auch Architekt Philipp Grath anspricht. Und so formuliert er eines der Ziele, das mit der geplanten Fertigstellung im Jahr 2020 erreicht sein soll: „Toll wäre es, wenn man am Ende sagt: Es sieht ja aus wie früher.“
Dann übrigens will auch Wolfgang Forster in dem Gebäude leben. Für sich und seine Familie hat er bereits eine der geplanten Wohnungen reserviert. Und spätestens dann kann er in den dortigen eigenen vier Wänden frühstücken – und muss der Neuen Spinnerei dazu nicht mehr aufs Dach steigen. Auch wenn dort sein Lieblingsplatz ist.
Eine Bildergalerie mit Fotos der Neuen Spinnerei und von deren Dach sehen Sie unter:
schwaebische.de/wangen