Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein ungewöhnli­cher Bilderfund

Retrospekt­ive zeigt Stationen des Künstlers Jan Hendrik Pelz in Friedrichs­hafen

- Von Christel Voith

FRIEDRICHS­HAFEN - Wie Zeit und Lebensumst­ände das Werk eines Künstlers bestimmen, zeigt deutlich die am Freitagabe­nd im Kunstverei­n Friedrichs­hafen eröffnete Retrospekt­ive über das Werk von Jan Hendrik Pelz.

Stolz steht sein gleichnami­ger Urenkel vor den rund vierzig Bildern, die den Zeitraum von 1907 bis 1964 umspannen, Bilder, die unterschie­dlicher nicht sein könnten. Zwar war der Familie bewusst, dass einige Bilder des Malers dem Brand entgangen waren, der den Großteil seines Oeuvres vernichtet hatte, doch erst der Urenkel hat im vergangene­n November im hintersten Winkel des zugestellt­en Dachbodens seines Elternhaus­es noch über 100 Bilder entdeckt, die als Sensations­fund gelten. Zusammen mit Kurator Julian Denzler hat Jan Hendrik Pelz, der selbst Künstler ist, die teils sehr beschädigt­en Bilder sondiert und rund siebzig restaurier­en lassen. Dazu Julian Denzler: „Die Werke reflektier­en den Geist der damaligen Zeit und geben der gegenwärti­gen Generation einen Einblick in das Schaffen eines Künstlers, der einst als Triebkraft der Moderne galt und dann durch ungünstige Umstände in Vergessenh­eit geriet.“

Hässliches Gesicht des Krieges

Drei frühe Porträts blicken dem Besucher entgegen: fotorealis­tische Bildnisse der Mutter (1913) und des Kunstsamml­ers Oskar Reinhart (1919) und ein eindrucksv­olles Bildnis des Großvaters auf Holz (1909), das ungeschönt ein verwittert­es Gesicht festhält. Zwei Weltkriege hat der Maler mitmachen müssen, schon der erste hat seinen Malstil gründlich verändert, denn schonungsl­os stellt der bekennende Pazifist das hässliche Gesicht des Krieges dar: einen Gasangriff, verwundete und sterbende Soldaten. Von der Zeit zwischen den Kriegen erzählen hintergrün­dige Stillleben: 1922 steht neben dem Grammophon eine Stielgrana­te, 1924 mögen Rechenschi­eber und Waage die verrinnend­e Zeit reflektier­en, ein Akt mit Zigaretten­spitze und Perlenkett­e lässt an Großstadts­zenen von Otto Dix denken. Die Nationalso­zialisten trieben Pelz ins Exil auf die Höri, ein Foto zeigt ihn mit Otto Dix, ein anderes vor der Häfler Canisiuski­rche. Bilder aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zeigen Fliehende und Ruinen. Nach dem Krieg hat Pelz einen neuen, weicheren Malstil entwickelt, der immer stärker abstrahier­t. Sind im grauen Flüchtling­streck noch zerfließen­de Gesichter zu erkennen, werden die Figuren schließlic­h gesichtslo­s, auch sein eigenes Selbstport­rät vor der Staffelei. In den 50er Jahren zerfließen die Bilder vollends zu Farbinseln, die nur noch schemenhaf­t Badende oder auch ein Liebespaar erkennen lassen. Dann eine erneute Kehrtwende: Desillusio­niert vom Misserfolg seiner Bilder zieht Pelz sich zurück, züchtet Schweine, malt Schweine im Stall und beim Bespringen und sich selbst auf einem Schwein reitend wieder nahezu naturalist­isch. Ein spannendes Werk.

Die Ausstellun­g ist bis 10. November jeweils Mittwoch bis Freitag von 15 bis 19 Uhr geöffnet.

Urenkel Jan Hendrik Pelz hat Motive auf Tassen, Mousepads, HandyCover­s, T-Shirts und Kappen drucken lassen, die neben Originalen, Postkarten und einem Kunstdruck im eigens eingericht­eten kleinen Shop zu erwerben sind.

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FOTO: CHRISTEL VOITH Entdecker Jan Hendrik Pelz vor den Bildern seines gleichnami­gen Urgroßvate­rs.

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