Freihandelsabkommen Ceta provisorisch in Kraft
Ratifizierung steht in vielen EU-Staaten aber noch aus
BRÜSSEL - Von heute an ist das zwischen der Europäischen Union und Kanada über acht Jahre verhandelte Freihandelsabkommen Ceta provisorisch in Kraft. 590 Millionen Euro an Einfuhrzöllen werden EU-Unternehmen nach Berechnungen der Brüsseler Behörde jährlich einsparen, denn Kanada streicht 98 Prozent der bislang fälligen Zölle. Auf zwölf Milliarden Euro jährlich schätzt Brüssel den Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt, was mehr als 150 000 neuen Jobs entspreche. Kanada ist Deutschlands fünftgrößter Handelspartner in Dienstleistungen und steht an 15. Stelle beim Warenaustausch im außereuropäischen Vergleich.
Besteht das Abkommen den Praxistest, dann dürfen sich europäische Unternehmen künftig ohne Abstriche um öffentliche Ausschreibungen des kanadischen Staates, der Provinzund Kommunalverwaltungen bewerben. Kleine Unternehmen haben, so ist die Kommission überzeugt, nun eine Chance auf Zugang zum kanadischen Markt, denn viele kostenintensive Nachweise und teure Anwaltsgebühren entfallen, da Sicherheitsstandards und Zertifikate von Produkten wechselseitig anerkannt werden.
143 Herkunftsbezeichnungen, vom Schwarzwälder Schinken bis zum Holland-Gouda sind künftig geschützt und dürfen nicht von kanadischen Herstellern oder Großhändlern kopiert werden. Im Gegenzug dürfen kanadische Agrarexporteure Rind- und Schweinefleisch in begrenzten Mengen zollfrei in die EU einführen.
Mögliche Nachverhandlungen
Wenn Ceta ein Erfolg wird, so die Hoffnung beider Seiten, steigt auch bei anderen großen Marktwirtschaften die Bereitschaft, Freihandelsabkommen abzuschließen. Zuallererst stehen dabei natürlich die USA im Blickpunkt, mit der Europa jahrelang um das TTIP-Abkommen rang. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump stoppten die Verhandlungen, die zuvor bereits in der deutschen und Teilen der europäischen Öffentlichkeit stark kritisiert worden waren. Kanada erhofft sich von Ceta eine größere Unabhängigkeit vom amerikanischen Markt und eine stärkere Stellung bei künftigen Verhandlungen.
Bisher haben allerdings nur drei EU-Länder Ceta ratifiziert: Lettland, Dänemark und Malta. In Deutschland steht die Prozedur in Bundestag und Bundesrat nach der Bundestagswahl an. Sollte nur ein einziges der befragten nationalen und regionalen Parlamente die Zustimmung verweigern, müssten Teile des Abkommens neu verhandelt werden und der ganze Prozess ginge von vorn los. „Niemand geht ernsthaft davon aus, dass es in der vorliegenden Form durchkommt“, glaubt der stellvertretende BUND-Vorsitzende und Handelsexperte Ernst-Christoph Stolper. Die EU-Kommission hält dagegen. Vor allem der Debatte um den Investorenschutz will sie durch die Einrichtung eines Internationalen Handelsgerichtshofes den Wind aus den Segeln nehmen.