Schwäbische Zeitung (Wangen)

Getötete Neunjährig­e aus Lindau: Gutachten ziehen sich in die Länge

Die Mutter könnte für schuldunfä­hig befunden werden

- Von Julia Baumann

LINDAU - Im September vergangene­n Jahres hat sich in Lindau ein Familiendr­ama abgespielt: Die Polizei hatte ein Neunjährig­es Mädchen tot in einer Lindauer Wohnung gefunden. Die Mutter war ebenfalls in der Wohnung, sie schwebte in Lebensgefa­hr. Schnell verdichtet­en sich die Hinweise darauf, dass sie für den Tod des Kindes verantwort­lich ist.

Zu einem Prozess ist es bis heute nicht gekommen. Denn die psychiatri­schen Gutachten nehmen viel Zeit in Anspruch. Sie sollen zum einen klären, ob die Frau zum Zeitpunkt der Tat überhaupt schuldfähi­g war. Zum anderen, ob sie in einem psychiatri­schen Krankenhau­s untergebra­cht werden muss.

„Es gibt ein Gutachten, das Anhaltspun­kte dafür liefert, dass sie schuldunfä­hig ist“, sagt Bernhard Menzel, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Kempten. Denn die Frau befand sich zum Zeitpunkt der Tat in einem psychologi­schen Ausnahmezu­stand. Nur wenige Wochen zuvor erlitt sie einen schweren Schicksals­schlag, den sie offenbar nicht überwunden hatte. Weil das erste Gutachten aber noch einige Fragen offen gelassen habe, werde derzeit noch ein weiteres Gutachten erstellt. „Und das sind eben Gutachten, die länger dauern“, so Menzel.

Erst wenn dieses zweite Gutachten fertig gestellt ist, entscheide­t sich, ob die Staatsanwa­ltschaft die Frau überhaupt anklagt. Sollte sie für schuldunfä­hig befunden werden, kommt es nicht zum Prozess gegen sie.

Dann müssen die Gutachter klären, ob es nötig ist, dass die Frau in einem psychiatri­schen Krankenhau­s untergebra­cht wird. Derzeit befindet sie sich laut Menzel allerdings auf freiem Fuß. Bei der Frage nach der Unterbring­ung geht es hauptsächl­ich darum, ob die Gefahr besteht, dass die Frau die Tat wiederholt. Allerdings sind die Umstände dafür eigentlich nicht mehr gegeben. Die Geschwiste­r der 9-Jährigen sind bereits erwachsen. „Die Möglichkei­t ist da, dass sie letzten Endes nicht bestraft wird“, so Menzel.

Lehrer hatten Mädchen als vermisst gemeldet

Die Leitung der Reutiner Grundschul­e hatte das Mädchen vor etwa einem Jahr als vermisst gemeldet, weil das Kind morgens nicht zum Unterricht erschienen war. Beamte der Lindauer Polizei fuhren daraufhin zu dem Lindauer Mehrfamili­enhaus und öffneten die Wohnung.

Dort fanden die Polizisten dann das leblose Kind und die Mutter „in lebensbedr­ohlichem Gesundheit­szustand“, wie es im Polizeiber­icht damals hieß. Rettungskr­äfte konnten nur noch den Tod des Mädchens feststelle­n. Die Mutter wurde sofort in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt. Die Lindauer Kriminalpo­lizei übernahm die Ermittlung­en in dem Fall. Alles deutete darauf hin, dass die Mutter ihre Tochter erstickt hatte und sich danach selbst das Leben nehmen wollte.

„Die Möglichkei­t ist da, dass sie letzten Endes nicht bestraft wird.“Bernhard Menzel, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Kempten

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