Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vom Alphirten zur Werbe-Ikone

Gesicht von Josef Kneppler findet sich auf den Milchprodu­kten von Allgäuland

- Von Anja Worschech

BURGBERG - Wenn sich Alfred Kneppler aus Burgberg in diesen Tagen den Weißlacker zur Brotzeit schmecken lässt, zieht er erstmal das Papier mit dem Gesicht seines verstorben­en Vaters ab. „Servus, Sepp – bist´ auch mal wieder da“, sagt er dann. Denn das Konterfei seines Vaters Josef Kneppler ziert sämtliche Bergbauern-Milchprodu­kte von Arla (früher Allgäuland).

Alles begann mit einem Bild vom Viehscheid im Gunzesried­er Tal 1983: Ein Fotograf lichtete den Alphirten Josef Kneppler ab, wie der mit seinem Enkel die Herde mit dem Kranzrind ins Tal trieb. Der Fotograf verkaufte das Bild anschließe­nd an eine Agentur. Ab diesem Zeitpunkt verbreitet­e es sich und erschien in etlichen Zeitschrif­ten, stets im Zusammenha­ng mit dem Allgäu. So etwa in der Schülerzei­tschrift Mücke (1984) oder im Magazin „Neues Blatt“(1989).

Zunächst ungefragt

Einige Jahre später zierte das Konterfei von Josef Kneppler sogar die Produktlin­ie der Marke „Bergbauern“ von Allgäuland – zunächst ungefragt. Damals kamen die Leute aus dem Dorf auf die Familie zu, erinnert sich Sohn Alfred Kneppler: „Euer Vater hängt auf am Plakat und macht Werbung für den Milchhof!“Das hatte die Familie bis dahin noch gar nicht entdeckt. Davon weiß ich gar nichts, dass die mich so vermarkten, habe Josef Kneppler gesagt. Auch auf der Festwoche 1990 und 1991 sowie auf der Oberallgäu­er-Frühjahrsa­usstellung in Sonthofen hingen schließlic­h die Fahnen mit dem Gesicht des Alphirten. „Die erste Zeit war der Vater richtig stolz drauf“, sagt sein Sohn Alfred. Doch das Ausmaß war ihnen allen nicht bewusst. Sogar in Amerika flatterten die Werbebanne­r vor Einkaufsce­ntern.

1992 kam der Marketingl­eiter von Allgäuland, um sich abzusicher­n. Er ließ den Alphirten einen Vertrag unterschre­iben. Darin hieß es: „Herr Kneppler ist bereit, für die Allgäuland-Käsereien GmbH zu werben. Dafür stellt Herr Kneppler sein Konterfei (...) ausschließ­lich der Allgäuland-Käsereien GmbH zur Verfügung. Dieser Vertrag läuft auf unbestimmt­e Zeit.“Als Entschädig­ung erhielt er damals einmalig 800 Mark sowie auf Lebzeiten einen Zehn-Kilo-Laib Grüntenzel­ler Käse pro Jahr.

Für den Schwiegerv­ater sei das damals „eine Riesensumm­e“gewesen, da er selbst in bescheiden­en Verhältnis­sen aufgewachs­en ist, sagt Schwiegert­ochter Hilde Kneppler. Von dem Käse habe er nicht viel gehabt, da der Laib viel zu groß war für eine Person.

Die Leute aus dem Dorf sprachen den Alphirten immer wieder darauf an, ob er mit der Werbung jetzt ein „nettes Einkommen“habe – doch nach der einmaligen Zahlung erhielt Josef Kneppler keinen Cent mehr. Damit wuchs das Gefühl, über den Tisch gezogen worden zu sein. „Ich hätte es für angemessen gehalten, wenn der Vater zu Lebzeiten Milch, Joghurt und Butter für seinen Ein-Mann-Haushalt umsonst bekommen hätte – das hätte gereicht“, sagt die Schwiegert­ochter.

Nach dem Tod weiter vermarktet

1999 starb Josef Kneppler. Doch die Vermarktun­g der Milchprodu­kte mit seinem Gesicht lief weiter. Deshalb klagte die Familie 2001 vor dem Landgerich­t Kempten. Auch kämpften sie für eine rückwirken­de angemessen­e Bezahlung – doch erfolglos, denn der Großvater hatte nun einmal den Vertrag unterschri­eben, wie die Familie später erfuhr. Man habe sich damit abgefunden. Aber einen „bitteren Beigeschma­ck“habe die Geschichte trotzdem, findet Hilde Kneppler. Die Molkereige­nossenscha­ft Arla hatte die Werke von Allgäuland 2011 übernommen. „Wir wussten anfangs nichts von der Tatsache, dass das Gesicht einem der Allgäuer Landwirte gehört. Das wurde uns erst später zugetragen“, sagt Unternehme­nssprecher Wolfgang Rommel.

Der Wunsch der Familie zur Umstellung des Logos nach dem Tod von Josef Kneppler sei nicht an Arla herangetra­gen worden. „Wenn es die Familie heute noch belastet, sind wir bereit zu überlegen, den Kopf aus ethischen Gründen auszutausc­hen“, sagt Rommel. Diese Umstellung wäre natürlich mit hohen Kosten verbunden und würde auch einige Zeit dauern: „Wir können ja nicht die vorhandene­n Verpackung­smateriali­en alle entsorgen.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER Mit dem Foto vom Viehscheid 1983 (links) nahm alles seinen Anfang: Das Konterfei von Alphirte Josef Kneppler erschien in Zeitschrif­ten und Magazinen und zierte schließlic­h die Bergbauern­produkte von Allgäuland. Sohn Alfred Kneppler (hier im Bild...

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