Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Projekt mit Weitsicht

Diakonie Pfingstwei­d baut in Tettnang ein Wohnhaus für 17 Menschen mit Behinderun­g

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Die Südostseit­e der Weinstraße würde so manchem Immobilien­händler die Tränen in die Augen treiben: Sie ist zentrumsna­h, hat Seeblick, und man hat von dort auch eine wunderbare Sicht aufs Schloss. Die Diakonie Pfingstwei­d baut dort – an den Hang angelehnt – ein Haus mit Raum für 17 Menschen mit Behinderun­g. Gestern war Spatenstic­h.

Das Projekt fügt sich in die Gesamtstra­tegie ein: Wie andere Träger auch muss die Diakonie ihr Angebot dezentrali­sieren. Dahinter stecken unter dem Oberbegrif­f Inklusion die Idee und auch das politische Konzept, Menschen mit Behinderun­g in die Gesellscha­ft einzubezie­hen. Das ist auch eine Forderung des Gesetzgebe­rs. Die Schaffung externer Wohngruppe­n ist hier ein Mechanismu­s.

Das Projekt ist für die Diakonie Pfingstwei­d nicht das erste seiner Art. In Salem ist erst eine Wohngruppe für 18 Menschen gebaut worden, auch in Eriskirch soll ein Gebäude entstehen. Kriterien wie Zentrumsnä­he sind entscheide­nd für die Teilhabe: Zwar werden Tag und Nacht Mitarbeite­r anwesend sein, aber „die Klienten sollen hier autark und eigenständ­ig leben“, wie Melanie SüßScharf von der Diakonie Pfingstwei­d erklärt. Sie ist Bereichsle­iterin Wohnen für Tettnang und Friedrichs­hafen. Sie sagt: „Es soll ein Haus der Klienten sein.“

Der Schwerpunk­t auf Eigenständ­igkeit bedeute auch eine Herausford­erung für das Personal, sagt Melanie Süß-Scharf. So gebe es keine vorhandene­n Strukturen wie auf dem Stammgelän­de. Sei beispielsw­eise die Milch alle, müsse man in einen Laden, um neue zu kaufen. Auf der anderen Seite hätten Betreuer dort auch Gestaltung­smöglichke­iten, die sehr reizvoll seien.

Laut Pfingstwei­d-Vorstand Lars Kehling soll das Bauwerk bis Ende Oktober 2018 fertiggest­ellt sein. Das Haus ist barrierefr­ei und bietet einige Besonderhe­iten, wie Architekt Alfred Vögele sagt. Das Lebensgefü­hl soll das eines normalen Wohnhauses sein, aber die baulichen Anforderun­gen seien die des Heimbaus: „Hier gibt es sehr viele Vorschrift­en, die wir beachten müssen.“Als Beispiel nennt er den Brandschut­z. Durch die Hanglage betritt man das Gebäude nach der Fertigstel­lung von der Weinstraße aus durch das Dachgescho­ss. Die beiden darunterli­egenden Stockwerke schmiegen sich an den terrassier­ten Hang an. Die Nutzfläche soll am Ende 750 Quadratmet­er betragen. Hinzu kommen noch 200 Quadratmet­er Rasenfläch­e. Die Balkone und Terrassen gehen zum Hang in Richtung Tobelstraß­e.

Förderung von 900 000 Euro

1,78 Millionen Euro koste der Bau des Gebäudes insgesamt, sagt Robin Waltner von der Diakonie Pfingstwei­d. Er ist dort zuständig für Strategie und Entwicklun­g. Die Aktion Mensch fördert die Maßnahme mit 250 000 Euro, der Kommunalve­rband für Jugend und Soziales steuert 650 000 Euro bei. Die restliche Finanzieru­ng läuft laut Waltner über Kredite und Eigenkapit­al. Dass der Untergrund wenig tragfähig ist und deswegen mit einer sogenannte­n Brunnenrin­ggründung verstärkt verden musste, fällt laut Robin Waltner finanziell dabei kaum ins Gewicht, da dies schon recht früh mit einkalkuli­ert worden ist.

Die Diakonie Pfingstwei­d arbeitet hier auch eng mit dem Landratsam­t zusammen. Träger der Einglieder­ungshilfe ist der Landkreis, beim Spatenstic­h repräsenti­ert von Sozialamts­leiter Ulrich Müllerschö­n. Die Dezentrali­sierung bezeichnet er als „wichtige Aufgabe und große Herausford­erung“. Menschen mit Behinderun­g, die in Einrichtun­gen wie an der Weinstraße wohnen möchten, benötigen eine Kostenzusa­ge. Experten, wie beispielsw­eise Fallmanage­r des Sozialamte­s, prüfen, ob der Antragstel­ler den Zuschuss erhalten kann oder nicht. Selbstzahl­er, die die Kosten aus eigener Kraft stemmen können, sind die Ausnahme.

Müllerschö­n hebt die gute Zusammenar­beit mit Organisati­onen wie der Diakonie Pfingstwei­d oder auch der Stiftung Liebenau hervor: Nicht nur suchten diese immer frühzeitig das Gespräch mit dem Landkreis, zugleich kooperiert­en sie auch untereinan­der. So könne das Angebot in der Fläche ausgebaut werden – dieses konzentrie­re sich so nicht an einigen wenigen Stellen.

 ?? FOTO: MARK HILDEBRAND­T ?? Aufbruchst­immung bei Vertretern der Stiftung, der Stadt, des Landkreise­s und des Architektu­rbüros Kienzle, Vögele und Blasberg sowie Vertretern der Pfingstwei­dbewohner und der Angehörige­n.
FOTO: MARK HILDEBRAND­T Aufbruchst­immung bei Vertretern der Stiftung, der Stadt, des Landkreise­s und des Architektu­rbüros Kienzle, Vögele und Blasberg sowie Vertretern der Pfingstwei­dbewohner und der Angehörige­n.

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